• 01.04.2010 13:53

  • von Dieter Rencken

Kubica: "Noch haben wir einiges vor uns"

Renault-Fahrer Robert Kubica in seiner Medienrunde über den Erfolg von Melbourne, die Entwicklung seines Teams und die Zielsetzung für Malaysia

(Motorsport-Total.com) - Beim Stadtrennen in Melbourne gelang Robert Kubica eine faustdicke Überraschung: Der polnische Rennfahrer konnte sich und seinen R30 im Albert Park bestens in Szene setzen, als er die Rivalen um Lewis Hamilton und Felipe Massa sicher auf Distanz hielt. Platz zwei und 18 WM-Punkte waren der verdiente Lohn für Kubica, der dieses Ergebnis aber als positiven "Ausrutscher" wertet. Im Interview spricht der 25-Jährige darüber, dass Renault aus eigener Kraft noch nicht podiumsfähig ist.

Titel-Bild zur News: Robert Kubica

Robert Kubica ist davon überzeugt: Noch ist Renault kein Kandidat auf das Podium

Frage: "Robert, welchen Stellenwert nimmt der zweite Platz von Australien unter all deinen Formel-1-Platzierungen ein?"
Robert Kubica: "Um ehrlich zu sein, ich war recht zufrieden mit meiner Fahrt. Ich denke, das war eine Leistung des gesamten Teams und ich habe einen großen Beitrag dazu geleistet, um diesen zweiten Platz einzufahren. Natürlich war das eine große Möglichkeit für uns, nach dem guten Start und dem Zwischenfall in Kurve eins, als ich auf den vierten Platz nach vorne kam. Es war eine gute Entscheidung, die Reifen zu wechseln, doch in der Boxengasse war es recht knifflig."#w1#

"Es ging sehr eng zu, weil alle Crews bereit standen. Ich konnte das Bein unseres Lollipop-Manns um etwa zehn Zentimeter umschiffen, bei einigen Heizdecken des Williams-Teams war es sicherlich weniger. Ich konnte an Felipe vorbeigehen und hatte anschließend ein recht schwieriges Rennen. Es sah alles sehr einfach und rund aus, aber es war ziemlich knifflig. Ich musste meine Geschwindigkeit hoch halten, andererseits aber auch auf die Reifen achtgeben."

"Mir sind keine Fehler unterlaufen, was für mich eigentlich normal ist." Robert Kubica

"In einigen Runden musste ich noch dazu vermehrt in den Rückspiegel schauen, weil mich verschiedene Leute attackierten. Da war alles dabei. Mir sind aber keine Fehler unterlaufen, was für mich eigentlich normal ist. Ich habe mir das Rennen noch einmal angesehen und denke, dass fasst jedem Fahrer hier und da einmal ein Schnitzer unterlaufen ist, wodurch zuweilen auch Positionen verloren wurden."

"Einfach war es nicht, denn vor allem in der ersten Phase des Rennens waren die Bedingungen sehr schwierig. Neben der Linie war es feucht. Da ist ein Fehler recht schnell passiert. In der Position, in der ich unterwegs war, wäre das natürlich fatal gewesen. Ich versuchte daher, eine gute Geschwindigkeit zu wahren, auf meine Reifen aufzupassen und das Auto ins Ziel zu bringen."

Von der gegnerischen Strategie überrascht...

Frage: "Warst du überrascht davon, als Lewis in die Box ging?"
Kubica: "Ja. Ganz ehrlich: Das war mir natürlich nicht ganz unrecht, denn der McLaren war ganz definitiv das Auto, das am schwierigsten im Zaum zu halten war. Unser Topspeed ist gut, das hat mir bei der Verteidigung geholfen. Die McLaren-Autos sind auf der Geraden aber sogar noch schneller unterwegs. Rückblickend muss man festhalten, dass Lewis dazu in der Lage war, fast alle relativ einfach und schnell zu überholen."

"Es war also gewiss nicht einfach, ihm standzuhalten. Als er anfangs hinter mir vorstellig wurde, waren seine Reifen noch immer in einem guten Zustand und er war sehr schnell. Dann bauten seine Reifen wahrscheinlich relativ schnell ab und aus diesem Grund ist er wohl abgebogen. Ich weiß es nicht. Das war gut für uns."

Frage: "Würdest du dieses Ergebnis eher als zufälliges Podium einordnen oder als klaren Schritt nach vorne?"
Kubica: "Es ist vollkommen klar, dass die Geschwindigkeit unseres Paket nicht dort vorne mitspielen kann. Alle haben verstanden, dass Australien unsere große Chance war - vorerst. Wenn wir uns über die reine Leistung aller Fahrzeuge unterhalten, dann waren wir dort nicht dabei."

"Ob das Podium also zufällig entstanden ist oder ob es an der reinen Geschwindigkeit lag, spielt keine Rolle." Robert Kubica

"Das steht fest. Aber Rennen sind Rennen und die Punkte werden in jedem Grand Prix anhand des gleichen Schemas verteilt. Ob das Podium also zufällig entstanden ist oder ob es an der reinen Geschwindigkeit lag, spielt keine Rolle."

"Wir haben 18 Zähler geholt, was eine großartige Leistung ist für das Team - vor allem nach einem so harten Winter für alle im Rennteam und in der Fabrik. In den vergangenen zwei Monaten haben wir reichlich Druck gemacht, um das Auto zu verbessern. Noch haben wir einiges vor uns, doch Melbourne war ein großartiges Ergebnis."¿pbvin|512|2590|malaysia|0|1pb¿

Ist das Podium realistisch für Renault?

Frage: "Wenn du deinen zweiten Platz von Melbourne mit dem zweiten Platz in Brasilien 2009 vergleichst, den du mit dem BMW Sauber F1 Team erzielt hast, welches Auto war dann konkurrenzfähiger?"
Kubica: "Beide Rennen waren ähnlich, würde ich sagen. Beides waren keine normalen Grands Prix. In beiden Rennen war die Geschwindigkeit aus verschiedenen Gründen recht langsam und viele Leute haben Fehler gemacht."

"Das sind solche Rennen, in denen du die Chance auf Punkte hast, auch wenn dein Auto nicht zu den Toppakten zählt. Der Abstand war wohl recht ähnlich. Wir lagen in Brasilien vielleicht eine Sekunde zurück. Die Situation ist also durchaus vergleichbar."

"Vielleicht lagen wir zu Beginn der Wintertests etwas näher an der Spitze." Robert Kubica

Frage: "Verhält sich das Auto besser als bei den Testfahrten?"
Kubica: "Ich denke nicht. Vielleicht lagen wir zu Beginn der Wintertests etwas näher an der Spitze. Testfahrten sind aber immer schwierig einzuschätzen. Wir haben einige Autos an der Spitze der Zeitentabelle gesehen und sind nach den Tests davon ausgegangen, dass diese Fahrzeuge um Podium kämpfen würden."

"Jetzt liegen sie weit zurück. Dann gab es noch Rennwagen, die wie wir nicht besonders schnell unterwegs waren. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Meiner Meinung nach waren wir beim Testen nicht viel besser oder viel schlechter. Wir waren einfach dabei."

Frage: "Du sagst, ihr liegt noch etwas zurück. Welches realistische Ergebnis ist an diesem Wochenende drin bei normalen Bedingungen?"
Kubica: "In meinen Augen liegen wir nicht nur etwas zurück, sondern es gibt eine recht große Lücke. Glücklicherweise liegen wir an der Spitze der 'zweiten Gruppe', in der auch Williams und Force India zu finden sind. Vielleicht bekommt es Mercedes nicht perfekt auf die Reihe und wir sind voll da, dann sollten wir mit ihnen kämpfen können. Das haben wir schon in Bahrain gesehen."

"Wir müssen einfach sicherstellen, dass bei uns alles läuft." Robert Kubica

"Hätte bei uns alles gepasst, dann hätten wir sowohl in der Qualifikation als auch im Rennen mit Mercedes kämpfen können. Wir müssen einfach sicherstellen, dass bei uns alles läuft. Außerdem müssen wir darauf hoffen, dass sie noch immer Probleme haben. Auf der Strecke gibt es viele schnelle Autos. Wir haben das an Rubens in Australien erkannt, Sutil hat sich zweimal in den Top 10 qualifiziert."

"Diese Gruppe liegt also sehr eng beieinander. Daher müssen wir weiterhin Druck machen. Die Jungs haben bislang tolle Arbeit geleistet. Wir hatten bei jedem Rennen einige Neuerungen dabei. Das hilft uns dabei, uns zu verbessern. Vielleicht können wir dadurch eines Tages auch die Lücke schließen."

Kubica baut auf die Entwicklungsarbeit von Renault

Frage: "Wie groß ist dein Vertrauen in die Entwicklungsarbeit von Renault?"
Kubica: "Ich habe großes Vertrauen in unser Entwicklungsprogramm. Informationen über die anderen habe ich aber nicht."

"Du kannst dein Auto sehr schnell entwickeln, doch wenn die anderen das gleiche tun, wirst du nicht aufholen. Du kommst dann nicht näher heran. Das ist schwierig einzuschätzen. Ich habe aber viel Vertrauen in die Arbeit, die wir in Bezug auf die Entwicklung leisten und auch in die Geschwindigkeit, mit der wir Neuerungen an den Start bringen."

"Die Richtung ist gut, allerdings schlafen die Topteams nicht." Robert Kubica

"Die Richtung ist gut, allerdings schlafen die Topteams nicht. Sie werden ebenfalls sehr hart arbeiten. Das wird schwierig. Wir wussten aber vorab schon, dass uns 2010 eine große Herausforderung ins Haus stehen würde - und genau daran arbeiten wir. Wir werden solange nicht aufgeben, bis wir uns nicht imstande dazu sehen, die Lücke zu schließen."

Frage: "Was sind in diesem Jahr deine persönlichen Ziele? Möchtest du nach Renault zu einem Topteam wechseln?"
Kubica: "Das Ziel ist natürlich immer, eine gute Geschwindigkeit und konstante Fahrten an den Tag zu lagen. Das kann ich tun. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass ich viele Rennen lang konstant unterwegs sein kann, ohne dumme Fehler zu begehen."

"Das Rennen in Australien unterstreicht, dass ich gut abschneiden kann, wenn sich die Möglichkeit dazu bietet. Das ist wichtig, wenn kein anderer Weg auf das Podium führt. Was das kommende Jahr anbelangt: Wir haben gerade einmal zwei Rennen absolviert. Jetzt ist die falsche Zeit, um darüber zu sprechen."

"Keiner weiß wohl so genau, ob der Regen eine Hilfe sein wird oder nicht." Robert Kubica

Frage: "Wird das Wetter am Sonntag eine Hilfe sein?"
Kubica: "Keiner weiß wohl so genau, ob der Regen eine Hilfe sein wird oder nicht. Sollte es regnen, sind wir sicherlich bereit dazu, im Regen zu fahren. Hoffentlich können wir dann gute Punkte holen. Wie das Wetter sein wird, weiß ich aber nicht."


Fotos: Robert Kubica, Großer Preis von Australien


Frage: "Werden wir in Malaysia ein weiteres Einstopp-Rennen sehen?"
Kubica: "Das kommt ganz auf die Reifensituation und den Verschleiß der Pneus an. Wenn du an der Spitze liegst wirst du natürlich versuchen, mit nur einem Stopp durchzufahren. Kommst du zweimal an die Box, verlierst du einfach so viel Zeit und so viele Plätze. In Bahrain und Australien haben wir die Tendenz gesehen, dass die Leute nur einmal an die Box kommen. Das wird auch in Malaysia der Fall sein."

Die Reifen als Schlüssel zum Erfolg

Frage: "Warst du überrascht davon, dass die Reifen in Australien von Runde acht bis zum Schluss durchgehalten haben?"
Kubica: "Wenn wir normal gefahren wären - so wie im vergangenen Jahr -, dann denke ich nicht, dass das möglich gewesen wäre."

"Wenn du weißt, du musst nach 20 Runden an die Box kommen, dann sind die Reifen nach 15 Umläufen hinüber. Wenn es dir aber darum geht, bis zum Ende durchzukommen, dann tust du natürlich alles, um die Reifen zu unterstützen - zum Beispiel im Hinblick auf die Balance des Autos, um das Rennen schnellstmöglich zu beenden."

"Bahrain war eine gute Lektion und eine gute Erfahrung für die Zukunft." Robert Kubica

"Es ist halt ein anderes Fahren und auch die Balance ist anders. Du versuchst einfach, auf deine Reifen zu achten. Je nach Rennphase fährst du eben anders. Australien war eine gute Erfahrung, denke ich. Bahrain war eine gute Lektion und eine gute Erfahrung für die Zukunft. Australien war soweit okay."

Frage: "Wie schwierig ist es, die Reifen am Leben zu erhalten, wenn man seine Position verteidigen muss?"
Kubica: "Wenn du mit einem Kollegen im Clinch liegst, der viel schneller ist als du und obendrein viel Druck macht, dann musst du halt irgendwie versuchen, beim Verteidigen nicht abzufliegen. Das ist das Wichtigste."

"Außerdem musst du auf deine Reifen achten, damit diese die verbleibenden Runden überstehen. Das war nicht einfach. Für Hamilton war es sicherlich auch nicht einfach. Hinter einem anderen zu liegen ist die schlechtere Situation, denn dann verlierst du richtig viel Abtrieb und beanspruchst die Reifen nur noch mehr."

"Mir war also klar, dass die Autos hinter mir früher oder später an den Punkt gelangen würden, an dem sie mit den Reifen zu kämpfen haben würden. Aus diesem Grund mussten sie wohl auch einen Boxenstopp einlegen. Alle hatten es schwer. Meine Verfolger, ich, alle. Es war ein hartes Rennen."