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  • 06.03.2012 10:02

  • von Roman Wittemeier

Kolumne: Wer bei Audi genau horcht...

Redakteur Roman Wittemeier über die deutlichen Signale aus Ingolstadt: Audi will mit der Formel 1 nichts zu tun haben - Kommt womöglich doch Porsche ab 2018?

Titel-Bild zur News:

Keine Formel 1: Die Audi-Fahnen werden wohl noch lange in Le Mans geschwenkt

Liebe Freunde des Ladedrucks,

die Spekulationen über ein mögliches Formel-1-Engagement des Volkswagen-Konzerns halten sich seit vielen Monaten und sind in etwa so abwechslungsreich wie die Schießleistungen der deutschen Biathlon-Herren bei der WM in Ruhpolding. Nur zu gern möchte ich mich nun einmal an diesen Spekulationen beteiligen: mit einem angenehmen Ruhepuls und scharfer Munition, die mir ein Besuch in Ingolstadt einbrachte.

Rollen wir die Diskussionen der letzten Zeit einmal in Ruhe auf. Zunächst beteiligte sich der VW-Konzern intensiv an der Ausarbeitung eines neuen Motorenreglements für die Formel 1. Die Verhandlungsführer aus Wolfsburg stellten in den Gesprächen mit FIA, Bernie Ecclestone und anderen Herstellern eindeutige Forderungen. VW pochte auf die Einführung von kleinvolumigen Turbomotoren. Der Wunsch wurde erfüllt, aber der deutsche Konzern wollte plötzlich nichts mehr von der Königsklasse wissen.

Ein kurzfristiger Einstieg als Motorenpartner eines renommierten Teams war vom Tisch. Im Hintergrund hielten sich jedoch VW-intern die beiden Lager. Der mächtige Aufsichtsrats-Chef Ferdinand Piech hat eine Gruppe um sich geschart, die eindeutig gegen eine Beteiligung einer VW-Marke am kostspieligen Formel-1-Zirkus ist. Auf der Gegenseite ist es Wolfgang Dürheimer, der immer wieder die Vorteile eines solchen Engagements an die Öffentlichkeit trägt.

Dürheimer ist ein Racer und seine Macht ist nicht zu unterschätzen. Der 53-Jährige aus Bayern führt nicht nur die beiden VW-Marken Bentley und Bugatti, sondern verantwortet die Motorsportaktivitäten der gesamten Gruppe. In dieser Funktion wolle er der Konzernleitung ein umfangreiches Konzept für zukünftige Engagements unterbreiten, Formel 1 inklusive. Diese Ankündigung in der 'WirtschaftsWoche' ließen die Spekulationen erneut hochkochen.

Audis Königsklasse fährt in Le Mans

Ganz abseits der Frage, ob der Konzernvorstand dem Motorsportkonzept zustimmen wird, begann sofort wieder die Diskussion um die Marke, die Volkswagen auf die Formel-1-Bühne schicken könnte. An allererster Stelle wird derzeit immer wieder Audi genannt. Deren Markenimage, deren aktueller Erfolg, deren weltweite Marktanteile und zukünftige Ziele seien maßgeschneidert, um per Formel-1-Bühne einen Boost zu zünden, heißt es immer wieder. Teils ist dies richtig, teils aber auch nicht.

Bei der Vorstellung des neuen Le-Mans-Prototypen in der vergangenen Woche und am Rande der Jahres-Pressekonferenz am Tag darauf wurde mehr als deutlich, dass Audi mit der Königsklasse so gar nichts zu tun haben will. Die Audi-Vorstände meiden das Thema Formel 1 wie der Teufel das Weihwasser. Auf Nachfrage eines niederländischen Journalistenkollegen erklärte Audi-Vorstandsboss Rupert Stadler am Mittwoch: "Der Wasserstands-Pegel zum Thema Formel 1 hat sich nicht verändert." Kein Wort mehr.

Die Ingolstädter haben mit ihren Le-Mans-Erfolgen in den vergangenen Jahren ihre eigene Königsklasse beackert. Langstreckensiege stehen vielleicht nicht ganz so im Fokus wie ein WM-Titel in der Formel 1, aber in Le Mans kann man immerhin in gewisser Weise mit Serienrelevanz argumentieren. Das tut Audi seit Jahren, eigentlich ohne Unterlass. Und sie wollen es auch weiterhin tun. Audi möchte den ersten Hybridsieg, entwickelt gleichzeitig das Dieselaggregat weiter.

Le-Mans-Liebhaber: Entwicklungsvorstand Dick und Audi-Sportchef Ullrich Zoom

Und genau dieser Diesel macht den Herren der Ringe besonders viel Spaß. Er sorgt nicht nur für sportliche Erfolge, sondern auch für klingelnde Kassen. Der Absatz von Dieselmodellen in den USA hat enorm angezogen. Audi sieht dort für die kommenden Jahre riesiges Potenzial. Dies gilt es auszuschöpfen. Mit kleinen Formel-1-Turbo-Benzinern ist dies nicht zu machen. Schon gar nicht in den USA, wo die Königsklasse bislang nie ein Bein an den Boden bekommen hat.

Wenn Dürheimer seinen Traum von VW-Beteiligung in der Formel 1 ab 2018 genehmigt bekommt, wer wird es dann also ausführen? Audi nicht. Aus Ingolstadt schiebt man die Karte Königsklasse in Richtung Porsche weiter. "Wir planen langfristig für Le Mans, auch weit über den Reglementwechsel 2014 hinaus", sagte mir Audi-Entwicklungsvorstand Michael Dick in der vergangenen Woche. Nicht nur bei Dick, sondern auch bei seinen Vorstandskollegen hört man heraus, dass Porsche nach einem kurzen Le-Mans-Gastspiel die Formel 1 machen könnte.

Das ungewollte Duell der Konzernschwestern

"Wenn Porsche sich entscheidet, nach Le Mans zu kommen, dann treten zwei Premiummarken gegeneinander an. Das wird die Serie unheimlich beflügeln", so Audi-Vorstandschef Stadler mit ernster Miene. "Wir wollten das beide nicht, dass wir dort gemeinsam antreten", erklärt Dick offen. "Das Thema Formel 1 ist aber für den Konzern nicht auf der Tagesordnung, weil das Thema einfach zu volatil ist. Wenn sich dann Porsche ein repräsentatives Betätigungsfeld aussuchen möchte, dann bleibt eben nicht viel Auswahl. Da bleibt eigentlich nur Le Mans und die damit zusammenhängend neue WM."

Womöglich hatte man sich in Zuffenhausen und Weissach nach dem regen Interesse des Volkswagen-Konzerns am neuen Motorenreglement der Formel 1 schon intern auf den Schritt in die Königsklasse vorbereitet. Es blieb schließlich dann nur der Schritt nach Le Mans. Als Übergangslösung, bevor 2018 das nachgeholt wird, was für 2014 geplant war? "Wir haben keine Schwierigkeiten damit, denn aus unserer Sicht belebt Wettbewerb das Geschäft", meint Dick mit einem nicht ganz überzeugenden Lächeln.

"Wir wollten das beide nicht, dass wir dort gemeinsam antreten." Michael Dick

"Ob es so glücklich ist, wenn man gegen eine Konzernschwester direkt antritt, steht auf einem anderen Blatt Papier. Für die Zuschauer wird es bestimmt sehr spannend werden. Wir werden alles geben. Das ist völlig klar", meint der Entwicklungsvorstand von Audi. Im Gerangel zwischen den beiden Marken Audi und Porsche hat sich aus einem respektvollen Miteinander eine regelrechte Eiszeit entwickelt. Audi muss Porsche notgedrungen als Konkurrent ertragen.

"Ich habe mit Dürheimer ganz offen gesprochen, als der noch Porsche-Entwicklungschef war. Es wurde klargemacht, dass es im Falle eines sportlichen Wettbewerbs der beiden Marken mit der Zusammenarbeit auf Motorsportseite schlagartig vorbei ist", stellt Dick klar. Dieser Fall ist nun eingetreten. Ein Wunder, dass die Porsche-Werkspiloten Timo Bernhard und Romain Dumas überhaupt noch 2012 im Audi sitzen dürfen. Um den WM-Titel werden die beiden aber wohl kaum fahren dürfen.

Porsche in die Formel 1, Bentley nach Le Mans?

In technischer Hinsicht kommuniziert man auf Mindestniveau, mehr ist nicht drin. "Da versucht man sich natürlich abzusprechen, indem man beispielsweise sagt, dass einer Diesel macht und einer Otto-Kraftstoff. Aber da wird man nicht in die Tiefe gehen, denn wir sind viel zu sehr auf den sportlichen Wettbewerb aus", sagt Dick. "Da macht jeder seine Schotten dicht und versucht, möglichst wenig von seinem Know-how preiszugeben. Jeder möchte sich einen Vorteil erarbeiten."

Mit dem drohenden Szenario ab 2014 ist niemand so richtig glücklich. Ein Duell zwischen Audi und Porsche in Le Mans ist nett für Fans und Medien, aber für einen geordneten Konzernauftritt weniger. Die Ingolstädter nehmen es, wie es kommt. "Im Motorsport will man gewinnen. Man lebt auch davon, dass man starke Wettbewerber hat", äußert Dick eine gewisse Vorfreude auf das Konzernduell. Interessanter ist sein Schlusssatz: "Ob man langfristig gegen sich selbst fahren will?"

Die Antwort kann nur "Nein" lauten. Folgendes Szenario wäre für mich nach Auswertung aller Äußerungen der vergangenen Woche denkbar: Audi und Porsche dürfen 2014 bis 2017 gegeneinander in Le Mans antreten, anschließend werden die Zuffenhausener in der Formel 1 auftreten. Sollten die Porsche-Leistungen auf der Langstrecke gut gewesen sein, dann wird das Programm unter dem Markennamen Bentley fortgeführt. 2011 hatte Dürheimer bereits angekündigt, dass er 2018 mit der Marke wieder nach Le Mans wolle.

Bentley wurde schon einmal als Marke für einen Le-Mans-Auftritt vorgeschoben. Von 2001 bis 2003 fuhr man mit dem Speed 8 an der Sarthe. Das Fahrzeug war nichts anderes als ein Audi mit anderer Außenhaut. Erst als sich die Ingolstädter 2003 vornehm mit einem Werkseinsatz zurückhielten, konnte der Bentley zum Sieg fahren. Genauso wäre es denkbar, dass ein Porsche-LMP1 ab 2018 eine Bentley-Silhouette erhält. Aber nur dann, wenn der VW-Konzern tatsächlich in die Formel 1 geht. Und das ist längst noch nicht sicher.

Und nun viel Freude beim weiteren Spekulieren über Audi, Porsche, Bentley, Bugatti, Lamborghini, VW, Skoda, Seat und Co.!

Roman Wittemeier