powered by Motorsport.com
  • 31.01.2010 17:29

Kobayashi: Der Mann, der aus dem Nichts kam

Dank Toyota zum Star: Kamui Kobayashi hat die sich ihm bietende Chance perfekt genutzt und sich in die Herzen vieler Fans gefahren

(Motorsport-Total.com) - Kamui Kobayashis rotzfreche Auftritte in Toyotafarben sind noch in guter Erinnerung. Sein erfolgreiches Überholmanöver gegen den amtierenden Weltmeister Jenson Button in Abu Dhabi führt er auf die unterschiedliche Rennstrategie zurück. Darauf, dass er Kimi Räikkönen nach dem Start niederringen konnte, ist er schon ein wenig stolz.

Titel-Bild zur News: Kamui Kobayashi

Aus diesen Augen blitzt der Hunger nach Erfolg: Kamui Kobayashi

Kobayashi kommt aus einfachen Verhältnissen, sein Vater betreibt ein Sushi-Restaurant in Amagasaki, westlich von Osaka. Weder die Eltern noch der ältere Bruder oder die jüngere Schwester teilen seine Rennleidenschaft. Schon als kleiner Knopf lag der Japaner seinem Vater mit dem Wunsch nach einem fahrbaren Untersatz in den Ohren.#w1#

Als Neunjähriger war es soweit: Mit der vorübergehenden Unterstützung seines Vaters und von Yamaha begann er im japanischen Kartsport. Mit Siegen empfahl er sich für die Nachwuchsförderung von Toyota und gelangte nach Europa. Seither sieht er seine Familie nur noch selten. Selbst wenn er nach Japan reist, dann ist eher Tokio denn Osaka sein Ziel. Er lebt die Unabhängigkeit, die er sich als Teenager erwarb.

Mit 17 Jahren nach Europa

Als 17-Jähriger zog er nach Italien, um dort 2004 die Formel Renault zu bestreiten. "Ich bekam ein Apartment und viel Hilfestellung von Toyota", erinnert er sich dankbar. Mit den Belangen des Alltags war er indes allein in der Fremde. Japanisch war damals die einzige Sprache, die er beherrschte. Im Supermarkt konnte er Shampoo nicht von Geschirrspülmittel unterscheiden. "Jeder Tag war eine Herausforderung", erzählt er fröhlich. "Und die Italiener waren so ganz anders als die Japaner. Wir sind eher wie die Deutschen - sehr pünktlich und sehr korrekt. Ich mochte die italienische Lebensart sofort."

Kamui Kobayashi

Beherzte Fahrt im Konzert der ganz Großen - Kobayashi in der Formel 1 Zoom

War da nicht auch Einsamkeit? "Es war schon manchmal hart, aber ich wusste ja, was ich wollte. Um Rennfahrer zu werden, war ich am richtigen Platz." Trotz aller Europäisierung antwortet er wie vom Bogen geschnellt "ja, natürlich" auf die Frage, ob er denn stolz sei, Japaner zu sein. Das spiegelt sich auch in seinem Helmdesign wider. Die rote Farbe nimmt das Rot aus dem Mittelpunkt der Nationalflagge auf.

Kobayashis Faszination für den Rennsport verdichtet sich in einem Wort: Kampf. Furcht im Rennwagen kennt er nicht. Siege sind das Ziel. Das will so gar nicht zu seiner privaten Lässigkeit passen. "Wenn man irgendwas zum Spass veranstaltet, dann soll man das auch genießen. Ich mag nicht verbissen oder schwierig sein. Ein Spiel kann ich gut verlieren, einen Kampf auf der Strecke nicht."

Formel-1-Historie beginnt für ihn um das Jahr 2003. "Ab da habe ich Michael Schumacher und Fernando Alonso kämpfen sehen und wollte selbst in die Formel 1." Mit früheren Epochen der Königsklasse kann er nichts anfangen, die hat er nicht verfolgt.

Zügiger Aufstieg bis in die Formel 1

2005 gewann er sowohl die italienische Formel Renault als auch den Eurocup der Serie. Beide Titel in einem Jahr hatte zuvor nur Felipe Massa geholt. Weiter ging es in die Formel 3 Euroserie und am Jahresende nach Macau: Auf dem extrem schwierigen Parcours holte er die Pole-Position. Er gewann auch das Qualifikationsrennen und eine gute Portion Selbstvertrauen. 2007 erreichte er mit einem Sieg im französischen Magny-Cours und weiteren Podestplätzen Platz vier in der Gesamtwertung der Formel 3 Euroserie und wurde befördert. Bereits Ende 2007 berief ihn Toyota zum Formel-1-Ersatzmann ab 2008.

Kamui Kobayashi

Kamui Kobayashi ist stolz, Japaner zu sein Zoom

2008 und 2009 bestritt Kobayashi die GP2-Serien in Asien und Europa. In der europäischen GP2 gelang ihm früh ein erster Sieg. Im Winter 2008/2009 gewann er überlegen den Titel in der GP2 Asia. Umso enttäuschter war er, als er 2009 in der GP2-Hauptserie nicht an diese Erfolge anknüpfen konnte. "Wir haben bis heute nicht verstanden, was da schief lief", sagt der frühere DAMS-Pilot. "Umso wertvoller war gerade in dieser Situation die Chance in der Formel 1 für mich. Insofern war der Grosse Preis von Brasilien 2009 wahrscheinlich das wichtigste Rennen meiner bisherigen Karriere", reflektiert er sein Einspringen für Timo Glock und ergänzt selbstkritisch: "besser war ich aber beim GP2-Rennen in Dubai und beim Formel-1-Finale in Abu Dhabi."

Kobayashi hatte sieben Monate nicht mehr in einem Formel-1-Rennwagen gesessen, als er am 2. Oktober 2009 zum freien Training in Suzuka für Timo Glock ins Toyota-Cockpit stieg. Zwei Wochen später bestritt er sein erstes von bisher zwei Formel-1-Rennen. Bei seinem Debüt in Interlagos verpasste er als Neunter im Rennen nur knapp die Punkteränge. Beim Saisonfinale in Abu Dhabi startete er als Zwölfter, profilierte sich als bester Pilot mit einer Einstopp-Strategie und holte drei Punkte für Platz sechs. In beiden Rennen fiel er durch Zweikampfstärke auf, in Abu Dhabi zudem durch sein Vermögen, eine Rennstrategie mit Kalkül umsetzen zu können.