• 05.03.2011 16:35

Klien: "Ohne Biss kann man sich anderen Job suchen"

Christian Klien über seine Chancen auf das letzte verbleibende Cockpit in diesem Jahr, sein Verhältnis zu Vitantonio Liuzzi und die Show in der Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Für die Formel-1-Saison 2011 sind 23 von 24 Cockpit bereits vergeben. Auf den letzten freien Sitz bei HRT machen sich noch einige Kandidaten Hoffnungen. Zu ihnen gehört neben Vitantonio Liuzzi, dem derzeit die größten Chancen zugesprochen werden, auch Christian Klien.

Titel-Bild zur News: Christian Klien

Christian Klien hat die Hoffnung auf das HRT-Cockpit noch nicht aufgegeben

Der Österreicher ging im Vorjahr in Singapur, Brasilien und Abu Dhabi für das damalige Neueinsteiger-Team an den Start und verfügt daher bereits über Erfahrungen im Team von Colin Kolles. Im Interview mit 'Motorsport Magazin' spricht Klien über seine aktuellen Cockpitchancen, Freundschaft zwischen ewigen Rivalen und die Show in der Formel 1.

Frage: "Christian, wie sieht der aktuelle Stand der Dinge in Sachen HRT aus?"
Christian Klien: "Roman Rummenigge (Kliens Manager; Anm. d. Red.) ist in laufendem Kontakt mit dem HRT-Management. Ich würde natürlich sehr gerne für das HRT-Team fahren, denn ich bin sicher, dass das Team sich weiter entwickeln wird und einige Leute überraschen wird. Vor allem bei der Fahrzeugentwicklung würde ich mich gerne von der technischen Seite einbringen. Mit Geoff Willis und Chefdesigner Paul White sind Ingenieure im Team, die wissen, wie man ein konkurrenzfähiges Auto baut. Zudem arbeitet das Team effizient wie kaum ein anderes um mit geringem Budget ein Maximum zu erreichen."

Sehr gutes Verhältnis zu Liuzzi

Frage: "Könnten Liuzzi oder Mondini einen Vorteil haben, weil sie schon für HRT getestet haben?"
Klien: "HRT hat bei allen bisherigen Tests das 2010er Auto eingesetzt. Dieses Auto bin ich im vergangenen Jahr an fünf Rennwochenenden gefahren, davon drei Grands Prix. Dabei ist es mir gemeinsam mit den Renningenieuren gelungen, durch die Arbeit am Setup die Performance des Autos deutlich zu steigern. Am Ende der Saison war unser Abstand zu den anderen Teams geringer, obwohl wir keine neuen Konstruktionsteile für das Auto hatten. Andere Fahrer wie Tonio (Liuzzi; Anm. d. Red.) oder Mondini kannten das Auto noch nicht. Daher ist es aus Teamsicht auch verständlich, dass man so viele Aussagen wie möglich einholt und die Arbeitsweise anderer Fahrer testet."

Vitantonio Liuzzi, Christian Klien

Christian Klien und Vitantonio Liuzzi verstehen sich seit Jahren sehr gut Zoom

Frage: "Liuzzi und du kämpfen nicht zum ersten Mal um ein Cockpit..."
Klien: "Ja, schon lustig, oder? Schon 2005 bei Red Bull durften wir ja das bahnbrechende "Seat Sharing"-Modell testen. Aber Tonio und ich sind seit vielen Jahren gute Freunde. Wir haben auch nach seinem HRT-Test miteinander telefoniert. Im Sommer hatte ich eine Karte fürs Fußball Champions-League-Finale in Madrid übrig. Da habe ich ihn natürlich mitgenommen. Egal wer das Cockpit kriegt, das ändert nichts an unserem guten Verhältnis zueinander."

HRT hat Potenzial

Frage: "HRT hat noch keine Streckenerfahrung mit dem neuen F111. Kann der eine Test in Barcelona als Vorbereitung auf die Saison reichen?"
Klien: "Jeder Testtag ist wichtig, keine Frage. Aber wer sieht, aus welchen Trümmern das Team Anfang der Saison 2010 geboren wurde, wird keine Sorgen haben, dass in Blickrichtung 2011 das Maximale herausgeholt wird. Es wird sehr ordentlich und analytisch gearbeitet."

Frage: "Es zeichnet sich ab, dass HRT auch dieses Jahr wohl wieder nur weit hinten mitfährt. Macht das als Fahrer dann überhaupt noch Spaß?"
Klien: "Abwarten! Voreilige Prognosen können manchmal ziemlich daneben gehen. Und ja, die Formel 1 macht immer Spaß, denn sie ist das höchste Privileg, das sich ein Rennfahrer erarbeiten kann. Wer den Biss verliert, nur weil ihm die Top-Platzierungen nicht in den Schoß fallen, kann sich ja auch einen anderen Job suchen."

Kein Intresse an Paydriver-Job

Frage: "Wie sind Deine Ansichten zur Paydriver-Problematik?"
Klien: "Die wirtschaftliche Situation der Formel 1 hat sich in den letzten zwei Jahren dramatisch verändert. Die Topteams verfügen über gute Einnahmequellen, aber schon ab dem Mittelfeld müssen sich alle nach der Decke strecken. Ich habe in allen meinen Jahren in der Formel 1 und im Sportwagen-Bereich nicht für das Rennen fahren bezahlt, sondern bin für meine Leistungen immer bezahlt worden. Das wird auch weiterhin so sein. Denn klassische Bezahlfahrer gibt es ohnehin fast nie. Ein Bezahlfahrer nimmt eigenes Geld in die Hand. Alle anderen bringen ihre Partner und Sponsoren mit in die Ehe. Das ist bei mehr als zwei Drittel der Fahrer im aktuellen Feld der Fall."

"Mehrere internationale Rennserien bieten spannenden Rennsport auf hohem Niveau." Christian Klien

Frage: "Gibt es eine Alternative zur Formel 1?"
Klien: "In der jetzigen Phase ist mein Fokus ausschließlich auf die Formel 1 ausgerichtet. Die einzige Alternative zum Renncockpit wäre ein Testfahrervertrag mit der klaren Perspektive von Renneinsätzen. Sollte sich beides nicht bieten, werde ich den Weg in eine andere Rennserie einschlagen. Mehrere internationale Rennserien bieten spannenden Rennsport auf hohem Niveau. Auch dort finden sich technisch interessante Herausforderungen, wo die Fahrzeugentwicklung inklusive Testarbeiten über das ganze Jahr im Vordergrund steht. Und wenn man sich in der Formel 1 einmal einen guten Namen gemacht hat, steht diese Türe zum Glück immer einen Spalt weit offen."

Lustige Idee von Bernie Ecclestone

Frage: "Nach den Testfahrten: Welches Team hat bislang den besten Eindruck hinterlassen?"
Klien: "Bei allen Fragezeichen, die sich da immer stellen: Red Bull und Ferrari schauen extrem stark aus. Aber alle Teams scheinen große Probleme mit der Haltbarkeit der Reifen zu haben."

Frage: "Bernie Ecclestone hat sich für künstliche Regenrennen ausgesprochen. Das soll die Show verbessern. Wie ist deine persönliche Einstellung dazu?"
Klien: "Lustige Idee von Bernie. Er ist ja sehr kreativ auf dem Gebiet und erfindet immer etwas Neues, vor allem im Winter. Ich denke, dass genug für ein besseres Spektakel getan wurde und man die derzeitigen Methoden wie den Heckflügel einmal auf seine Tauglichkeit testen sollte. Außerdem haben wir meiner Ansicht nach rein statistisch schon genügend Regenrennen pro Jahr. Und vom Cockpit aus sieht die Sache immer etwas anders aus als vor dem Fernseher."