Klien: "Mein Fokus gilt Red Bull Racing"

Christian Klien im 'F1Total.com'-Interview über seine Position im Team, die Kritik von außen und seine Erwartungen für die kurz- und langfristige Zukunft

(Motorsport-Total.com) - Spätestens im August soll sich die Zukunft von Christian Klien in der Formel 1 entscheiden, denn dann will Red Bull bekannt geben, welche beiden Fahrer 2007 für das A-Team des Energydrink-Herstellers an den Start gehen werden. Klien steht in diesem Pokerspiel einigermaßen unter Druck, musste zuletzt auch einiges an Kritik einstecken.

Titel-Bild zur News: Christian Klien

Klien will sich bei Red Bull Racing durchbeißen und 2007 dort bleiben

Wie groß dieser Druck momentan ist, zeigt sich am besten an der Tatsache, dass der 23-Jährige es abseits der Rennstrecke bevorzugt, nur noch in Form von E-Mails mit den Medien zu kommunizieren. So entstand auch das folgende Interview mit 'F1Total.com' auf dem elektronischen Weg. Klien spricht darin unter anderem über seine momentane Position bei Red Bull Racing und über seine kurz- und langfristige Zukunft.#w1#

Klien sieht sich im Duell mit Coulthard als Sieger

Frage: "Christian, kommen wir gleich zur Sache: Nenne uns triftige Gründe, warum dir Red Bull Racing unbedingt einen neuen Vertrag geben sollte!"
Christian Klien: "Ich konnte als jüngster Red-Bull-Einsatzfahrer in der Formel 1 in diesem Jahr zeigen, dass ich mit der Pace von David Coulthard - ein Mann mit mehr als 500 Punkten in 13 Formel-1-Saisonen - mithalten kann. David ist nach wie vor einer der erfolgreichsten aktiven Fahrer, das sollte man nicht vergessen. Einen David, der zum Beispiel schon zweimal den Grand Prix von Monaco gewonnen hat, kann man nicht bei jedem Rennen schlagen. Dies hat 'DC' schon Häkkinen und Räikkönen bewiesen, als er beide als seine Teamkollegen in diversen Rennen besiegt hat."

"Technische Defekte verhinderten jeweils einen Punktegewinn meinerseits, zum Beispiel in Monaco und Montréal." Christian Klien

"Obwohl ich derzeit weniger Punkte als 'DC' auf meinem Konto habe, war ich in den Rennen, wo es Punkte für unser Team gab, jeweils während des Rennens vor ihm platziert. Technische Defekte verhinderten jeweils einen Punktegewinn meinerseits, zum Beispiel in Monaco und Montréal."

Frage: "Eine Milchmädchenrechnung: Du wirkst vom Speed her gleich schnell wie David Coulthard, hast aber viel weniger Formel-1-Erfahrung. Lass mich provokant fragen: Bist du von den Grundvoraussetzungen her der bessere Red-Bull-Racing-Fahrer?"
Klien: "David ist ein sehr wertvolles Teammitglied, nicht nur als Fahrer. Wenn ich Anfang 2006 mit nur zwei Saisonen Formel-1-Erfahrung gegenüber 'DC' mit zwölf Saisonen auf ähnlichem Niveau fahren kann, meine ich, dass das okay ist."

Frage: "Das Pech klebt dir dieses Jahr wirklich auf den Füßen, zuletzt in Montréal und Indianapolis, davor unter anderem in Monaco. Glaubst du, dass du jetzt unumstritten wärst, wenn es in Monaco mit dem Podium geklappt hätte?"
Klien: "Ich denke, dass meine Leistung im Team richtig eingeschätzt wird. Ohne Defekt in Monaco wäre ich sicher auf dem Podest gelandet. Das wäre ohne Zweifel für mich persönlich phantastisch gewesen. Dass ich nicht dort gelandet bin, ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich während des Rennens, obwohl ich von Platz elf - vier Positionen hinter David - gestartet bin, aus eigener Kraft bis zu meinem technischen Ausfall bis auf Platz fünf vorgefahren bin und damit im Rennen bis zum technischen Aus vor 'DC' war."

Spannungen im Team werden nicht kommentiert

Frage: "Es hat in den letzten Wochen viel Kritik in den Medien gegeben, die aber vom Team lanciert wurde. Bist du darüber enttäuscht?"
Klien: "Ich meine, dass nicht allzu viel negative Kritik vom Team direkt kommt. Die Zusammenarbeit bei Red Bull Racing ist prima. Die Leute, die direkt an meinem Auto arbeiten, und auch die Teamkollegen, die mit mir die Datenanalysen machen, sehen sehr genau, wo meine Leistung steht. Hier herrscht gegenseitiges Vertrauen. Sie wissen, dass ich das möglichst Maximale aus dem Auto holen kann."

"Die Medien sind ja auf korrekte Infos angewiesen. Ab und zu sind halt nicht alle umfassend informiert." Christian Klien

"Oft werden Kommentare aus dem Umfeld kommuniziert, die manchmal auf nicht vollständigen Fakten basieren. Dies kann in der Kommunikation zu Missverständnissen führen. Die Medien sind ja auf korrekte Infos angewiesen. Ab und zu sind halt nicht alle umfassend informiert. Da kann es passieren, dass etwas unkorrekt kommuniziert wird. Aber dass ist wohl ein Teil des Formel-1-Geschäfts. Mit konstruktiver Kritik habe ich keine Probleme. Die hilft ja schlussendlich auch mir in meiner weiteren Entwicklung weiter."

Frage: "Wirst du intern eine Aussprache suchen, was die momentan doch ziemlich öffentlich ausgetragene Kritik an dir angeht?"
Klien: "Mit unserem Sportlichen Direktor Christian Horner stehe ich ja an jedem Rennwochenende in persönlichem Kontakt. Wir besprechen immer intern, was Sache ist."

Frage: "Was viele vergessen: Du bist immer noch der zweitjüngste Fahrer im Formel-1-Feld! Wie viel Entwicklungspotenzial steckt noch in dir?"
Klien: "Im vergangen Jahr habe ich nur zwei Drittel der Rennen absolviert. Vier Rennen musste ich das Cockpit an Tonio Liuzzi abtreten. In Bahrain konnte ich wegen eines Elektronikproblems gar nicht starten und der USA-Grand-Prix wurde abgesagt. Für mich war das nicht das Optimum betreffend Rennerfahrungsaufbau. Dieses Jahr kam ich bei sechs von zehn Grands Prix großteils wegen technischer Probleme nicht ins Ziel. Dies ist etwas unrhythmisch, meine ich, ist aber nicht zu ändern. Ich bin sicher noch nicht am Maximum meines Potentials angekommen, da ein großer Faktor in der heutigen Formel 1 die Rennerfahrung ist."

Freitagsfahrer wäre ein sanfterer Einstieg gewesen

Frage: "Manche der so genannten Experten finden, dass dich Red Bull 2004 zu früh ins kalte Wasser der Formel 1 geschmissen hat. Würdest du im Nachhinein irgendetwas anders machen? Blöde Frage wahrscheinlich, weil wenn man jemandem einen Formel-1-Vertrag anbietet, dann greift derjenige auch zu, oder?"
Klien: "Der sanftere Einstieg in die Formel 1 ist sicherlich, den Posten als Freitagstestfahrer zu übernehmen. Man hat im Freien Training keine Rundenbeschränkung, keine Drehzahllimits, sieben Sätze neue Reifen gegenüber dem einen Satz der Rennpiloten und so weiter. Dabei kann man ohne Rennstress alle Strecken kennen lernen und zudem noch gut aussehen. Red Bull hat mit mir zusammen 2004 den härteren Weg des Direkteinstiegs gewählt, was okay ist, aber etwas mehr Geduld braucht."

Christian Klien und Helmut Marko

Christian Klien mit einem seiner teaminternen Kritiker, Helmut Marko Zoom

Frage: "Stand damals auch ein Lehrjahr als Testfahrer jemals zur Debatte?"
Klien: "Ich wollte gleich Rennen fahren, um sofort die Formel 1 im Rennbetrieb zu erlernen. Natürlich ist es dann auch ein Unterschied, ob man einen erfahrenen Teamkollegen als Messlatte hat oder - wie früher oft bei Minardi und heute bei Toro Rosso - zwei in der Formel 1 unerfahrene Piloten sich intern im Team messen."

Frage: "Wie sieht es eigentlich mit Kontakten zu anderen Teams aus? Der Transfermarkt ist in diesem Jahr ja eine komplexe Angelegenheit..."
Klien: "Mein Fokus gilt derzeit zu 100 Prozent dem Red-Bull-Racing-Team. Mit diesem Team möchte ich den Aufbau weiterführen, um in naher Zukunft zusammen an die Spitze der Formel 1 zu kommen."

Frage: "Nur zur Klarstellung: Red Bull Racing hat auf dich eine Option für 2007, ans Unternehmen Red Bull bist du noch bis 2008 gebunden, richtig?"
Klien: "Über Vertragsdetails schreibe ich grundsätzlich nicht in der Öffentlichkeit."

US-Rennserien für Klien kein Thema

Frage: "Es gibt das Gerücht, du könntest nach Amerika gehen. Unabhängig davon, ob es nun stimmt oder nicht: Würden dich ChampCar, Indy Racing League oder NASCAR prinzipiell reizen?"
Klien: "Nichts davon entspricht den Tatsachen."

"Wir erwarten uns eine Steigerung unserer Performance." Christian Klien

Frage: "Wenden wir uns erfreulicheren Themen zu: Ihr bekommt für Magny-Cours angeblich ein verbessertes Aerodynamikpaket. Was erwartest du dir davon?"
Klien: "Wir erwarten uns eine Steigerung unserer Performance. Dies kann man aber nur jeweils an den Rennwochenenden vergleichen und feststellen. Wir meinen schon, dass wir näher an die Punkteränge rücken können."

Frage: "Was ist eher euer Schwachpunkt im Moment, die Chassis- oder die Motorenseite?"
Klien: "Es ist immer das ganze Paket, dass zählt. Wir sind im Moment nicht immer in der Lage, aus eigener Kraft in die Punkteränge zu fahren. Daran arbeiten wir hart, um diese zu verbessern."

Frage: "Ihr habt ja immer noch Kühlschlitze in den Seitenkästen. Werden die dieses Jahr noch verschwinden?"
Klien: "Ja. Dass sollte rasch geschehen."

Frage: "Als wir uns vor Monaco in Wels getroffen haben, hast du gesagt, wenn du dieses Jahr auf das Podium fahren kannst, dann mit viel Glück in Monaco. Das hätte ja beinahe geklappt. Wo siehst du jetzt die größten Chancen, dass es doch noch klappen könnte? Tendenziell eher auf den langsamen Strecken, oder?"
Klien: "Was ich gesagt habe, hat sich bewahrheitet. Für die kommenden Rennen wird es schwierig werden. Wenn es jedoch gelingt, unsere Performance gegenüber der Konkurrenz zu steigern, können wir es allemal versuchen."

Frage: "Letzte Frage: Wo siehst du dich in drei Jahren?"
Klien: "In einem Team, wo ich um Punkte, Podestplätze und Siege in jedem Rennen fahren kann. So war es die Jahre vor meinem Formel-1-Einstieg in den diversen internationalen Rennserien. Warum soll ich das nicht auch in der Formel 1 können?"