• 20.02.2005 19:49

Klien: "Kann gleich schnell sein wie Coulthard"

Im ausführlichen Interview blickt Red-Bull-Pilot Christian Klien recht zuversichtlich auf die in Melbourne beginnende Formel-1-Saison

(Motorsport-Total.com) - Seit dieser Woche hat Österreich zwei fixe Formel-1-Piloten, nachdem nun auch Christian Klien von seinem Team, Red Bull Racing, bestätigt worden ist. Der seit 7. Februar 22-Jährige blickt recht zuversichtlich auf die in zwei Wochen in Melbourne beginnende Saison und nimmt sich vor, sogar David Coulthard gelegentlich zu ärgern.

Titel-Bild zur News: Christian Klien

Christian Klien ist neben Friesacher der zweite Österreicher in der Formel 1

Heute Abend stellte sich Klien in der TV-Sendung 'Sport am Sonntag', die im deutschen Oberstdorf aufgezeichnet worden ist, den Fragen unserer Kollegen vom 'ORF', deren freundlicher Genehmigung es zu verdanken ist, dass das Interview auch den 'F1Total.com'-Lesern zur Verfügung steht. Der Österreicher plauderte unter anderem über seine Nominierung als Rennfahrer, seine Ziele, die Neuerungen bei Red Bull Racing und seinen Landsmann Patrick Friesacher.#w1#

Klien ist vorerst nur für die ersten drei Rennen bestätigt

Frage: "Christian, du bist bis auf weiteres von Red Bull Racing als Rennfahrer bestätigt worden. Wie konkret ist bis auf weiteres?"
Christian Klien: "Es ist bis auf weiteres, genau. Erstens einmal bin ich froh, dass es geklappt hat und dass es jetzt auch offiziell ist, dass ich den Saisonstart mache. Ich sitze jetzt erst einmal im Cockpit. Das ganze basiert auf Leistung - wenn die passt, sitze ich im Auto. Während der Saison wird noch einmal eine Bilanz gemacht, geschaut, wie das Ganze läuft, und dann wird entschieden, ob ich das ganze Jahr fahre oder ob auch der Tonio ein paar Mal zum Einsatz kommt."

Frage: "Der Druck in der Formel 1 ist ohnehin schon hoch. Verstärkt diese Situation mit einem möglichen Fahrerwechsel während der Saison den Druck zusätzlich?"
Klien: "Schon, ja. In der Formel 1 ist sehr viel Druck von vielen Seiten da. Natürlich vergrößert das den Druck, aber ich muss mich auf meine Sache konzentrieren und den bestmöglichen Job machen. Ich werde versuchen, die Chance hundertprozentig zu nutzen, alles gut umzusetzen und dann bin ich zuversichtlich, dass es sehr, sehr gut laufen kann."

Frage: "Ist das Auswahlverfahren zwischen dir und Vitantonio Liuzzi fair verlaufen?"
Klien: "Ich denke schon, dass es ganz fair verlaufen ist. Wir hatten beide die gleiche Anzahl an Testtagen im Auto. Im direkten Vergleich, wenn wir beide am selben Tag im Auto waren, ist es eigentlich nie vorgekommen, dass er schneller war. Natürlich habe ich dabei meine Erfahrung ein bisschen ausspielen können. Mit diesen Leistungen habe ich meinen Fixplatz in der Formel 1 bestätigt."

Von Coulthard kann sich Klien "einiges abschauen"

Frage: "Hast du in den letzten Wochen schon etwas von David Coulthard lernen können?"
Klien: "Ganz klar. David ist schon zwölf Jahre in der Formel 1, da kann man sich einiges abschauen, speziell als junger Fahrer - sei es Linie, Daten und so weiter. Man kann schauen, wie er sich im Auto verhält, wie er es abstimmt, wie er mit den Ingenieuren und Mechanikern umgeht. Das ist der Hauptgrund, weshalb er für das Team so wichtig ist, weil er das Auto und das Team voranbringen kann. Das bringt uns allen etwas."

Frage: "Glaubst du, dass du so schnell sein kannst wie er?"
Klien: "Ich denke, dass ich im Qualifying gleich schnell sein kann wie er, wie man bei den Testfahrten ja gesehen hat. Einige Male war ich sogar schneller. Das ist ganz sicher möglich. Er hat natürlich eine Riesenerfahrung in den Rennen. Seine Rennpace ist sehr schnell, er ist ein richtiger Racer. Ich will versuchen, so nahe wie möglich an ihn ranzukommen. Bei den Testfahrten hat man gesehen, dass es möglich ist und dass ich gleich schnell sein kann. Das will ich in den Rennen umsetzen."

Frage: "Angenommen, du bist schneller als Coulthard, bleibt dir dann der Kampf um das zweite Cockpit erspart oder ist das ausgeschlossen?"
Klien: "Wenn die Leistungen passen und wenn ich gute Resultate einfahre und wenn ich schneller bin als David, dann wäre die logische Schlussfolgerung, dass ich im Auto sitzen bleibe. Jetzt warten wir erst einmal das Auftaktrennen in Australien ab und dann sehen wir, wo wir stehen."

"Näher an der Konkurrenz dran als im vergangenen Jahr"

Frage: "Es sind noch 14 Tage bis Australien. Was ist realistisch und was hast du dir vorgenommen?"
Klien: "Es ist sicher einfacher geworden für mich, weil ich das ganze Umfeld der Formel 1 kenne. Ich kenne zum Beispiel die Strecke in Australien und freue mich sehr auf das erste Rennen. Ich denke, dass wir auch vom Team und vom Auto her ein bisschen näher an der Konkurrenz dran sind als im vergangenen Jahr. Die Testfahrten sind sehr gut verlaufen. Schön wäre es natürlich, gleich beim ersten Rennen in die Punkte zu fahren. Unser Auto ist standfest und ich glaube, dass es mit der neuen Motorenregelung einige Teams geben wird, die in Probleme geraten könnten und ausfallen werden. Daher ist die Chance, dort Punkte einzufahren, groß. Das wäre natürlich eine feine Sache."

Frage: "Du kennst das Auto jetzt schon ein bisschen. Was steckt an Potenzial drin?"
Klien: "Es ist klarerweise nicht viel Zeit vergangen, in der wir das Auto vom letztjährigen Jaguar-Team zum Red-Bull-Team weiterentwickeln hätten können. Ich denke, die Früchte können wir erst 2006 ernten. Wir haben aber schon Fortschritte gemacht und ich denke, dass es möglich ist, in die Punkteränge zu fahren. Das werden wir mit Davids Erfahrung und auch mit mir versuchen."

Frage: "Du hast mit Christian Horner und Günther Steiner zwei neue Chefs. Hat sich dadurch etwas verändert und wie kommst du mit ihnen aus?"
Klien: "Ich komme mit beiden sehr gut zurecht. Sie bringen frischen Wind ins Team und das hat gut getan. Es hat sich bei uns einiges getan, obwohl die Ingenieure und Mechaniker noch zu 90 Prozent dieselben sind. Es wird dieses Jahr noch einige Umstrukturierungen geben, um das Team voranzutreiben und besser zu machen."

Dietrich Mateschitz ist laut Klien "energisch" dabei

Frage: "Hat sich Dietrich Mateschitz, der sich sonst in der Öffentlichkeit sehr rar macht, schon einmal blicken lassen?"
Klien: "Er war zweimal bei Testfahrten dabei und hat sich alles angeschaut. Natürlich gefällt es ihm, dass seine beiden Red-Bull-Autos am Start sind. Er ist ganz energisch dabei."

Frage: "Mischt er sich ein und gibt es Vorgaben von ihm?"
Klien: Natürlich gibt es Vorgaben, aber dafür, wie ein Test abläuft oder wie ein Rennen eingeteilt wird, haben wir Spezialisten vor Ort, die sich in der Formel 1 auskennen. So wird das von ihm gehandhabt."

Frage: "Gibt es Vorgaben im Sinn davon, dass ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt die ersten Punkte einfahren müsst oder dergleichen?"
Klien: "Das kann man nicht sagen. Man muss schauen, wie das Ganze anläuft. Sicherlich gibt es Vorgaben und er verfolgt auch, wie es läuft."

Frage: "Du arbeitest mit einem neuen Renningenieur zusammen, nicht wahr?"
Klien: "Ich bin vom letzten Jahr gewechselt, ja, was eine gute Sache ist, weil man dadurch neue Arbeitsschritte kennen lernt. Davon kann man profitieren. Die Zusammenarbeit passt mit ihm sehr gut. Er ist Holländer, da kann man sogar ein bisschen Deutsch sprechen. Das passt soweit."

2005 starten vier 'Red-Bull'-Junioren in der Königsklasse

Frage: "Patrick Friesacher ist dieses Jahr auch dabei. Freut es dich, dass nun ein zweiter Österreicher in der Formel 1 ist?"
Klien: "Auf jeden Fall. Ich freue mich für den Patrick, dass er den Platz gekriegt hat. Ich kenne ihn schon länger, denn er ist ja auch für das Juniorteam von 'Red Bull' gefahren. Ich finde es auch ganz interessant, dass das Juniorteam echte Früchte getragen hat. Wir haben dieses Jahr vier Fahrer daraus in der Formel 1, nämlich den Karthikeyan, den Liuzzi, mich und den Patrick. Ich denke, es ist für ihn eine gute Chance. Die Österreicher sind jetzt in der Formel 1 richtig stark vertreten."

Frage: "Ist er in erster Linie Konkurrent oder wirst du ihm auch ab und zu helfen oder ihm Tipps geben?"
Klien: "Mit der Hilfe wird es schwierig, denn jeder in der Formel 1 ist in seinem eigenen Team. Von anderen Teams gibt es keine Hilfe. Wenn er aber eine Frage hat, werde ich sicher offen sein, denn wir kennen uns sehr gut. Da sehe ich keine Probleme auf uns zukommen."