• 28.05.2010 20:34

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

"Killer-Location": Amerikanischer Traum in Austin

Warum Austin ganz anders ist als der Rest von Texas, wie toll die Strecke dort werden soll und welche Persönlichkeit hinter dem Veranstalter steckt

(Motorsport-Total.com) - Die Bekanntgabe, dass ab 2012 ein US-Grand-Prix in Austin stattfinden wird, kam selbst für eingefleischte Formel-1-Insider überraschend. In den vergangenen Monaten wurden eher Las Vegas, Manhattan, New Jersey und zuletzt auch Monticello als mögliche Austragungsorte gehandelt, aber die texanische Hauptstadt hatte niemand auf der Rechnung.

Titel-Bild zur News: Formel 1 in den USA

Die Formel 1 wird 2012 nach fünf Jahren Pause in die USA zurückkehren

Doch wer bei Texas sofort an südländische Republikaner-Cowboys, George W. Busch und das Kennedy-Attentat denkt, der sollte sich mit Austin etwas ernsthafter auseinandersetzen und sich erst dann ein Urteil bilden. Denn die 750.000-Einwohner-Stadt (1,5 Millionen im Großraum) ragt in Texas hervor wie ein Fels in der Brandung, gilt als äußerst sicher, kulturell vielseitig und ist bekannt für ihre vielen Livekonzerte. Auch gehört die City zu den grünsten in ganz Amerika.#w1#

Hinter dem Formel-1-Projekt steht eine Firma namens Full Throttle Productions, die von Tavo Hellmund geleitet wird. "Ich kenne Tavo schon seit seiner Geburt", behauptet Bernie Ecclestone. Kein Wunder, denn Hellmunds Vater war seinerzeit der Mann, der den Grand Prix ab 1988 zurück nach Mexiko gebracht hat. Auch bei der Organisation der ChampCar-Serie und der Fußball-WM in Mexiko spielte die Firma von Hellmund sen. eine tragende Rolle.

Erfahrung im europäischen Formelsport

Heute ist der Full-Throttle-Chef 44 Jahre alt - und keineswegs ein Non-Racer, wie ihm in zahlreichen Internetforen gleich mal vorschnell unterstellt wurde. Hellmund hat im Gegenteil eine bewegte Karriere hinter sich, die ihn Mitte der 1990er-Jahre bis in die Britische Formel 3 brachte. Als er dort gescheitert war, ging er in die USA zurück, um unterklassige NASCAR-Rennen zu fahren. Später konzentrierte er sich auf seine Geschäfte als Eventmanager.

"Ich kenne Bernie schon, seit ich ein Kind war, und habe seit 30 Jahren ein prima Verhältnis zu ihm", wird der Amerikaner von 'Autosport' zitiert. Die Gespräche über einen Grand Prix in Austin kamen jedoch erst ins Rollen, als der Vertrag zwischen Ecclestone und Indianapolis im Jahr 2007 nicht mehr verlängert wurde. Ecclestone hält große Stücke auf Hellmund. Auf die Frage, warum es in Austin klappen wird, antwortet er: "Weil ich Tavo vertraue."

Der ist seinerseits auch recht selbstbewusst: "Der einzige Ort, der noch besser wäre als Austin, wäre ein Stadtrennen in New York!" Aber das wird nicht passieren. Stattdessen will er der amerikanischen Motorsportcommunity eine spektakuläre Berg- und Talbahn inmitten einer wunderschönen Landschaft präsentieren, die für Texas ganz untypisch ist. Das Grundstück, auf dem die Strecke für 200 Millionen US-Dollar (umgerechnet gut 160 Millionen Euro) entstehen soll, wurde bereits angekauft.

Freiheitsstatue

Ein Grand Prix in Manhattan wäre Bernie Ecclestones großer Traum gewesen Zoom

"Ich habe immer gesagt, dass die Formel 1 auf einer der großartigen Rundstrecken nach Amerika zurückkehren muss, sei es Road Atlanta oder Laguna Seca", erklärt Hellmund. "Die Amerikaner mögen keine flachen Strecken, außer es ist ein Oval, wo sie alles sehen können. Aber auf einem Oval sieht man nicht, worum es in der Formel 1 eigentlich geht. Wir wollen eine wunderschöne Strecke, einen Naturkurs nach dem Vorbild von Watkins Glen."

Dass dafür Hermann Tilke als Streckenarchitekt verpflichtet wurde, der bei den Fans wegen seiner Retortenstrecken nicht gerade beliebt ist, sorgte bereits für Kritik, aber der Austin-Veranstalter verspricht: "Es wird heilige-Scheiße-schnell!" Den Deal mit Tilke habe er unterschrieben, "weil er weiß, wo die FIA und die FOM jede einzelne Schraube haben wollen. Das Design steht schon fest und wir haben ein unglaubliches Grundstück. Es ist eine Killer-Location!"

Erinnerungen an Dallas

"Texas ist ein großartiger Ort, der uns liegen sollte", wird Ecclestone von 'Adam Cooper's F1 Blog' zitiert. Den Einwand, dass der Stadtkurs im nicht allzu weit entfernt gelegenen Dallas in den 1980er-Jahren auch nicht funktioniert hat, lässt er nicht gelten: "Es hätte funktionieren können. Dallas war nett." Auch die Tribünen seien dort voll gewesen, was darauf schließen lässt, dass es in Texas und aus Südamerika kommend genug Formel-1-Fans gibt.

"Ich hoffe, dass wir nun eine permanente Heimat gefunden haben, und ich glaube, dass es der richtige Ort ist. Es sieht gut aus", so der Formel-1-Geschäftsführer, der den Amerikanern aber sicher nichts schenken wird - was die Frage nach der Finanzierung aufkommen lässt. 25 Millionen US-Dollar (umgerechnet 20 Millionen Euro) könnte die öffentliche Hand jährlich zuschießen, aber der Rest? "Die Finanzierung steht", versichert Hellmund und gesteht: "Wir haben nicht so viel Geld wie Abu Dhabi."

Bei den Formel-1-Teams ist die Euphorie jedenfalls groß: "Wir sind sehr, sehr aufgeregt darüber", jubelt Williams-Geschäftsführer Adam Parr. "Zwei unserer Sponsoren, AT&T mit Sitz in Texas und auch Thomson Reuters, haben tausende Mitarbeiter dort. Es ist für unsere Partner also besonders toll. Insgesamt gesehen ist es aber eine wunderbare Sache für den Sport, denn eine Weltmeisterschaft muss auch in Amerika fahren. Brillant!"

Blick auf Aston

Austin ist bekannt für sein pulsierendes Nachtleben und die schöne Landschaft Zoom

Stefano Domenicali nickt zustimmend: "Seit dem Tag, als wir Indianapolis verlassen haben, wünschen wir uns eine Rückkehr", sagt der Ferrari-Teamchef. "Das sind also großartige Neuigkeiten. In Texas können wir unsere Autos verkaufen." Und Red Bull Getränkedosen, wie Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost weiß. Der Österreicher will sogar noch mehr: "Ein Rennen an der West- und eines an der Ostküste wären ideal, aber eines ist auch schon sehr, sehr wichtig."

Ross Brawn sieht abgesehen vom Kommerziellen noch einen weiteren wichtigen Aspekt: "Jetzt können wir unsere Fangemeinde ausbauen, denn es gibt in Amerika viele Enthusiasten, die lange kein Rennen in ihrem Land hatten. In Amerika gab es schon immer viele sehr fachkundige Formel-1-Fans, daher freuen wir uns sehr, dorthin zurückzukehren", so der Mercedes-Teamchef, der diesmal auch den Mainstream ansprechen möchte und nicht nur die Hardcore-Fans.