• 13.04.2013 07:29

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Kartell des Schweigens

Bloß nicht aus der Reihe tanzen: Solange die FIA oder Ecclestone kein Zeichen setzten, ziehen die Teams in der Bahrain-Frage mit, die Sponsoren aber nicht

(Motorsport-Total.com) - Jährlich grüßt das schlechte Gewissen oder einfach die Angst um das eigene Wohl: Der Grand Prix von Bahrain ist seit seiner Absage 2011 infolge der gewaltsamen Niederschlagung des "Arabischen Frühlings" vor jeder Austragung ein Politikum in der Formel 1. Eine Woche vor dem geplanten Start in Manama gibt es neuerliche Bedenken wegen der 2013er Ausgabe des Rennens. Schuld daran ist neben den Sicherheitsbedenken auch die Zurückhaltung der Sponsoren, wenn es um ihr Engagement im Wüstenstaat geht.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Das Wüstenrennen in Bahrain ist auch eine politische Streitfrage

Dass in diesen Tagen erneut Meldungen die Runde machen, denen zufolge auf den Straßen gegen das Gastspiel der Königsklasse protestiert wird, Molotow-Cocktails geflogen und die Polizei mit Tränengas gegen die Demonstranten vorgegangen sei, gibt der Diskussion im Fahrerlager neue Nahrung. Unstrittig ist nach westlicher Auffassung, dass die konstitutionelle Monarchie der herrschenden Al-Chalifa-Familie es mit den Menschenrechten - salopp formuliert - nicht allzu genau nimmt.

Tatsache ist aber auch, dass das für die Formel 1 offenbar kein Kriterium ist, nach dem sie ihre Reisen plant. In China wird an diesem Wochenende die Ampel auf Grün springen, in Russland gastiert der Zirkus ab 2014. Entsprechend erklärt Monisha Kaltenborn: "Es liegt auch in diesem Jahr in der Verantwortung der FIA und des Inhabers der kommerziellen Rechte, darüber zu entscheiden, ob die Umstände vor Ort ein Rennen zulassen." Es geht der Sauber-Teamchefin nur um die Sicherheit.

Alle schwimmen mit dem Strom

Wohlwollend gesagt: Die Teams bleiben in der Streitfrage neutral. Zynisch formuliert: Sie machen sich die Hände nicht schmutzig und vergraulen keine potenziellen Geldgeber aus Ländern mit besonderem Demokratie- und Menschenrechtsverständnis, indem sie Farbe bekennen. "Wenn man uns sagt, dass man dort ein Rennen fahren kann, dann gehen wir dorthin - kein Problem", so Teamchefin Kaltenborn, die 2012 keinerlei Gründe für die Richtigkeit einer Absagen erkannt haben will, weiter.

Sauber wird also auch in diesem Jahr wieder darauf achten, dass die Mitarbeiter nur in Gruppen von der Strecke zum Hotel fahren. Obwohl sich auch Einzelfahrten in der Vergangenheit als unbedenklich erwiesen haben. Bernie Ecclestone hatte bereits vor einer Woche geäußert, dass er wegen des Rennens keine schlaflosen Nächte habe, da sich Regierung und Opposition in Bahrain an den Verhandlungstisch begeben hätten. Nach den jüngsten Vorfällen scheint hinter dieser Prämisse jedoch ein Fragezeichen zu stehen.

Auch Paul Hembery hält sich zurück: "Jedes Jahr kommt so etwas auf. Ich will nicht zu viel über Politik sprechen und weiß nicht, ob sich die Situation im Vergleich zum vergangenen Jahr so stark verändert hat", weicht der Pirelli-Sportchef aus und müsste schon gute Gründe haben, um gegen den Strom zu schwimmen: "Wenn jeder in diesem Sport sich dafür entscheidet, dorthin zu fahren, ziehen wir mit. Solange es keine Intervention der Regierung gibt, die uns sagt, wir sollten nicht reisen, sind wir dabei."

Sponsoren argumentieren wirtschaftlich

Wenn schon nicht die Angst um das eigene Wohl ein Argument ist, dann vielleicht das liebe Geld. Denn im Falle Bahrains trübt sich auch die kommerzielle Perspektive, wie 'Reuters' am Freitag berichtet. Demnach sollen viele Sponsoren ihre Marketingaktivitäten für Nahost auf das Abu-Dhabi-Gastspiel im November konzentrieren. Auch, um keinen Imageschaden davonzutragen. "Das ist für die Sponsoren interessanter, der Termin ist ebenfalls ein Vorteil", erklärt Jim Wright der Nachrichtenagentur.

Der Brite, der seit fast 20 Jahren im Fahrerlager als Sponsorenberater tätig ist, argumentiert: "Weil in Europa jetzt der Frühling beginnt, haben die Sponsoren die Möglichkeit, die Leute nach Barcelona oder Monte Carlo einzuladen." McLarens Geldgeber erklären ihr verändertes Vorgehen nicht mit politischen Gründen oder Sicherheitsbedenken: Der Getränkekonzern Diageo wird nicht mit seiner Marke Johnny Walker auftreten - das liegt nach Aussage eines Firmensprechers allerdings an den arabischen Gepflogenheiten im Umgang mit Alkohol.


Fotos: Bernie Ecclestone in Sotschi


Gretchenfrage Absage

Vodafone wirbt erneut nicht mit der Kernmarke, sondern mit seinem Nahost-Ableger Zain, und führt dafür kommerzielle Gründe an. Ferrari-Partner Shell schickt nur drei Experten nach Arabien, um Benzin und Schmierstoffe zu analysieren. Die Schweizer Großbank UBS hat keine VIP-Gäste auf der Liste. Hinzu kommt, dass das Rennen 2012 vor deutlich leereren Tribünen stattfand als noch zuvor. Nach Aussage eines Mitglieds der Herrscherfamilie soll der Vorverkauf jedoch deutlich stärker florieren als noch vor Jahresfrist.

Trotzdem: Bleiben die Teams dem Bahrain International Circuit fern, müssen sie dafür tief in die Tasche greifen. Denn die Hälfte der geschätzt 30 Millionen US-Dollar (umgerechnet rund 22,9 Millionen Euro) an Grand-Prix-Gebühr, die die Formel 1 kassiert, wird nach gängigem Schlüssel auf sie verteilt. Ein politisches Statement käme die Szene, die finanziell ohnehin alles andere als auf Rosen gebettet ist, also extrem teuer zu stehen. Prinzipientreue muss man sich leisten können - und das gilt für viele Teams nicht.

Unruhen in Bahrain

Auch in diesen Tagen gibt es in Bahrain wieder Proteste und Ausschreitungen Zoom

Schlussendlich ist der Bahrain-Grand-Prix politisch gesehen eine Glaubensfrage: Bleibt die Formel 1 dem Land fern, profitiert die undemokratische Regierung finanziell nicht und die Königsklasse hätte in der westlichen Welt ein Zeichen gesetzt. Allerdings würde sie auch dafür sorgen, dass die Menschenrechtsverstöße auf der arabischen Halbinsel noch mehr unter das mediale Radar sinken, als sie es ohnehin schon getan haben. Es scheint, als gäbe es in puncto Bahrain nur falsche Antworten. Allerdings traut sich auch kaum jemand, die richtigen Fragen zu stellen.