Bianchi und Symonds Marussias Erfolgsgeheimnisse

Der sportliche Aufschwung verschafft Marussia auch wirtschaftlich Rückenwind - Jules Bianchis Vorstellung beeindruckt die Teamleitung

(Motorsport-Total.com) - Am Ende des Starterfelds der Formel 1 zeichnet sich in dieser Saison eine Wachablösung ab. Nachdem in den vergangenen drei Jahren immer Caterham (vormals Lotus) das beste der 2010 neu in die Formel 1 eingestiegenen Teams war, präsentiert sich in dieser Saison bisher Marussia stärker. Nachdem der britisch-russische Rennstall im vergangen Jahr noch einen deutlichen Rückstand auf die gelb-grünen Renner hatte und sich beim Kampf um die rote Laterne des Starterfeldes gegen HRT wehren musste, befindet sich Marussia in dieser Saison in Schlagdistanz zu den Mittelfeld-Teams.

Titel-Bild zur News: Jules Bianchi

Marussia erlebt bisher die beste Saison seit dem Formel-1-Einstieg 2010 Zoom

Der sportliche Aufstieg ist auch aus wirtschaftlicher Sicht für das Team, das als einziges noch nicht über ein kommerzielles Abkommen mit dem Inhaber der Rechte verfügt, überlebenswichtig. "Das spielt eine Rolle", gibt Teamchef John Booth zu. "Unsere Anteilseigner erwarten Fortschritte von uns, und die haben wir gezeigt. Wir sind sehr zufrieden damit, wie sich das Jahr entwickelt. Wir sind bei Marussia insgesamt 170 Leute und sehr stolz darauf, was wir geleistet haben."

Fragt man nach den Gründen für den Aufstieg von Marussia, wird immer wieder ein Name genannt: Jules Bianchi. Der Franzose, der nach einem Winter voller Personalquerelen erst in buchstäblich letzter Sekunde ins Marussia-Cockpit sprang, könnte sich für das Team als absoluter Glücksgriff erweisen. "Mir hat sehr gefallen, dass Jules buchstäblich ab der Minute, in der der Vertrag unterzeichnet wurde, einen Enthusiasmus gezeigt hat, mit dem Team zu arbeiten", sagt Geschäftsführer Graeme Lowdon.

Bianchi ein Glücksgriff für Marussia

"Das ist selten und macht für mich einen guten Rennfahrer aus. Er zeigt dem Team gegenüber Engagement, also zeigt auch das Team ihm gegenüber Engagement", preist Lowdon die Zusammenarbeit. Die positive Einstellung des ehemaligen Ferrari-Juniors und Force-India-Testfahrers begeistert auch Teamchef Booth: "Seine Ruhe hat mich sehr beeindruckt. Er ist ein sehr liebenswerter Junge. Wir dachten, er sei vielleicht enttäuscht, weil er den Platz bei Force India verloren hat, aber er war von ersten Moment an positiv eingestellt."

Jules Bianchi

Die Marussia-Chefs schwärmen von Jules Bianchi Zoom

Der Franzose, der bislang sowohl seinen Teamkollegen Max Chilton als auch die beiden Caterham-Piloten im Griff hat, brachte frischen Wind ins Team und hat seine Qualitäten schon eindrucksvoll unter Beweis gestellt: "Er ist eindeutig ein sehr talentierter junger Mann. Ich glaube, dass er eine große Karriere vor sich hat", sagt Lowdon. "Aus seiner Arbeit mit unserem Ingenieursteam wissen wir, dass er einen guten Grundspeed hat, und er stellt sich sehr gut auf seine Aufgaben ein. Wir sind sehr beeindruckt, wie er sich in den ersten Rennen präsentiert hat."

"Es ist natürlich eine lange Saison, sehr viel anspruchsvoller als jede andere Meisterschaft, in der er bisher gefahren ist. Aber er befindet sich in einem guten Umfeld mit sehr erfahrenen Ingenieuren. Wir freuen uns auf den Rest der Saison und hoffen, dass sich Jules und das Team gleichermaßen weiterentwickeln werden", so Lowdon. Auch Booth erwartet von seinem neuen Piloten noch allerhand: "Um sein endgültiges Potenzial einzuschätzen, ist es noch zu früh, da ich erst zwei Rennen und eineinhalb Testtage mit ihm zusammengearbeitet haben. Aber sein Potenzial sieht sehr gut aus."


Fotos: Marussia, Großer Preis von China, Freitag


Symonds räumt im Design-Büro auf

Vergleiche mit Bianchis Vorgänger Timo Glock will Lowdon aber nicht ziehen: "Mit Timo hatten wir Erfahrung. Die schnell zu bekommen, ist nicht möglich, denn in dieser Formel kommen und gehen die Fahrer. Timo hat etwas ganz anderes ins Team eingebracht als Jules." Dennoch erkennt der Geschäftsführer eine Gemeinsamkeit: "Schön ist aber, dass beide die gleiche DNA haben, nämlich Grundspeed. Das kann man nicht lernen." Ein weitere Baustein des Marussia-Aufschwung ist Pat Symonds. Der Brite ist seit zwei Jahren für Marussia tätig, offiziell immer noch als Technischer Berater, denn wegen seiner Verwicklung in die Crashgate-Affäre von Singapur 2008 durfte der ehemalige Renault man zunächst keine operative Tätigkeit aufnehmen.

John Booth, Pat Symonds

Pat Symonds (rechts) besucht nach drei Jahren erstmals wieder einen Grand Prix Zoom

De facto füllt der Ingenieur jedoch die Rolle des Technikchef aus und ist beim Großen Preis von China in dieser Funktion erstmals wieder vor Ort an der Rennstrecke. "Pat wird in diesem Jahr einige Male an der Strecke sein, wo er immer willkommen ist. Aber ich hoffe, dass er öfter zu Hause bleiben und das Auto schneller machen wird", sagt Booth. "Er hat einen großen Einfluss auf unser Design-Büro, sorgt dort für Disziplin und bringt eine Menge Wissen und Erfahrung ein."

"Das wirkt sich vor allem auf unser Windkanal-Programm aus, welches wir in den vergangenen 18 Monaten vorangebracht haben", so Booth. Dieses musste Marussia erst von Null aufbauen, nachdem der ehemalige Designer Nick Wirth die ersten beiden Autos nur mittels CFD-Simulation ohne Windkanalversuche entwickelt hatte. Seit Mitte 2011 nutzt Marussia nun allerdings den Windkanal von Technik-Partner McLaren: "Das ist für uns der Hauptunterschied", sagt Booth.