• 05.02.2008 15:51

Interview mit Pat Symonds und Bob Bell

Die Renault-Masterminds sprechen über den neuen R28, die Aufbruchstimmung im Team und die Ziele für die bevorstehende Saison

(Motorsport-Total.com) - Im Rahmen der Renault-Präsentation in Paris nahmen sich die Renault-Masterminds Pat Symonds (Chefingenieur) und Bob Bell (Technischer Direktor) ausführlich Zeit, um die vor dem ehemaligen Weltmeisterteam liegende Saison 2008 zu besprechen.

Titel-Bild zur News: Pat Symonds

Pat Symonds traut Renault 2008 die Rückkehr unter die Topteams zu

Frage: "Pat, wie fühlst du dich nach der Präsentation des neuen R28?"
Pat Symonds: "Eine interessante Frage. Bei der Entwicklung eines neuen Autos sammeln wir so viele Daten, versuchen, das Auto zu verstehen, bauen Modelle und so weiter. Wenn das Auto dann das erste Mal auf der Strecke ist und wir das erste Feedback des Fahrers bekommen, ist es sehr interessant, denn er kann einem so viel über das Auto erzählen, was man eben nicht anhand der Daten erkennen kann. Man kann zwar die Rundenzeiten errechnen, aber der Fahrer, der im Auto sitzt, kann viel besser beurteilen, ob das Auto gut oder schlecht ist."#w1#

Techniker stützen sich auf Fahreraussagen

Frage: "Also sind alle erleichtert?"
Bob Bell: "Ja, jeder in der Fabrik, der am Bau eines neuen Autos beteiligt ist, fiebert diesem Augenblick entgegen. Wenn das Auto dann zum ersten Mal auf die Strecke geht, ist dies ein Meilenstein in der Entwicklung, und jeder freut sich, endlich die Früchte seiner Arbeit zu sehen. Wie Pat schon gesagt hat: Vorher ist alles nur Spekulation. Bevor der Fahrer nicht im Auto sitzt und sein persönliches Feedback abgibt, weißt du nie, ob das Auto gut oder schlecht ist. Die Aussagen der Fahrer sind viel genauer."

"Die ersten Signale waren positiv." Pat Symonds

Frage: "Wie sieht es nach den bisherigen Tests aus?"
Symonds: "Ich bin sehr zufrieden. Es gibt zwei Aspekte: Die ersten Runden dienen vor allem dazu, zu testen, ob das Auto funktioniert und zuverlässig ist. Dieses Jahr waren wir sehr gespannt und ein wenig ängstlich, denn wir haben das Design sehr stark verändert. Wir erwarteten eine Reihe von Fehlern und Problemen, aber dann lief das Auto fast ohne Fehler, viel besser als in den Jahren zuvor. Daher waren wir sehr erleichtert, denn nun können wir uns auf die Weiterentwicklung konzentrieren. Die ersten Signale waren positiv, aber es ist natürlich noch viel zu früh zu sagen, ob es tatsächlich ein gutes Auto ist."

Frage: "Welche Fortschritte hat das Team über den Winter gemacht?"
Symonds: "Wir haben viele Fortschritte gemacht. Das vergangene Jahr war eine harte Prüfung für uns, vor allem nach den Erfolgen, die wir 2005 und 2006 gefeiert haben. Aber wir können dennoch stolz sein auf die Art und Weise, wie wir die Probleme analysiert haben. Wir gehen nicht mit einem schlechten Auto in die Saison und versuchen dann, die Probleme zu lösen. Wir haben eine gute Ausgangsbasis. Vieles, was wir vergangenes Jahr gelernt haben, wird sich langfristig auszahlen, aber es war eine harte Zeit."

Frage: "Aber diese Probleme liegen nun hinter euch?"
Symonds: "Ja, das glauben wir. Und die ersten Testergebnisse geben uns da recht."

Renault will wieder in die Top 3

Frage: "Bob, wie beurteilst du die Chancen für Renault in der kommenden Saison?"
Bob Bell: "Wir sollten unter den ersten Drei mitfahren können. Das ist das, was Renault von uns erwartet. Wir wollen nicht im Mittelfeld herumfahren, wir wollen Weltmeisterschaften gewinnen. Deshalb müssen wir regelmäßig um Podiumsplätze mitfahren. Das sollte unser Minimalziel für die kommende Saison sein."

"Fernando scheint wieder mehr Energie zu haben." Bob Bell

Frage: "Fernando Alonso ist wieder zu Renault zurückgekehrt. Wie denkst du darüber?"
Bell: "Das ist fantastisch. Er scheint wieder mehr Energie zu haben. Wenn ich ihn vergangenes Jahr in der Boxengasse getroffen und ein paar Worte gewechselt habe, sah er immer ein wenig traurig aus und schien wenig Spaß daran zu haben, Rennen zu fahren. Jetzt ist er wieder ganz der Alte. Er arbeitet sehr, sehr hart und ist hoch motiviert. Es macht sehr viel Spaß, mit ihm zu arbeiten, und sein Feedback ist so exzellent wie immer. Außerdem ist er immer noch so schnell, wenn nicht sogar schneller. Es ist, als wäre er nie weg gewesen."

Frage: "Was hältst du von eurem zweiten Fahrer, Nelson Piquet Jr.? Ist es ein Vor- oder ein Nachteil, an der Seite von Fernando Alonso zu fahren?"
Bell: "Ich finde, es ist eine großartige Sache für ihn, an der Seite von Alonso zu fahren. Er muss als Neuling in der Formel 1 noch sehr viel lernen. Und es gibt keinen Besseren als Fernando, von dem er lernen kann, denn der hat schon zweimal gezeigt, wie man Weltmeister werden kann."

"'Nelsinho' muss viel arbeiten dieses Jahr. Als Rookie in der Formel 1 steht man vor einer großen Herausforderung. Es ist wie eine öffentliche Feuertaufe. Er muss hart arbeiten, aber wir werden ihm diese Zeit auch geben. Er muss Gelegenheit haben, Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen. 'Nelsinho' hat immerhin mit Hamilton in der GP2 um den Titel gekämpft und fantastische Rennen abgeliefert, und das in einem unterlegenen Auto. Und wir haben gesehen, was Lewis letztes Jahr erreicht hat. Warum soll 'Nelsinho' das nicht auch gelingen?"

Neue Regeln bringen viel Arbeit mit sich

Frage: "Haben sich die Fahrer schon auf das Verbot der Traktionskontrolle diese Saison eingestellt?"
Symonds: "Ja, ich denke schon. Wir sind bereits vergangenes Jahr bei Tests ohne Traktionskontrolle und Motorbremse gefahren. 'Nelsinho' hat sich sehr schnell umgestellt, und genau aus diesem Grund ließen wir Fernando Anfang des Jahres den R27 ohne Traktionskontrolle fahren. Ich denke, die Fahrer werden sich daran gewöhnen. Die Ingenieure haben allerdings noch viel Arbeit vor sich. Vereinfachungen sind eine hervorragende Sache, denn wir müssen uns nun nicht mehr um die Weiterentwicklung der Traktionskontrolle oder der Motorbremse kümmern. Wir müssen uns viel mehr mit dem Setup des Autos beschäftigen, mit der Drehmomententwicklung und so weiter."

Bob Bell

Bob Bell ist als Technischer Direktor hauptverantwortlich für das Chassis Zoom

Frage: "Werden wir mehr Überholmanöver sehen?"
Symonds: "Nein, absolut nicht. Das hat nichts mit Überholen zu tun. Die Medien haben sich sehr auf das Thema der Traktionskontrolle konzentriert. Die Traktionskontrolle ist keine herausragende technische Entwicklung oder Hilfe für die Fahrer. Natürlich kann sie hilfreich sein, und sie macht zudem das Auto schneller. Ansonsten hätten wir sie nie eingesetzt. Wichtiger für den Fahrer ist da schon die Motorbremse. Wir werden aber nicht mehr Überholmanöver sehen, weil diese beiden Hilfsmittel verboten sind. Die Fahrer werden ohne diese Sicherheitsreserven viel mehr Fehler machen, und so könnte der eine oder andere Fahrer vorbeikommen."

Frage: "Und wie sieht es bei Regenrennen aus?"
Symonds: "Regenrennen werden ein wenig schwieriger zu fahren sein, denn die Fahrer müssen die Kraft der Autos auf die Straße bringen, was im Nassen schwieriger wird. Aber wir haben es hier mit den 22 besten Fahrern der Welt zu tun, und die werden damit klarkommen."

Frage: "Auch im Qualifying wird es einige Veränderungen geben. Welche Auswirkungen werden diese haben und werden die den Sport voranbringen?"
Symonds: "Soviel wird sich da nicht verändern. Der K.O.-Modus wird gleich bleiben. Was sich ändert, ist, dass das erste Qualifying nun 20 Minuten, das zweite 15 Minuten und das dritte nur zehn Minuten dauern wird. Das bedeutet, dass das so genannte Spritverbrennen am Anfang des letzten Qualifyingdrittels, bei dem die Teams Runde um Runde fahren, um Sprit zu verbrennen, um das Auto leicht zu bekommen und diesen Sprit zum Rennen nachgefüllt zu bekommen, nun wegfällt. Das macht es für die Zuschauer durchsichtiger und einfacher."

Symonds erwartet frühere Boxenstopps

Frage: "Also wird sich auch die Strategie der Teams ändern?"
Symonds: "Ja, die Autos werden jetzt wohl etwas früher im Rennen zum Stopp an die Box kommen. Keine grundlegende Änderung, aber eine vernünftige Regeländerung, wie ich finde."

"Oft bringen solche Veränderungen erst einmal Kosten mit sich." Bob Bell

Frage: "Es gibt noch ein paar andere Regeländerungen. Der erste Motorwechsel an einem Wochenende bleibt nun ungestraft, der Kopf des Fahrers wird durch höhere Seitenwände des Cockpits geschützt und das Getriebe muss nun vier Rennen lang halten. Was hältst du von diesen neuen Regelungen, Bob?"
Bell: "Ich finde diese Regelungen sehr vernünftig. Gemeinsam mit den anderen Teams arbeiten wir in der FIA daran, vernünftige technische Regelungen zu erarbeiten. Die neue Regel, dass ein Getriebe nun vier Rennwochenenden halten muss, soll vor allem zur Kostensenkung beitragen. Aber ich glaube, dass sich das erst langfristig auswirken wird. Oft bringen solche Veränderungen erst einmal Kosten mit sich, aber ich denke, auf lange Sicht wird sich das auszahlen."

"Ob die Sache mit dem Motorwechsel sich auszahlen wird, muss sich zeigen. Es wird sicherlich interessant. Das höhere Cockpit ist sicherlich eine sinnvolle Neuerung. Und die Sache mit dem Ersatzauto - ich glaube, das wird vom technischen Standpunkt her keinen Unterschied machen."

Frage: "Was hat dich an den Autos der anderen besonders interessiert? Oder vielmehr: Was ist dir aufgefallen?"
Bell: "Ob ein Auto langsam oder schnell ist, hängt von den kleinsten Details ab. Wir werden die Autos in Melbourne erst so richtig vergleichen können. Die Autos werden sich bis dahin noch stark verändern. Aus der Entfernung lassen sich keine Details erkennen, daher versuchen wir, soviel wie möglich zu erkennen, wenn die Autos durch die Boxengasse fahren. Es lässt sich aber nur sehr schwer beurteilen, was die Konstrukteure genau gemacht haben, um das Auto schnell zu machen. Aus der Entfernung unterscheiden sich die Autos nicht sehr stark. Daher können wir es erst beurteilen, wenn wir Details sehen."

Beurteilung der Konkurrenz nicht einfach

Symonds: "Das ist auch für uns sehr schwierig. Wir verbringen viel Zeit damit, Details herauszufinden. Aber auch für uns ist es schwierig, zu beurteilen, wer in den Wintertests schnell ist und wer nicht. Wir wissen auch nicht, wie viel Sprit die anderen an Bord haben."

"BMW liegt ein wenig zurück im Moment." Pat Symonds

Frage: "Ihr habt auch keine Vorstellung davon?"
Symonds: "Wir haben schon eine gewisse Vorstellung, aber wenn die Autos nur ein paar Zehntelsekunden auseinander liegen, kann man eigentlich keine Aussage treffen. Im Moment sieht es so aus, als würde es keine großen Veränderungen im Kräfteverhältnis geben. Williams ist sehr schnell unterwegs, wir scheinen ein wenig näher an der Spitze zu sein, BMW liegt ein wenig zurück im Moment. Aber wenn sie das Problem gelöst haben, kann das schon wieder ganz anders aussehen."

Bell: "Ich glaube, dass sich an der Spitze und im Mittelfeld kaum etwas ändern wird. Dort werden sich dieselben Teams aufhalten wie in den Jahren zuvor."

Frage: "Es gibt drei Topfahrer in drei Topteams..."
Bell: "Oh, ja, das wird einen großen Unterschied machen. Das wird sehr spannend werden dieses Jahr."

Frage: "Wo liegen die Prioritäten bei den nächsten Tests? Ist die Aufgabenliste lang?"
Bell: "Die Jobliste ist immer lang. Sie ist unendlich. Wir haben keine besonderen Prioritäten. Wir müssen uns bei diesen Wintertests vor allem auf die Zuverlässigkeit des Autos konzentrieren. Das steht an erster Stelle, und wir scheinen da Glück zu haben. Zudem ist das Auto sehr schnell, so dass wir hier auch nicht so viel tun müssen. Daher können wir uns nun darauf konzentrieren, das Auto für das erste Rennen weiterzuentwickeln, die neuen Teile zu testen und sicherzustellen, dass sich das Auto so verhält, wie wir es erwarten. Und dann müssen wir natürlich am Elektroniksetup arbeiten, soweit das mit der neuen Einheitselektronik möglich ist."

Symonds: "Von der Performance her sieht es definitiv besser aus als letztes Jahr. Das hatten wir auch so erwartet. Auch mit der Zuverlässigkeit sieht es gut aus. Zuverlässigkeit ist sehr wichtig, denn die Teams liegen heutzutage sehr eng beieinander. Die ersten Eindrücke vom neuen Auto sind gut und wir freuen uns auf die Saison."