Ingenieur widerspricht Teamchef Wolff: Reifen doch nicht zu sehr geschont!

Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin vertritt in seiner Analyse zum Formel-1-Rennen in Japan 2024 eine andere These als Mercedes-Teamchef Toto Wolff

(Motorsport-Total.com) - "Wir haben die Reifen zu sehr geschont." So hatte Mercedes-Teamchef Toto Wolff direkt nach dem Japan-Grand-Prix 2024 in Suzuka erklärt, weshalb Lewis Hamilton und George Russell im ersten Stint viel Zeit verloren haben. Andrew Shovlin als leitender Mercedes-Ingenieur an der Rennstrecke aber widerspricht.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton im Mercedes W15 beim Formel-1-Rennen in Japan 2024

Lewis Hamilton im Mercedes W15 beim Formel-1-Rennen in Japan 2024 Zoom

In einem Video-Interview seines Formel-1-Teams sagte Shovlin, das wahre Problem für Hamilton und Russell sei die hohe Reifenbelastung gewesen. "In Suzuka laufen die Reifen nämlich ziemlich heiß. Und wenn man in Verkehr gerät, dann überhitzen sie ein wenig. Dann sinkt der Grip und man rutscht mehr."

Mercedes habe "speziell in den langsameren Kurven" Schwierigkeiten gekriegt mit seinen Hard-Pneus von Pirelli. Shovlin verweist explizit auf die Haarnadel-Kurve und die Schikane vor Start und Ziel: "Dort haben wir den Großteil der Zeit verloren."

Für die Fahrer sei das "ziemlich schwierig" gewesen und umso mehr beim direkten Folgen anderer Autos. "Es war knifflig für sie, das Auto durch die Kurven zu kriegen", meint Shovlin. Und das Problem habe sich im weiteren Verlauf nur verschlimmert: "Weil die Reifen älter werden, rutschen sie mehr und die Temperaturen steigen."

Mercedes fragt sich immer noch, wo das Problem lag

Damit hingen Hamilton und Russell gegen Ende des Hard-Stints in der Luft. Doch es ist die gesamte Entwicklung dieser Situation, die Mercedes noch Rätsel aufgibt. Shovlin zufolge hat das Team "dieses Problem nicht vollständig verstanden". Mercedes müsse erst noch "herausfinden, was genau passiert ist und warum wir so viel stärker zurückgefallen sind als Leclerc", der ebenfalls einen langen ersten Stint fuhr.

Und noch etwas unterscheidet Ferrari-Fahrer Charles Leclerc von den Mercedes-Fahrern: Leclerc zog die Einstopp-Strategie durch, die zunächst auch Mercedes im Sinn gehabt hatte.

Doch am Kommandostand sei schon "als wir im ersten Stint abfielen" klargeworden, dass nur ein Stopp nicht ausreichen würde für die Renndistanz, erklärt Shovlin. Man halte sich aber zunächst "alle Optionen" offen. "Und eigentlich hält dich nichts davon ab, [die Strategie] zu wechseln, bis man sich entscheidet, genau das zu tun", meint er.

So erkläre sich auch, weshalb Mercedes einen langen zweiten Stint gefahren habe: "Wir hätten vielleicht von einer Safety-Car-Phase profitieren können, aber es gab keine."


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Mercedes fängt sich nach dem ersten Stint

Immerhin: Im zweiten Stint auf Hard und im dritten Stint auf Medium sei die Reifenleistung "in Ordnung" gewesen, was vielleicht auch an den äußeren Umständen gelegen habe. "Denn gegen Rennende war es sicherlich kühler", sagt Shovlin. "Die Leistung des Autos entsprach in den Stints zwei und drei jedenfalls genau unseren Erwartungen."

Ein Blick in die Renndaten bestätigt: Wo Mercedes im ersten Stint rund 15 Sekunden auf Max Verstappen verliert, gelingt es Russell im zweiten Stint über einige Runden hinweg, den Rückstand konstant zu halten. Und im dritten Stint verliert er nur noch gut zehn Sekunden auf Verstappen.

Da war der Zug aber längst abgefahren, sodass Russell und Hamilton schließlich nur die Plätze sieben und neun belegten, über 45 Sekunden hinter der Spitze. Deshalb spricht Shovlin von einem "großen Rückstand auf Red Bull" und von einem "kleinen Rückstand" auf McLaren und Ferrari, der etwa zwischen 15 und 25 Sekunden lag. Fazit: "Wir sind nicht schnell genug. Das wissen wir."

Was Hamilton und Russell zusätzlich eingebremst hat

Allerdings hatten beide Mercedes-Fahrer mit der Technik zu kämpfen. Hamilton habe sich gleich zu Rennbeginn bei einer Berührung mit Leclerc den Frontflügel beschädigt. "Dadurch hat sich das Untersteuern, das wir im ersten Stint ohnehin hatten, nochmals verstärkt", sagt Shovlin.

Das traf Mercedes doppelt hart laut seinem leitenden Ingenieur: "Noch in der Startaufstellung war die Strecke so heiß, dass wir etwas Frontflügel herausgenommen hatten. Der zusätzliche Abtriebsverlust [durch die Berührung] sorgte dann für die großen Probleme. Die Vorderachse war deshalb das Thema im gesamten ersten Stint."


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Erst beim Reifenwechsel habe Mercedes hier gegenwirken können: "Wir haben zwar nicht den Flügel getauscht, aber die Flaps steiler eingestellt. Damit hatte das Auto eine bessere Balance", erklärt Shovlin.

Über eine schlechte Balance beklagte sich indes auch Hamiltons Teamkollege Russell, nachdem er sich gegen Ende des ersten Stints in Kurve 2 verbremst hatte. "George hat dann versucht, das Rad immer in Bewegung zu halten, damit kein Bremsplatten entsteht. Das hat er gut gemacht, denn so hat sich die Situation nicht noch verschlimmert." Aber natürlich habe das Russell "irritiert", so Shovlin.

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