• 08.03.2006 22:33

  • von Inga Stracke

Inga on Tour: Vom Schnee in die Wüste...

'F1Total.com'-Boxengassenreporterin Inga Stracke berichtet von der beeindruckenden Anlage von Sakhir, von Produktfälschern und jeder Menge Gold

(Motorsport-Total.com) - 1001 Nacht, Sherezahde, Kamele im Wüstensand, Beduinenzelte, und das Gefühl ganz weit weg zu sein, vor allem weit weg vom Schneechaos daheim - vier Stunden bevor ich in München mit der Lufthanse-Maschine nach Dubai abhob, stand ich noch bei uns im Innenhof, bis über die Knie im Schnee!

Titel-Bild zur News: Inga Stracke

Inga Stracke vor einem der vielen Schmuckgeschäfte in Bahrain

Erst Ende 2002 setzte Formel-1-Supremo Bernie Ecclestone seine Unterschrift unter den begehrten Grand-Prix-Vertrag. Wahrzeichen der Anlage ist der sich nach unten verjüngende "Sakhir-Tower". Er ragt acht Geschosse hoch aus der Wüstenszenerie heraus. Zuschauertribünen, Garagenkomplex und VIP-Lounges sowie die Gebäude für die Rennleitung tragen Dachaufsätze, die an die typischen Zelte der Wüstenvölker erinnert.#w1#

Der Bereich von Fahrerlager und Boxen stellt dabei so etwas wie eine Oase dar, in die die Piloten nach ihrer Runde durch die sandige Ebene immer wieder zurückkehren. Wir sitzen im Pressezentrum mittendrin, am Eingang des Fahrerlagers, ich kann von meinem Platz hier genau ins Fahrerlager schauen, wo die Teams nicht wie sonst in Motorhomes sitzen, sondern in gekühlten Pavillons.#w1#

Hard Rock Cafe

Selbst ein Hard Rock Cafe gibt es mittlerweile in Bahrain Zoom

Gastfreundlichkeit wird hier ganz groß geschrieben, überall hat man das Gefühl willkommen zu sein, das Essen ist herrlich, und an der Strecke ist die Verpflegung der VIP-Gäste bis ins Detail perfektioniert: 20 Tonnen Eis, 1.500 Kuchen, 2.300 Hummer, 750 Kilo Krabben, 600 Eier, 5.000 Liter Orangensaft werden hier an diesem Wochenende konsumiert - ach ja, nicht zu vergessen: und 400 Kilo Schokolade. "Es kommen Motorsportenthusiasten aus 40 Ländern!", freut sich Scheich Fawaz bin Mohammad Al-Khalifa. Bahrain hat eine Bevölkerung von 650.000, pro Jahr kommen drei Millionen Touristen ins Königreich, das aus einem 33 Inseln umfassenden Archipel besteht.

Bei der Analyse der Anforderungen der brandneuen Grand-Prix-Strecke sahen sich übrigens vor dem ersten Grand Prix 2004 manche Michelin-Ingenieure in die Mitte der 80er Jahre versetzt, als der Dünenkurs von Zandvoort noch auf dem Formel-1-Kalender stand. Die Parallele: Ebenso wie an der holländischen Nordsee wehen auch in der arabischen Wüste die Windböen immer wieder Sand auf die Strecke.

McDonalds

...ein McDonald's-Fast-Food-Restaurant gibt es ebenso Zoom

Wer den Weg zur Strecke nicht gleich findet, dem weist ein lächelnder Papp-Kimi Räikkönen den Weg, und direkt an der Strecke zeigt sich das westliche Bahrain: ein McDonalds. Noch ein kleiner Tipp für Bahrain-Reisende: es wird hier als Beleidigung empfunden, wenn man die Fußsohlen eines anderen sieht, also, immer fein die Schuhe anlassen, nur nicht in der Moschee, denn dort darf man nur hinein, wenn man die Schuhe auszieht, als Frau muss ich mir dazu noch ein Tuch über die Haare legen.

Die "Große Al Fateh Moschee" in Manama ist übrigens sensationell - 7.000 Leute passen hier hinein, allabendlich ruft der Muhedsin zum Gebet, sein Gesang ist über der ganzen Stadt zu hören. An der Uferstraße wird, wie seit Jahren hier in Bahrain, überall wird wie wild gebaut, ganz prominent: die "Bahrain World Trade Center Twin Towers", zwei Türme mit blauer Verglasung in Form zweier Dhow-Segel.

Etwas von Stadtzentrum entfernt liegt das 'Ritz Carlton Hotel' mit eigener kleiner Insel, am Strand und mit einzelnen VIP-Villen. Dort wohnen die meisten Piloten.

Ich habe mir abends mal den Basar, oder besser Souq angeschaut, war aber etwas enttäuscht. Eigentlich hatte ich jede Menge Stände mit Essen, Teppichen, Gold, Gewürzen und orientalischen Besonderheiten erwartet. Stattdessen gibt es eine Gasse mit Kofferläden, eine mit Wasserpfeifen, eine mit Schmuckgeschäften und jede Menge Krimskramsläden, in denen von der Küchenmaschine über gefakte Dior-Handtaschen bis hin zu Formel-1-T-Shirts alles ausliegt.

Soudek verkauft in seinem Shop nicht nur nachgemachte Formel-1-T-Shirts für umgerechnet drei Euro. Am meisten beeindruckt hat mich ja die blau-weiße Wasserpfeife im Laden von Farman Ali - gar nicht mal so teuer, nur umgerechnet 50 Euro, aber ich hab natürlich keine Ahnung wie man sie A transportieren könnte und B was der deutsche Zoll wohl zu so einem Souvenir sagen würde?

World Trade Twins

Die sich im Bau befindlichen Bahrain World Trade Center Twin Towers Zoom

Cool fand ich den Schuhmacher der in einem winzigen Raum quasi auf der Straße Schuhe maßanfertigt und in der Straße mit den Schmuckgeschäften wird man förmlich geblendet, manchmal im wahrsten Sinne des Wortes - ist hier doch nicht alles Gold was glänzt. Man(n) kauft hier für seine Frau(en) übrigens nicht mal einen Ring oder eine Kette, sondern gleich mehrere. Und die werden dann abgewogen, bezahlt wird nicht pro Schmuckstück, sondern nach Gewicht.

Bahrain ist ein seit 1971 vom britischen Protektorat unabhängiges Arabisches Emirat. Staatsoberhaupt des Königreichs ist der Emir, der mittels Kabinett regiert. Der Islam ist Staatsreligion. Annähernd 90 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Davon sind rund 70 Prozent Schiiten, 30 Prozent Sunniten. Insgesamt leben knapp 670.000 Menschen in Bahrain. Frauen dürfen hier seit 2002 wählen!

Die Formel 1 gastierte bereits einmal in der Wüste - ihr Vorkriegs-Pendant war geradezu Dauergast. Und stets waren es die großen Namen, die am Ende in den Siegerlisten ganz oben standen. Zwischen 1925 und 1940 fanden in der libanesischen Hafenstadt Tripolis 14 Große Preise statt - mit Rundenlängen von 71 (!), 26 und zuletzt 13 Kilometern.

Nach Größen wie Tazio Nuvolari (1928 auf Bugatti 35 C) und Achille Varzi (1933 auf Bugatti 51 und 1934 auf Alfa Romeo B) siegten in der Folge die Silberpfeil-Heroen der 1934 eingeführten "750-Kilogramm-Formel": 1935 gewann Rudolf Caracciola auf Mercedes-Benz W25, 1936 Achille Varzi mit dem Auto Union C, 1937 und 1938 Hermann Lang auf Mercedes-Benz W125 bzw. W154.

Die letzte Ausgabe 1940 sah mit Nino Farina im Alfa Romeo 158 (der späteren Alfetta) sogar noch einen Sieger, der die "moderne" Formel 1 mit prägen sollte. Auch bei den sieben Grands Prix von Tunesien in Tunis und den drei Läufen in Algerien siegten diese Titanen.

Die heutige Formel 1 sah den Himmel über der Wüste im Jahr 1958. Auf dem schnellen 7,6-Kilometer-Rundkurs von Ain-Diab bei Casablanca gewann Mike Hawthorne mit einem zweiten Platz den Weltmeistertitel. Sein britischer Landsmann Stirling Moss musste sich trotz Sieg und Extrapunkt für die schnellste Runde um einen Zähler geschlagen geben.