"Inakzeptabel!": Mercedes tobt nach Rosbergs "Harakiri"

Mercedes ist wütend über Rosbergs Aktion gegen Hamilton und lädt sofort zum Krisenmeeting - Toto Wolff tobt: "Lässt uns alle dämlich dastehen"

(Motorsport-Total.com) - "Inakzeptabel!" Das war nach dem Rennen im Mercedes-Lager das meistgehörte Wort zum heutigen Rennen in Spa. Die Kollision zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton, die dem Team wohl einen Doppelerfolg gekostet hat, war der Auslöser für eine große Missstimmung im Team. Denn das lange befürchtete Worst-Case-Szenario ist aus Silberpfeil-Sicht eingetroffen: Ein Mercedes-Pilot zerstört das Rennen von beiden.

Am Kommandostand von Mercedes war man nach der Szene fassungslos: "Es ist ein absolut unerfreuliches, inakzeptables Szenario", poltert Motorsportchef Toto Wolff vor den Mikrofonen von 'RTL', "vor allem wenn es in der zweiten Runde eines langen Rennens passiert. Das ist zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig und lässt uns alle dämlich dastehen, und das wollen wir gar nicht." Und auch der Aufsichtsratsvorsitzende Niki Lauda kann nur mit dem Kopf schütteln: "Für mich ist es ganz einfach: Es ist inakzeptabel für das Mercedes-Team, dass Nico in der zweiten Runde Lewis hineinfährt. Das geht nicht."

Besonders sauer stößt den Teamverantwortlichen auf, dass die Szene zu einem denkbar unnötigen Zeitpunkt kam: "Wenn die zwei bis zum Schluss kämpfen und dieser Unfall in der letzten Runde passiert, dann könnte man noch drüber reden", sagt Lauda, "aber in der zweiten Runde ist das inakzeptabel - für das Team, für alle Mitarbeiter, für Mercedes. Jetzt hat Nico nicht einmal das Rennen gewinnen können, und Lewis hat keine Punkte. Inakzeptabel!"

"Es überrascht mich deswegen, weil es nicht sein kann, dass das dominante Team, das heute vorneweg hätte fahren können, in der zweiten Runde zusammenfährt. Das ist der Unterschied. Wenn im Endkampf der WM, in der letzten Runde, so ein Missgeschick passiert, wunderbar. Aber nicht am Anfang eines Rennens!"

Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Alles hat ein Ende: Das Stallduell ging bis heute glimpflich aus Zoom

Für den Österreicher ist klar, dass Mercedes das Rennen ohne die "Harakiri-Aktion" von Rosberg locker gewonnen hätte: "Wenn wir normal weitergefahren wären, hätte ich mir keine Sorgen gemacht, dass wir durch die Speed und die Performance des Autos Erster und Zweiter werden. Im Normalfall wäre das ein einfaches Rennen für die beiden gewesen." So aber war es für Mercedes ein enttäuschender Tag: "Bravo", wird Lauda ironisch.

Schuldfrage pro Rosberg geklärt

Die Schuldfrage ist für den Aufsichtsratsvorsitzenden schnell geklärt. Nico Rosberg trägt für ihn die alleinige Verantwortung: "Lewis ist vorne und Nico ist ihm hinten in den Reifen reingefahren. Er hätte vom Gas gehen und ihm die Kurve überlassen müssen. Ganz einfach! Man muss einfach ein bisschen mehr bremsen - und nicht hineinlenken. Es wäre ganze einfach zu verhindern gewesen. Es war auch Pech dabei, aber ausgelöst hat das für mich eindeutig der Nico! Der Rennunfall war der Fehler von Nico, das hat mit Lewis überhaupt nichts zu tun."

Dass Lewis Hamilton mit etwas mehr Umsicht eine Kollision hätte vermeiden können, verneint er: "Wenn du am letzten Zacken bremst, wie der Lewis, dann hat der keine Augen mehr im Kopf hinten. Der kann nicht darauf achten, was hinten passiert. Der ist klar vorne gewesen, nimmt seine Linie in die nächste Kurve, und wenn der hinten nicht nachlässt, weil er die Kurve eh schon verloren hat, dann kommt es zu diesem blöden Unfall."

Derweil versucht Wolff zu beschwichtigen, auch wenn er die Schuldfrage ähnlich sieht: "Man muss jetzt nicht mit dem Finger auf Nico zeigen und ihn zum Sündenbock machen", nimmt er seinen Piloten gegenüber 'Sky' in Schutz, betont aber: "Heute hat er einen Fehler gemacht, und der hat dramatische Konsequenzen gehabt! Das kann aber auch andersherum gehen, und wir müssen sicherstellen, dass das in beide Richtungen nicht mehr passiert."


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Krisenmeeting mit Fingerklopf-Garantie

Dafür soll es um 16:45 Uhr bei Mercedes zu einem Krisenmeeting kommen, bei dem das Duell noch einmal eingehend analysiert werden wird. Dann erhält auch Rosberg seine Chance zur Verteidigung. "Wir werden uns Nico anhören, das wäre die faire Lösung. Mal schauen, was er sagt. Das werden wir dann analysieren", sagt Lauda und wird dabei unterstützt von Toto Wolff: "Ja, es liegt jetzt an uns, die Message richtig rüberzubringen, dass so etwas nie wieder passieren kann und nie wieder passieren darf. Wir werden uns jetzt zusammensetzen und genau diese Linie einschlagen", kündigt der Motorsportchef an.

Wie die Mercedes-Verantwortlichen die Situation lösen werden und ob sie das Verhältnis zwischen den Fahrern wieder kitten können, das wird vorerst hinter geschlossenen Türen entschieden. Auf jeden Fall darf sich Rosberg auf ein paar hitzige Diskussionen gefasst machen. Denn Wolff kündigt bereits an, seinen Fahrern sprichwörtlich auf die Finger zu klopfen: "Wenn der 'slap on the wrist' so in Erinnerung bleibt, dass es nicht mehr passiert, dann ist das gut", sagt er und will die richtigen Worte finden: "Wir werden versuchen, die Stärke richtig zu dosieren."

Mercedes will gestärkt hervorgehen

Während das Mercedes-Team als großer Verlierer aus Spa abreist, hat die Kontroverse auch einige Gewinner hervorgebracht. Daniel Ricciardo durfte seinen dritten Saisonsieg feiern und die Medien bekommen etwas zu schreiben. Doch das ist für Wolff Teil des Geschäfts: "In der Formel 1 geht es auch um die Kontroverse. Wichtig ist, dass wir als Team nicht geschwächt herauskommen. Deswegen wird es im Team viele Diskussionen geben."

Toto Wolff

Toto Wolff will die Situation in einem Krisenmeeting klären Zoom

Sorgen macht er sich über den weiteren WM-Verlauf nicht, denn in der Geschichte ist das Mercedes-Szenario mit Sicherheit nicht einmalig. "Das hat es auch in vielen anderen Teams schon gegeben", meint der Österreicher und bezieht sich da auf Duelle wie Senna gegen Prost oder Hamilton gegen Alonso. "Jetzt müssen wir einfach stark sein", sagt er. Sonst könnte Daniel Ricciardo vielleicht nicht nur heute sondern auch am Ende der Saison der lachende Dritte sein.