• 30.04.2004 13:18

  • von Marco Helgert

In Gedenken an Roland Ratzenberger

Heute vor zehn Jahren verunfallte Roland Ratzenberger in Imola tödlich, wir erinnern an den sympathischen Österreicher

(Motorsport-Total.com) - Das Wochenende des Großen Preises von San Marino 1994 ging als das Wochenende in die Annalen der Formel 1 ein, bei welchem der große Ayrton Senna sein Leben verlor. Zum Horrorwochenende machte es aber der Todessturz von Roland Ratzenberger einen Tag zuvor. Der Österreicher kam so zu einer posthumen Berühmtheit, die ihm schon zu Lebzeiten zugestanden hätte.

Titel-Bild zur News: Roland Ratzenberger in der britischen Formel 3

Roland "the rat" Ratzenberger in der britischen Formel-3-Meisterschaft

"Die Formel 1 war immer irgendwo mein Ziel", erklärte der Österreicher im März 1994, kurz nachdem er seinen Vertrag bei Simtek unterschrieb. Seinen Weg bis in die Königsklasse als steinig zu bezeichnen, wäre eine glatte Untertreibung. Selbst sein Formel-1-Vertrag kam nur mit etwas Glück zustande, denn Jean-Marc Gounon wurde zuvor schon als Fahrer bestätigt.#w1#

Visitenkarten hatte Ratzenberger schon genug abgegeben, doch zu einem ernsthaften Angebot kam es danach nie. 1986 gelang ihm das Kunststück, als erster deutschsprachiger Fahrer das renommierte Formel-Ford-Festival in Brands Hatch zu gewinnen - gegen Größen wie Johnny Herbert oder Eddie Irvine. 1987 trat der 1962 geborene Österreicher in der britischen Formel 3 und der F3-Euroserie an. Ein Rennsieg auf dem Nürburgring unterstrich dabei seine Fähigkeiten.

Durchbruch in England

Er blieb 1988 der englischen Formel-3-Meisterschaft treu, versuchte sich aber auch in der nationalen britischen Formel-3000-Serie. Dort konnte er in Donington siegen und im Endklassement Rang drei belegen, was ihm ein Jahr später erneut gelang. Im gleichen Jahr fuhr er auch für Porsche einige Sportwagenrennen.

Trotz der guten Ergebnisse kam seine Karriere im Formel-Sport ins Stocken. "Roland the rat" (Roland, die Ratte; d. Red.), wir er in England genannt wurde, siedelte 1990 nach Japan über. Die Nachfrage nach europäischen Fahrern war im fernen Osten hoch. Zudem musste er keine Sponsoren mitbringen, seine Schnelligkeit und sein Talent waren genug.

In Japan konzentrierte er sich auf Tourenwagenrennen mit BMW und Einsätze in der japanischen GT-Serie mit Toyota. Auch ein Test mit einem IndyCar von Dick Simon verlief glänzend und es hätte sehr wohl die Möglichkeit bestanden, einige Rennen zu bestreiten, doch Ratzenberger zog es vor, in Japan zu bleiben.

1991 klopfte der Österreicher auch zum ersten Mal an die Tür der Formel 1. In England hatte man Ratzenberger nicht vergessen, doch die Verhandlungen mit Eddie Jordan endeten abrupt, als der Sponsor des Salzburgers, eine österreichische Brauerei, absprang. Dennoch gelang ihm 1992 wieder der Sprung in einen Formel-Boliden. Für das Team Stellar durfte er in der japanischen Formel 3000 starten.

Le-Mans-Routinier Ratzenberger

1993 sah sein Programm ähnlich aus, zudem fuhr er in diesen beiden Jahren in Le Mans. 1992 belegte er zusammen mit Eddie Irvine und dem Schweden Eje Elgh in einem Toyota-Sportwagen des SARD-Teams den neunten Gesamtrang. Ein Jahr später konnte er zusammen mit Mauro Martini und Naoki Nagasaka den fünften Platz belegen.

Dann ging alles recht schnell. Burkhard Hummel, der auch Gerhard Berger den Weg in die Formel 1 ebnete, stellte Roland Ratzenberger dem Simtek-Chef Nick Wirth vor. "Ich habe mich mit ihm im November getroffen, und wir haben uns gleich gut verstanden", erklärte Ratzenberger. Doch es ging wie immer um das liebe Geld, und Jean-Marc Gounon war als zweiter Fahrer neben David Brabham bereits gemeldet. Als der Franzose doch nicht genug Geld auftreiben konnte, schlug die Stunde von Ratzenberger.

Dabei war ihm durchaus bewusst, dass der Formel-1-Einstieg bei einem neuen Team wie Simtek schwer werden würde. Teamchef Nick Wirth war jung und unerfahren aber voller Tatendrang. Er begann seine Karriere bei March und arbeitet dort mit Adrian Newey, dem heutigen McLaren-Chefdesigner, an den Formel-1-Boliden.

Schwieriges Formel-1-Debüt bei Simtek

Als March an den japanischen 'Leyton House'-Chef Akira Akagi verkauft wurde, gründete Wirth unter starker Mithilfe von Max Mosley, der March mitgegründet hatte und noch immer involviert war, ein Unternehmen: Simtek. Durch die Beziehungen Mosleys war der Aufbau eines Kundenstamms kein Problem: die FIA, BMW, die französische Regierung aber auch das Ligier-Team waren Kunden.

1990 entwickelte Simtek eine Formel-1-Studie für BMW, doch das Projekt wurde vorzeitig beendet. Zwei Jahre später war Wirth alleiniger Chef von Simtek, denn Mosley war mittlerweile zum FIA-Präsidenten gewählt worden. Simtek entwickelte einen Formel-1-Boliden auf der Basis des BMW-Projektes für das Team Andrea Moda, doch das Auto war hoffnungslos unterlegen, zumal das Team kein Geld für Verbesserungen hatte.

Ein Jahr später sollte eine weiterentwickelte Version des Chassis für das Bravo-Team zum Einsatz kommen, doch der Mann hinter Bravo, Jean Mosnier, verstarb, und damit auch die Pläne des Formel-1-Teams. Frustriert nahm Wirth es nun selbst in die Hand. Er gründete Simtek Grand Prix im August 1993, noch vor Weihnachten drehte der Simtek-Ford S941 seine ersten Runden in Silverstone.

Erstes Formel-1-Rennen in Aida

Engagiert ging man in die Saison 1994, auch wenn man mit den Serie-VI-Versionen des Ford-HB-Triebwerks vorlieb nehmen musste. Während sich David Brabham, der einen Großteil der Testfahrten im Winter bestritt, in Brasilien qualifizieren konnte, verpasste Ratzenberger die Teilnahme am Rennen. Seine Unerfahrenheit machte sich bemerkbar. Beim Pazifik-Grand-Prix in Aida war er vier Zehntelsekunden schneller als Bertrand Gachot im Pacific, die erste Rennteilnahme war perfekt.

Sein erstes Formel-1-Rennen beendete er als Elfter und war nicht unzufrieden. "Ich habe mir keinen Fehler erlaubt. Ich stand niemanden im Weg. Jetzt kann ich die kommenden Wochenenden in Angriff nehmen", erklärte er nach dem Rennen. Das nächste Rennen stand in Imola auf dem Programm, und Ratzenberger wollte sich weiter in der Formel 1 etablieren, doch dazu kam es nicht mehr.

Im Abschlusstraining am Samstag brach in seiner zweiten gezeiteten Runde der linke obere Teil seines Frontflügels. Der Simtek-Pilot hatte die spätere Unfall-Stelle von Ayrton Senna, die Tamburello-Kurve, bereits passiert. Ohne den nötigen Anpressdruck an der Vorderachse konnte Ratzenberger nicht mehr in den Villeneuve-Rechtsknick einlenken, er raste nahezu ungebremst in die Betonmauer, schlitterte bis hinunter zur Tosa.

Ratzenberger wurde nach dem Unfall mit Mühe am Leben gehalten, noch am Unfallort wiederbelebt. Doch faktisch war er bereits klinisch tot. Die Kopf- und Rückenverletzungen durch den Aufprall waren zu schwerwiegend. Das "Horrorwochenende" von Imola setzte sich somit fort, denn am Freitag überstand Jordan-Pilot Rubens Barrichello einen schweren Unfall nur leicht verletzt.

Schockzustand für die Formel 1

Der Tod Ratzenbergers stürzte die Formel 1 in tiefe Betroffenheit. Viele Fahrer waren zum ersten Mal mit dem Tod in ihrer Sportart konfrontiert. Doch zehn Jahre nach diesem schrecklichen Rennwochenende, wenn sich alle an Ayrton Senna erinnern, sollte man Roland Ratzenberger nicht vergessen. Der Österreicher war eine Bereicherung für die Formel 1 - nicht nur auf der Strecke.

"Traurig war, dass die Welt der Formel 1 ihn nie kennen lernen konnte", erklärte der Ex-Simtek-Chef einige Jahre später dem Magazin 'Autosport'. "Ich kann nicht sagen, wie weit er es gebracht hätte, aber ich denke, das ist auch nicht wirklich wichtig. Sein Traum war die Formel 1. Er stand ganz oben auf der Liste, wenn du mit jemandem etwas trinken gehen wolltest. Er hatte viel Selbstvertrauen, aber in keiner unangenehmen Art. Er war nicht eingebildet oder arrogant. Er war einfach ein verdammt großartiger Kerl."

Der Tod Ratzenbergers schien jedoch vom tödlichen Unfall Ayrton Sennas überschattet zu werden. Doch der Österreicher wurde von seinen Kollegen nie vergessen. Bei den 24 Stunden von Le Mans 1994 war der Salzburger wieder als Fahrer genannt, doch auch nach seinem Tod verblieb sein Name auf dem Toyota 94C-V. Das für ihn gedachte Auto erreichte beim Langstreckenklassiker mit Eddie Irvine, Mauro Martini und Jeff Krosnoff den zweiten Platz. Bei der Rückreise machten seine drei Kollegen des SARD-Teams am Grab von Ratzenberger halt und präsentierten stolz den Pokal für den zweiten Rang.

Auch bei Simtek blieb Ratzenberger unvergessen. David Brabham fuhr in Monaco mit einer geänderten Lufthutze, die in den österreichischen Nationalfarben lackiert war und den Schriftzug "for Roland" trug.

Während Ayrton Sennas Beerdigung in Brasilien die Massen und Medien anzog, verlief die Beisetzung Ratzenbergers ohne großen Medienrummel. Doch Max Mosley, auch 1994 bereits FIA-Präsident, zog es vor, nach Österreich zu fahren. "Roland wäre vergessen worden", erklärte er. "Ich fuhr also zu seiner Beerdigung, weil jeder andere zu Sennas Beisetzung ging. Ich dachte, es wäre wichtig, dass jemand dorthin geht."

Die Eltern von Roland Ratzenberger, die den Verlust des Sohnes an jenem 30. April 1994 zu beklagen haben, waren nie verbittert. Denn Roland, so ihre Erklärung, starb bei dem, was er wirklich wollte und liebte, und wofür er all die Jahre so hart gekämpft hat. In Zusammenarbeit mit der Familie Ratzenberger entstand auch die Internetpräsenz roland-ratzenberger.com, die das Andenken an den vor genau 10 Jahren verstorbenen Österreicher wahren soll.