Horner: "Das Team darf stolz sein"

(Motorsport-Total.com) - Seit dem Großen Preis von Brasilien steht fest: Red Bull wird in dieser Saison keinen Titel holen, denn Brawn holte dank der guten Ausbeute seiner beiden Fahrer sowohl die Fahrerkrone als auch den ersten Platz bei den Konstrukteuren. Dennoch zieht Red-Bull-Teamchef Christian Horner nach dem vorletzten Rennen des Jahres eine zufriedene Saisonbilanz und lobt seine Mannschaft für ihren Einsatz. Im Mediengespräch lässt Horner das WM-Jahr von Red Bull noch einmal Revue passieren.

© Red Bull

Es hat nicht gereicht: Christian Horner und Red Bull wagen 2010 einen neuen Anlauf

Frage: "Christian, Red Bull musste seine Titelambitionen in Brasilien begraben. Wie fühlst du dich?"
Christian Horner: "Erst einmal muss ich dem Brawn-Team gratulieren. Wir hatten in diesem Jahr einen schönen Kampf. Sie hatten eine beeindruckende Saison - vor allem Jenson. Ich kenne ihn nun schon, seit er zehn Jahre alt war. Wenn keiner unserer Piloten in diesem Jahr den Titel holen konnte, dann hat Jenson in meinen Augen im Saisonverlauf einfach einen guten Job gemacht."#w1#

"Er hat in den ersten sieben Rennen ziemlich viel Schaden angerichtet und hat seither die Punkte mitgenommen. Eine Meisterschaft ist nach einem ganzen Jahr vorbei und die Geschichtsbücher schauen sich nicht an, wie sich die Form im Laufe der Saison verändert hat. Ich halte ihn also für einen würdigen Champion. Ich freue mich für ihn. Er hat sehr hart dafür gearbeitet und wir werden ihn im kommenden Jahr schlagen."

Frage: "Wie sehr wurde der Titelkampf in diesem Jahr durch den Streit um den Doppeldiffusor beeinflusst?"
Horner: "Meiner Meinung nach hatte diese Sache am Jahresbeginn einen bedeutenden Einfluss, aber man muss sich die Meisterschaft als Ganzes ansehen. Wir haben am Saisonanfang sehr viel verloren, doch das lag nicht am Doppeldiffusor. Es gab den Zwischenfall mit Kubica, wenn wir uns an Melbourne zurückerinnern. Das haben wir teuer bezahlt. Anschließend folgte die Strafversetzung um zehn Startplätze und dann war da noch der Unfall in Monaco."

"Außerdem hatten wir in Valencia einen Motorschaden und die Durchfahrtsstrafen. Wenn man sich diese Saison ansieht, dann haben gewiss jeder Fahrer und jedes Team einige Pechgeschichten auf Lager. Wir hatten in diesem Jahr jedenfalls reichlich Pech, können dennoch auf eine sehr starke Saison zurückblicken. In Brasilien haben wir unser fünftes Rennen gewonnen."

"Wir haben mehr als 130 Punkte geholt und unser 14. Podium. Bislang gab es drei Doppelsiege und ich denke, die Fortschritte bei Red Bull waren bedeutend. Wir haben in dieser Saison einige Lektionen gelernt und werden dadurch nur ein stärkeres Team. Ich bin mir sicher: Sebastian ist ein künftiger Champion, nicht zuletzt aufgrund seines jungen Alters."

Schlagen Ferrari und Co. 2010 zurück?

Frage: "Aus unterschiedlichen Gründen waren McLaren, Renault und Ferrari in dieser Saison nicht bei der Musik dabei. Das hat es Red Bull und Brawn erlaubt, in die Bresche zu stoßen. Bist du zuversichtlich, dass euer Duo diese Positionen auch 2010 halten kann?"
Horner: "Es ist niemals einfach. Die Art und Weise, wie die Form schwankte, war besonders bemerkenswert."

"Für alle gelten letztendlich dieselben Regeln und wir haben mit der Arbeit an unserem Auto für dieses Jahr auch nicht eher begonnen als McLaren. Beim RB5 waren wir sogar recht spät dran. Wir haben allerdings eine großartige Gruppe von Leuten, die unter der technischen Leitung von Adrian Newey einfach eine brillante Leistung erbracht hat. Sie wurden immer stärker."

"Ich sehe keinen Grund, weshalb wir auf die Kontinuität und den Erfolg in diesem Jahr nicht aufbauen könnten. Ganz sicher haben wir aber einige ausgezeichnete Konkurrenten. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir noch immer ein Privatteam sind. Das Team darf sehr stolz darauf sein, was es in diesem Jahr erreicht hat. Wie ich schon sagte: Wir werden im Hinblick auf das kommende Jahr als Gruppe nur noch stärker werden."

Frage: "Sebastian hat in diesem Jahr ein paar Fehler gemacht. Werden ihn diese und die daraus gelernten Lektionen für 2010 zu einer noch größeren Nummer machen?"
Horner: "Na klar. Er ist ein junger Bursche und das einzige, was ihm noch fehlt, ist Erfahrung. Dafür gibt es keine Abkürzung. Aber auch so hatte er eine fantastische Saison. Ich denke, am Jahresanfang hat niemand ernsthaft geglaubt, dass er ein Titelanwärter sein würde. Trotz der vielen Rückschläge hat er niemals aufgegeben. Er hat auf jeder einzelnen Runde bei jedem einzelnen Event vollsten Einsatz gezeigt."

"Ja, wir hatten fünf Ausfälle bei ihm, die uns allesamt sehr teuer zu stehen kamen. Er wird im kommenden Jahr aber noch stärker zurückkehren - genau wie das Team. Meiner Meinung nach kann er auf eine Saison zurückblicken, in der er einen großartigen Job gemacht hat. Unser Ziel wird jetzt sein, im letzten Rennen die Position des WM-Zweiten einzufahren."¿pbvin|512|2079|insidegp|0|1pb¿

Die erste Saisonhälfte als Handicap

Frage: "Wie wichtig ist die richtige Motorenentscheidung für eure Titelhoffnungen 2010?"
Horner: "Diese Entscheidung ist überaus wichtig. Ich glaube wirklich, dass wir in diesem Jahr das beste Chassis der Formel 1 hatten. In meinen Augen muss man aber auch anerkennen, was Renault beigetragen hat. Sie sind ein wichtiger Bestandteil des Pakets, das in diesem Jahr einiges erreicht hat."

"Es ist von größter Wichtigkeit, dass wir für 2010 eine Partnerschaft mit den richtigen Leuten auf die Beine stellen. Wir hatten drei großartige Jahre mit Renault und hatten in diesem Jahr eine sehr erfolgreiche Saison. In den kommenden Wochen müssen wir alles sehr genau beäugen, ehe wir eine finale Entscheidung treffen."

Frage: "Hattest du jemals den Eindruck, wirklich ernsthaft im Titelkampf zu stecken?"
Horner: "Ich denke, die Brawns haben in den ersten Rennen so viel Schaden angerichtet. Jenson hatte eine sehr dominante Phase. Als wir bei der Musik waren, war es aber eigentlich schon zu spät. Wir hatten einen Doppelsieg in China, konnten einige gute Ergebnisse einfahren und führten dann den Doppeldiffusor ein."

"Anschließend hatten wir in Istanbul, Silverstone und Deutschland einen guten Lauf, als die Brawns in Schwierigkeiten steckten. Wir kamen vor der Sommerpause bis auf 15 Punkte an sie heran. Leider schaffte es keiner unserer Piloten, einige starke Resultate aneinander zu reihen, um Jenson in der Fahrerwertung ernsthaft Schaden zuzufügen."

"Jenson sammelte hingegen an jedem Wochenende zwei oder drei Punkte und er ist letztendlich der Pilot, der am Jahresende am meisten Zähler auf dem Konto hat - nicht die meisten schnellsten Runden. Nach seiner dominanten ersten Saisonhälfte ist er sehr effektiv zu Werke gegangen und hat sich im zweiten Jahresabschnitt einfach nur die Punkte geholt."

Haben die "schlechten Tage" die WM entschieden?

Frage: "Hat es deiner Meinung nach einen Unterschied gemacht, dass die schlechten Tage von Brawn besser waren als eure schlechten Tage?"
Horner: "Wie ich schon sagte: Sie hatten bereits nach den ersten zwei oder drei Rennen einen Vorsprung von rund 40 Punkten. Schon damals ist der Schaden entstanden."

"In Malaysia holten wir unsere ersten Punkte mit Mark, wohingegen sie bereits zwei Siege hatten. Rubens rutschte beispielsweise in Melbourne vom Kurs, touchierte vier bis fünf Autos und wurde dennoch Zweiter. In einer Meisterschaftssaison müssen die Dinge einfach richtig laufen."

"Ja, an ihren schlechten Tagen hatten sie keine Motorenprobleme, ihre technische Zuverlässigkeit war gut und Jenson holte nur einmal keine Punkte. Das ist bemerkenswert. Ich glaube wirklich, dass wir seit dem Sommer das schnellere Chassis haben. Aber eine Meisterschaft wird eben über eine komplette Saison ausgetragen und nicht über zwei Jahreshälften."

Frage: "Ist das Verhindern eines großen Rückstandes zu Saisonbeginn der Schlüssel zu euren Titelchancen 2010?"
Horner: "Naja, ich denke, der Doppeldiffusor hat in den ersten Rennen sicherlich eine Rolle gespielt. Es brauchte schon eine Weile, bis sich die Wogen geglättet hatten. Als wir dieses Bauteil an unser Auto bauen wollten, mussten wir das Fahrzeug schwer überarbeiten."

"Das gesamte Team hat einfach gigantische Arbeit geleistet, um das Element in dieser kurzen Zeitspanne einzuführen. Das war wirklich außergewöhnlich. Die Hingabe und der Aufwand, die da betrieben wurden, sind nichts anderes als sensationell. Es gab einen großen Schaden, aber das war nicht die ganze Geschichte."