Hinter den Renault-Kulissen: Elektronikabteilung in Viry
Ohne Elektronik funktioniert in der Formel 1 nichts mehr - Vincent Gaillardot, Leiter der Elektronikabteilung bei Renault, gibt Auskunft
(Motorsport-Total.com) - Heutzutage muss sich jeder Ingenieur mit der Elektronik auskennen und sie verstehen, weil so gut wie alles in der Formel 1 elektronisch geregelt wird - von Kontrollsystemen über die Telemetrie bis hin zur Datenerfassung. Darüber hinaus trägt die Elektronik zur enormen Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit eines Grand-Prix-Boliden bei. Das Renault-F1-Team hat sich frühzeitig - und im wahrsten Sinne des Wortes gleich doppelt - an diese Anforderungen angepasst: In beiden Workshops der "Equipe Jaune" in Enstone und Viry-Châtillon befassen sich Spezialisten mit der Elektronik.

© Renault
Viel Technik steckt im Lenkrad steckt, der Großteil aber passiert versteckt im Auto
In der Elektronik-Abteilung des französischen Standorts sind rund 30 Mitarbeiter beschäftigt. Sie arbeiten am "Gehirn" des Motors, der Kontrolleinheit und der Startsoftware. Ohne ihr Zutun würde ein Formel-1-Triebwerk nicht einmal anspringen. "Unser Aufgabenbereich ist in zwei Sektionen unterteilt", erklärt Vincent Gaillardot, Leiter der Elektronikabteilung in Viry-Châtillon. "Auf der einen Seite gibt es die Hardware, die Motorsteuerung. Auf der anderen Seite entwickeln wir die dazugehörige Software, in die Motorsteuerung eingreifen zu können."#w1#
Die Elektronik-Sparte macht etwa zehn Prozent der gesamten Teams in Viry-Châtillon aus. Neben der Unterteilung zwischen Soft- und Hardware lässt sich der Arbeitsbereich auch in verschiedene Gruppen einteilen: Während sich manche um die Produktion kümmern, sind andere für die Wartung oder Leistungsoptimierung zuständig. Wieder andere beschäftigen sich mit der Integration oder der Freigabe neuer Technologien. Hinzu kommt die Entwicklungssektion.
Fortschritt bei Renauklt: Aus zwei mach eins
Der Bereich Hardware kooperiert sehr stark mit Magneti-Marelli, einem langjährigen Partner von Renault im Motorsport. Gemeinsam entwickelten die beiden Erfolgsgaranten das Step-11-System. Mit Hilfe dieser Einheit, die erst seit diesem Jahr zum Einsatz kommt, kann die "Equipe Jaune" Einstellungen an Chassis und Motor vornehmen. Vorher wurden für diese Arbeit zwei separate Systeme benötigt. Das Hauptaugenmerk lag auf einer größtmöglichen Harmonie zwischen Chassis und Motor. "Mit Step 11 wollten wir eine vollständige Vernetzung erzielen", so Gaillardot. "Die Abteilung in Enstone jenseits des Ärmelkanals operiert parallel zu uns. Beide entwickeln das System gemeinsam, so kann jeder die Funktionen einbringen, die er benötigt."
Das Step-11-System bietet allein schon deutliche praktische Vorteile: Die gemeinsame Box benötigt weniger Kabel sowie eine geringere Anzahl an Sensoren und bietet somit einen Gewichtsvorteil. Zudem ermöglicht die Einheit ein besseres Zusammenspiel zwischen den Chassis- und Motorfunktionen. Im Vergleich zum Vorgänger beträgt die Prozessorleistung das Vierfache, die Kapazität des Datenspeichers sogar das Zehnfache. Außerdem werden drei Mal so viele Daten wie zuvor gesammelt. "Ein gewöhnlicher Computer hat nur einen Prozessor", erklärt Gaillardot. "In der Formel 1 hingegen beinhaltet eine Einheit mehr als 15." Die Gesamtleistung des Step 11 liegt bei ungefähr 2.000 MIPS (Million Instructions per Second) - ein Maß für die Leistungsfähigkeit eines Computers.
Auch wenn das in Kooperation mit Magneti-Marelli entstandene Gerät ein Kernstück der Hardware ausmacht, beschränkt sie sich nicht auf dieses System. Die Mitarbeiter der Motorenabteilung beschäftigen sich auch mit Spannungsreglern, Geräten zur Telemetrieübertragung, Sensoren zur Motordrehzahl, dem Kabelbaum, Zündspulen und den Einspritzdüsen.
V8-Motoren stoßen das Grundkonzept nicht um
Die Arbeiten im Softwarebereich sind sind von Kontinuität geprägt. "Wir beschäftigen uns mit der Motorsteuerung, die direkten Einfluss auf die Leistung des Triebwerks hat. Zu unseren Aufgaben zählt die Einstellung der Einspritzung und der Zündung - prinzipiell alles, was sich beim Motor elektronisch verändern lässt", fährt Vincent Gaillardot fort. "Die Software wird nach genauen Vorgaben entwickelt. Außerdem herrscht bei uns nie Stillstand: Dieses Jahr beispielsweise haben wir für jedes Rennen unsere Programme optimiert. Die Änderungen beziehen sich auf zwei verschiedene Felder: Zum einen verbessern wir die Zuverlässigkeit der Systeme, zum anderen integrieren wir neue Funktionen, die das Auto noch schneller machen."
Dank des Step-11-Systems können die Experten aus Viry-Châtillon ideal mit ihren Kollegen kooperieren, um Chassis und Motor zu optimieren. Nicht zuletzt dank der fortschreitenden Technologie vergrößert sich der Einfluss der Elektronik auf die Leistung eines Formel-1-Autos. "Heutzutage können wir Dinge elektronisch regeln, von denen wir noch vor zehn Jahren nicht einmal geträumt hätten", strahlt der Franzose über die Leistungen der Elektronik.
Doch wie sieht die Arbeit der Elektronik-Spezialisten des Renault-F1-Teams im Moment aus? Welchen Einfluss nimmt die Einführung der V8-Motoren auf die Elektronik? "Die Technik der Motorsteuerung ändert sich durch das neue Aggregat nicht", erklärt Vincent. "Wir arbeiten zwar mit einem neuen Produkt und konzentrieren uns auf die Verbesserung eines Achtzylinders statt eines V10-Triebwerks. Doch die Geräte und Programmen aus dem Vorjahr bleiben im Prinzip erhalten - genau wie unsere Vorgaben auf der Strecke: Wir möchten auch 2006 den Titel holen."

