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Helmut Marko: Nyck de Vries "muss jetzt einmal nachlegen"

Während ihm Mercedes schon den Aufstieg zu Red Bull als Verstappen-Teamkollege zutraut, tritt Helmut Marko bei Nyck de Vries vorerst auf die Bremse

(Motorsport-Total.com) - Helmut Marko bremst Erwartungen, wonach Nyck de Vries möglicherweise ein Kandidat dafür sein könnte, zeitnah den Platz von Sergio Perez bei Red Bull einzunehmen, wie das Andrew Shovlin von Mercedes kürzlich in den Raum gestellt hat. Vielmehr gehe es für de Vries 2023 darum, sich erstmal einen festen Platz in der Formel 1 zu verdienen, bevor man über höhere Aufgaben überhaupt nachdenken könne.

Titel-Bild zur News: Nyck de Vries, Max Verstappen

Nyck de Vries wird als Kandidat gehandelt, Teamkollege von Max Verstappen zu werden Zoom

Sich bei AlphaTauri gegen Teamkollege Yuki Tsunoda durchzusetzen, sei nicht automatisch das Ticket ins A-Team von Red Bull, sondern die "Grundvoraussetzung" dafür, de Vries' Platz in der Formel 1 abzusichern, erklärt Marko in einem Interview auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de.

"Um bei Red Bull Racing ein Kandidat zu sein, müsste eine außerordentliche Performance kommen", sagt er. Aus seiner Sicht gilt für beide AlphaTauri-Fahrer: "Sie müssen sich beweisen, wenn sie in der Formel 1 bleiben wollen. Der Bessere wird wahrscheinlich eine Chance haben. Das gilt für Yuki und auch für de Vries."

Shovlin, Einsatzleiter des Mercedes-Teams an der Rennstrecke, mit dem de Vries in den vergangenen Jahren als Simulatorfahrer eng zusammengearbeitet hat, traut dem 28-jährigen Niederländer viel mehr zu: "Es würde mich nicht überraschen, wenn wir ihn bald im Red-Bull-Werksteam sehen." Das könne er sich sogar schon "in den nächsten zwölf Monaten" vorstellen.

"Ob er Weltmeister werden kann, hängt von ihm selbst ab. Aufgrund seines Alters hat er dafür weniger Zeit. Aber das macht er durch seine Erfahrung wieder wett. Wir könnten es noch bereuen, ihn gehen zu lassen", wird Shovlin im niederländischen Buch 'Max & Nyck' von Ivo Pakvis und Stijn Keuris zitiert. (ANZEIGE: Buch jetzt online bei Amazon bestellen!)

Marko weniger euphorisch als Shovlin

Vorschusslorbeeren, von deren Echtheit Marko erst überzeugt werden muss. Er schätzt die Performance von de Vries nach dem Saisonauftakt in Bahrain zurückhaltend ein: "Man muss ihm eine gewisse Chance geben. Die Arbeitsweise ist okay. Seine Einstellung auch. Aber jetzt ist er an der Reihe zu liefern."

"De Vries kommt, obwohl er ein Rookie ist, mit einem ungeheuren Erfahrungsschatz, weil er bei Mercedes involviert war und fast alle Mercedes-Autos oder Kundenautos als dritter Fahrer oder Reservefahrer bewegt hat. Dementsprechend war sein Know-how und auch sein Anspruch."

De Vries und die To-do-Liste: Team überfordert?

Marko spielt damit auf Medienberichte an, wonach de Vries gleich bei seinen ersten Einsätzen für AlphaTauri eine To-do-Liste ausgearbeitet und den Ingenieuren vorgelegt hat, was gemeinhin als professionelle Herangehensweise gelobt wurde. Doch AlphaTauri habe er damit womöglich im ersten Moment überfordert, grinst Marko: "Das ist AlphaTauri, das ist nicht Mercedes."

"Ich glaube, momentan muss er sich mit seiner Performance beschäftigen, denn er war in Sektor 1 [in Bahrain] auf gleichem Level wie Yuki, aber im Sektor 2 hat er zu viel verloren, und auch im Rennen hat er zu viel verloren. Da muss er jetzt einmal nachlegen", fordert der 79-jährige Österreicher vom Neuzugang aus dem Mercedes-Lager.

Gerhard Berger: Mehr von de Vries erwartet gehabt

De Vries galt jahrelang als Ausnahmetalent. Auch Gerhard Berger, enger Freund des Hauses Red Bull, hat kürzlich zugegeben, dass der heute 28-Jährige einer jener Nachwuchsfahrer ist, denen er eigentlich eine erfolgreichere Karriere zugetraut hätte. Sollte de Vries jetzt der Durchbruch gelingen, hätte Berger dann wohl im Nachhinein doch recht behalten.

Marko sagt dazu: "Bei de Vries muss man sagen, dass er mit seiner unglaublichen Go-Kart-Erfolgsserie viele Hoffnungen geweckt hat. Dann hat er viele falsche Entscheidungen durchgemacht, auch aufgrund von verschiedensten Managern, mit denen er seine Jahre verbracht hat."

De Vries gewann von 2004 bis 2011 acht Meisterschaften im Go-Kart, holte 2014 weitere Titel in der Formel Renault, wurde 2019 sogar Champion in der Formel 2. Doch dann führte sein Weg nicht planmäßig in die Formel 1, sondern in die Formel E, in der er in der Saison 2020/21 auf Mercedes Weltmeister wurde.


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Der Zug in Richtung Grand-Prix-Sport schien aufgrund seines inzwischen fortgeschrittenen Alters schon fast abgefahren zu sein, als in Monza 2022 überraschend bei Williams ein Cockpit frei wurde, weil Stammpilot Alexander Albon krankheitsbedingt ausfiel. De Vries holte auf Anhieb einen Punkt - und unterschrieb kurz darauf einen Vertrag bei Red Bull beziehungsweise AlphaTauri.

Weg zum Verstappen-Teamkollegen ist noch lang

Doch vorerst ist der Traum von der Beförderung an die Seite seines Landsmanns Verstappen in weiter Ferne. Solange Perez seinen Job gut macht, besteht kein Anlass, dessen bis 2024 laufenden Vertrag in Frage zu stellen. Denn Perez, unterstreicht Marko, habe "zwei Saisonen neben Verstappen überlebt, und das sehr gut".

"Voriges Jahr Dritter in der WM. Zwei Siege auf sehr schwierigen Kursen, Singapur, Monte Carlo. Und er hat sich gesteigert, er hat sich gut ins Team eingefügt. Er hängt sich mehr in der Abstimmung an Verstappen dran und ist ein härterer Arbeiter geworden. Vor allem hat er seine Qualifying-Schwäche zum Teil ausgemerzt. Derzeit spricht nichts gegen Perez", stellt Marko klar.

Das Interview mit Helmut Marko gibt's jetzt in voller Länge (25 Minuten) auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de zu sehen. (Kanal kostenlos abonnieren und keine exklusiven Interviews mehr verpassen!)