• 11.05.2006 17:17

Heidfeld: "Sind beim Topspeed gut dabei"

Nick Heidfeld im Interview über die Fortschritte des BMW Sauber F1 Teams, das bevorstehende Rennen in Barcelona und seine Gedanken zur Traktionskontrolle

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Nick, das Rennen am Nürburgring ist erst vier Tage her. Hattest du ein bisschen Zeit zum Ausruhen?"
Nick Heidfeld: "Naja, in so einer Woche hat man nicht so viel Zeit, aber ich war kurz zu Hause bei meiner Familie, habe Trainiert und bin eigentlich fit. Wenn wir kein Rennen hätten, dann hätten wir eben getestet. Für uns Fahrer macht das keinen Unterschied."

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Nick Heidfeld fühlt sich im BMW Sauber F1 Team bislang sehr wohl

Frage: "Die Strecke in Barcelona kennen alle sehr gut, aber am Rennwochenende ist es dann doch immer ein bisschen anders, nicht wahr?"
Heidfeld: "Vor allem ist es immer anders, weil die Temperaturen ganz anders sind als beim Testen. Im Winter hat es hier sehr niedrige Temperaturen, wodurch die Rundenzeiten normalerweise auch deutlich schneller sind. Im vergangenen Jahr war das nicht mehr ganz so heftig, weil ein neuer Belag aufgetragen wurde, der sich nicht mehr so stark verändert wie früher. Aber es stimmt: Die Teams und Fahrer kennen die Strecke sehr gut, was mit Sicherheit einen gewissen Einfluss haben wir. Man muss vielleicht nicht ganz so viel fahren, wobei natürlich alle Teams sowieso versuchen, wenig zu trainieren, um die Motoren und die Reifen zu schonen."#w1#

Villeneuves Motor wurde beim Transport beschädigt

Frage: "Wie sieht es bei euch in puncto Motoren aus?"
Heidfeld: "Bei mir gut, aber Jacques (Villeneuve; Anm. d. Red.) muss leider den Motor wechseln. Es gab ein Problem, als der Motor für den Transport fertig gemacht wurde. Aus Sicherheitsgründen wird der Motor jetzt gewechselt."

"Wir haben jetzt eine gute Laufleistung und eine hohe Konstanz." Nick Heidfeld

Frage: "Hast du jetzt auch ein ungutes Gefühl?"
Heidfeld: "Nein, gar nicht - weil man erstens sowieso nichts dran ändern kann und weil man zweitens von der Erfahrung vom Prüfstand her weiß, wie es aussieht. Wir haben jetzt eine gute Laufleistung und eine hohe Konstanz. Am Anfang hatten wir das eine oder andere Motorenproblem, was schade war, aber es ging ja nicht nur uns so, sondern auch vielen anderen Teams. Das kam überraschend für mich, denn ich dachte, dass die meisten Motoren am Saisonbeginn schon standfest sein würden. Dem war offensichtlich nicht so."

Frage: "Gibt es denn einen Vorteil, wenn man einen frischen Motor einbauen darf?"
Heidfeld: "Ein frischer Motor hat normalerweise ein bisschen mehr Leistung und sollte natürlich auch besser halten als einer, der das zweite Rennen läuft."

Frage: "Fährt man am ersten Rennwochenende anders, wenn man weiß, das der Motor danach noch einen Grand Prix überstehen muss?"
Heidfeld: "Nein. Man versucht den Motor zu schonen wann immer es möglich ist - speziell von der Drehzahl im Rennen her. Gerade am Ende eines Rennens, wenn man sieht, dass nach vorne und hinten nichts mehr geht, nimmt man Drehzahl zurück."

Frage: "Habt ihr das am Nürburgring gemacht?"
Heidfeld: "Ja. Das gilt auch für Alonso und so weiter, die einen großen Vorsprung hatten und dann zurückfielen - nicht wegen ihrer Geschwindigkeit, sondern weil sie den Motor schonten."

Aerodynamische Neuerungen am F1.06

Frage: "Was erwartet ihr euch hier?"
Heidfeld: "Das kann man nicht genau sagen. Am besten schaut man sich die vergangenen paar Rennen an. Am Nürburgring hatten wir eine neue Motorenausbaustufe, hier jetzt eine Kleinigkeit an der Aerodynamik, an den Barge-Boards. Mal schauen, was das bringt."

"Barcelona ist auf das ganze Jahr gesehen die Strecke, die am deutlichsten eine gute Aerodynamik erfordert." Nick Heidfeld

Frage: "Aerodynamik ist hier mit am wichtigsten, oder?"
Heidfeld: "Barcelona ist auf das ganze Jahr gesehen die Strecke, die am deutlichsten eine gute Aerodynamik erfordert. Wir haben aber schon fünf Rennen hinter uns, daher glaube ich nicht, dass hier plötzlich ein Auto überraschend ganz weit vorne oder ganz weit hinten stehen wird, nur weil es eine Aerodynamikstrecke ist. Die Aerodynamik ist überall entscheidend."

Frage: "Was sagst du zum Thema Reifen und den Leistungen von Bridgestone?"
Heidfeld: "Sie haben schon deutlich aufgeholt, was man an Ferrari ganz deutlich sehen kann. Nach Imola habe ich ehrlich gesagt gedacht, dass es nur ein Strohfeuer wie im Vorjahr war. Ich hätte zwar nicht damit gerechnet, dass sie wieder ganz so stark zurückfallen, aber ich bin schon davon ausgegangen, dass Renault weiter gewinnen würde und vielleicht auch noch McLaren und Honda vor Ferrari sein könnten. Am Nürburgring haben sie aber gezeigt, dass sie wieder da sind. Da sie bei diesen zwei Rennen stark waren, gehe ich davon aus, dass sie auch für den Rest der Saison stark sein werden."

Frage: "Stimmt es, dass die Entwicklung der Michelin-Reifen wegen Renault und McLaren-Mercedes ein bisschen an euch vorbeiläuft?"
Heidfeld: "Ich glaube nicht, dass die Reifenentwicklung an uns vorbeiläuft, aber das ist ein Punkt, den ich mir genau angeschaut habe. Es kommt immer wieder vor, dass der eine Reifen dem einen Fahrer entgegenkommt und der andere dem anderen. Das ist ein Punkt, der auch eine Rolle spielen mag."

Frage: "Ist dir in den vergangenen Rennen etwas aufgefallen, wo ihr noch Defizite oder vielleicht auch Vorteile gegenüber anderen Teams habt?"
Heidfeld: "Ich hatte in den vergangenen zwei Rennen Balanceprobleme, daher bin ich einfach ein bisschen mehr herumgerutscht als die anderen. Was aber überraschend war, war, dass es am Nürburgring so wenig Überholmanöver gab."

Nicht einmal Montoya kam an Heidfeld vorbei

"Ich hatte am Anfang Montoya im eigentlich stärkeren Auto hinter mir, aber er hatte keine Chance, an mir vorbeizukommen, was auch damit zu tun hat, dass wir beim Topspeed ganz gut dabei sind. Selbst wenn er auf den Geraden mal nahe an mir dran war, reichte es für ihn nicht, um aus dem Windschatten heraus an mir vorbeizugehen. Da sind wir also gut dabei, glaube ich."

Nick Heidfeld vor Juan-Pablo Montoya

Nick Heidfeld hielt sich am Nürburgring lange vor Juan-Pablo Montoya Zoom

Frage: "Als Juan-Pablo Montoya hinter dir war, blockierten mehrere Male beim Anbremsen der ersten Kurve seine Vorderräder, so dass er nur noch einen halben Meter hinter dir war. Hat er auch während der Runde manchmal probiert, an dir vorbeizugehen?"
Heidfeld: "In Kurve eins war es tatsächlich manchmal so knapp, dass ich schon dachte, er würde mir hinten hineinrauschen. Da fuhr er ein paar Mal ein bisschen geradeaus. Klar, er wollte unbedingt vorbei, aber das ging halt nicht."

Frage: "Warum kann man jetzt auch auf Strecken wie dem Nürburgring nicht mehr überholen?"
Heidfeld: "Schwer zu sagen, aber ich denke schon, dass die ersten beiden Strecken - Bahrain und Malaysia - als neue Anlagen für Überholmanöver prädestiniert sind. Dort war es in den vergangenen Jahren schon immer besser. Dass es in Imola nicht klappt, war klar. Ich hätte am Nürburgring auch mit etwas mehr Überholmanövern gerechnet, aber da war ja fast gar nichts zu sehen. Ich glaube, Kimi (Räikkönen; Anm. d. Red.) ging am Anfang vor der Schikane an Rubens (Barrichello - eigentlich meint er aber Jenson Button; Anm. d. Red.) vorbei, aber sonst passierte eigentlich alles beim Boxenstopp. Das ist schade, das hätte ich nicht erwartet. Barcelona ist normalerweise auch eine Strecke, auf der sich nichts tut."

Frage: "Die ersten fünf Rennen sind vorbei, damit kennt ihr auch schon fast alle Streckentypen. Gibt es da einen speziellen Bereich - etwa schnelle Kurven, langsame Kurven, Topspeeds, Richtungswechsel und so weiter -, in dem ihr noch Zeit gutmachen müsst?"
Heidfeld: "Da fällt mir jetzt spontan nichts ein - bis auf die vergangenen zwei Rennen, aber da hat es für mich wie gesagt nicht gepasst. Von den Topspeeds her sind wir gut dabei, eher im oberen Bereich, und in allen anderen Bereichen müssen wir uns zwar verbessern, aber es sticht für mich kein Punkt heraus, in dem wir katastrophal schlecht sind. Bei den Starts sind wir normalerweise gut..."

Heidfeld mit den Starts des F1.06 zufrieden

Frage: "Speziell am Nürburgring, oder?"
Heidfeld: "Ja, aber eher wegen der ersten zwei Kurven. Der Start selbst, vom Auto her, war ausnahmsweise mal schlecht. Normalerweise ist das aber etwas, das wir sehr gut im Griff haben - wahrscheinlich noch nicht so gut wie Renault, aber bei den Starts gehören wir sicher zu den Topteams. Am Nürburgring konnte ich vier Konkurrenten überholen - eigentlich fast fünf, aber der Start war schlecht, wodurch Klien an mir vorbeiging. Aber: Die ersten beiden Kurven waren super, die letzten 63 Runden dann nicht mehr so..."

"Es überrascht mich auch, dass die Unterschiede von den Rundenzeiten so gering sind." Nick Heidfeld

Frage: "Wie ist dein Fazit nach fünf Rennen, was die neuen Regeln und speziell die neuen Motoren angeht? So richtig eingebremst wurdet ihr nicht..."
Heidfeld: "Es überrascht mich auch, dass die Unterschiede von den Rundenzeiten so gering sind. Damit hätte niemand gerechnet. Andererseits wären wir mit V10-Motoren dementsprechend noch schneller. Ich glaube schon, dass die Entscheidung richtig war."

Frage: "Liegt es auch an den weicheren Reifen, dass die Zeiten schon wieder so schnell sind?"
Heidfeld: "Die Reifen wurden mit Sicherheit - wie jedes Jahr - besser, aber auch der V8-Motor wird weiterentwickelt und die Aerodynamik ja auch. Durch das V8-Konzept ist die Aerodynamik automatisch schon mal besser, aber wie gesagt: Es ist schon unerwartet, dass die Zeiten so ähnlich sind und die Geschwindigkeiten in den Kurven so viel höher. Die Topspeeds am Ende der Geraden sind viel geringer, aber das hat nicht ausreichend Anteil, um die Rundenzeiten viel langsamer zu machen."

Frage: "Du hast zu Beginn des Jahres gesagt, dass das Fahren in den Kurven jetzt mehr Spaß macht. Siehst du das noch immer so?"
Heidfeld: "Als Fahrer will man immer schneller fahren, von daher ist es mit ein bisschen mehr Speed schon schöner. Andererseits hatte man früher mit mehr Power beim Herausbeschleunigen aus den langsamen Kurven etwas mehr zu kämpfen. Leider haben wir ja die Traktionskontrolle. Ich hoffe, dass die irgendwann mal wegfällt."

Würde die Traktionskontrolle wirklich etwas verändern?

Frage: "Würde das die Fahrer wieder mehr fordern?"
Heidfeld: "Schon, nur: Wir haben ja gesehen, wie es vor ein paar Jahren war, als die Traktionskontrolle eingeführt wurde. Ich gehe davon aus, dass die Topfahrer nach wie vor top wären und die langsamen nach wie vor langsam, aber die Unterschiede wären vielleicht größer - vor allem im Regen."

"Bei den ersten Tests wird es da sicher einige lustige Momente geben." Nick Heidfeld

Frage: "Könnten die jungen Piloten, die die Formel 1 nur mit Traktionskontrolle kennen, überhaupt noch anders fahren?"
Heidfeld: "Sie hatten ja in den anderen Serien keine Traktionskontrolle, also ist es für sie nicht so lange her. Andererseits hatten sie noch nie so viel Power unterm Arsch, wie man so schön sagt. Ich glaube, dass es am Anfang für alle eine Umgewöhnung sein wird, aber wenn es dann hoffentlich einmal so weit ist, werden wir im Winter ja Zeit zum Umgewöhnen haben. Bei den ersten Tests wird es da sicher einige lustige Momente geben."

Frage: "Euer Team befindet sich noch im Aufbau. Inwieweit läuft da schon alles rund?"
Heidfeld: "Ich finde, dass es schon sehr rund läuft, aber offensichtlich gibt es immer wieder neue Leute, die noch dazukommen. Davon bekomme ich aber - außer von Erzählungen - nicht viel mit. Ich sehe in erster Linie das, was bei den Rennen und Tests passiert, nicht so sehr das, was in der Firma vor sich geht. Aber in meinen Augen läuft eigentlich von Anfang an alles recht rund. Es läuft gut."

Frage: "Man merkt im Vergleich zu früheren Jahren schon, dass jetzt mehr Power dahinter steckt..."
Heidfeld: "Ja. Das hat man schon beim Bau des neuen Autos gemerkt, auch wenn es noch die alten Leute waren, denn die alten Leute konnten auch schon mehr ans Limit gehen als früher. Ich habe mich mal mit dem Ingenieur unterhalten, der für das Design der Frontpartie verantwortlich ist, und der sagte mir: 'Bei Sauber war es so, dass wir eine Nase genommen haben, sobald sie durch den Crashtest war, und bei BMW ist es jetzt so, dass sie dann wohl noch zu schwer sein muss.' In solchen Sachen sind sie mehr ans Limit gegangen. Das ist aber nur ein Beispiel."