Heidfeld-Interview: "Es kommt auf Robert an"

Nick Heidfeld im Interview: Warum ihn seine derzeitige Situation an 2008 erinnert und welche Perspektiven er sich nach der Formel 1 vorstellen kann

(Motorsport-Total.com) - Nick Heidfelds Formel-1-Karriere schien schon beendet zu sein, doch durch den schweren Rallye-Unfall von Robert Kubica im Februar ging unerwartet bei Renault eine Tür auf. Als der Mönchengladbacher dann auch noch schon beim zweiten Saisonrennen in Malaysia auf dem Podium stand, schien seine Welt in Ordnung zu sein.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Für Nick Heidfeld wird es nicht einfach, wieder ein Grand-Prix-Cockpit zu finden

Doch seither hat Renault extrem an Performance eingebüßt und obendrein ist der 34-Jährige auch noch teamintern ins Hintertreffen geraten: Im Qualifying-Duell steht es 3:8 für Witali Petrow, selbst in den Rennen hat Heidfeld nur knapp mit 34:32 die Oberhand. Das führte in den vergangenen Wochen zu öffentlicher Kritik durch Teamchef Eric Boullier: "Wir hatten uns mehr von Nick erwartet." Darüber und über mögliche Alternativen zur Formel 1 spricht Heidfeld im Interview mit 'Motorsport-Total.com'.

Hoffen auf Fortschritte

Frage: "Nick, mit vier Wochen steht die bisher längste Sommerpause vor der Tür. Bist du froh, dass du jetzt mal abschalten kannst, wo es nicht so gut läuft, oder bist du enttäuscht, weil du so lange warten musst, um es wieder zu probieren?"
Nick Heidfeld: "Ich glaube, die Pause ist für die Teams wichtiger. Es ist zwar schön, ein bisschen Urlaub zu haben, aber für mich ist es jetzt nicht so stressig, dass ich sage, ich brauche die Pause. Ich hoffe eher, dass wir die vier Wochen gut nutzen können, um dann in Spa einen Fortschritt zu erzielen. Das ist das Entscheidende. Es gibt eine gewisse Zeit, in der das Team nicht arbeiten darf, trotzdem wird's recht lang. Wir haben einiges in der Pipeline. Damit geht's hoffentlich wieder vorwärts."

Frage: "Kann man davon ausgehen, dass ihr ab Spa-Francorchamps mit dem konventionellen Heck-Auspuffsystem fahren werdet?"
Heidfeld: "Weiß ich momentan noch nicht."

¿pbvin|512|3933||0|1pb¿Frage: "Im Qualifying in Budapest warst du im entscheidenden Moment wieder um zwei Zehntelsekunden langsamer als dein Teamkollege. Wie erklärst du dir, dass Witali Petrow im Qualifying anscheinend besser zurechtkommt als du?"
Heidfeld: "Ich war zwei Zehntel hinter meinem Teamkollegen, das ist kein Drama. Natürlich will auch ich immer vor Witali stehen, aber der hat es halt einfach besser hinbekommen. Es gibt immer Gründe - ob ein Fehler hier gemacht wurde oder da, ob das Setup nicht gepasst hat. Das Entscheidende ist am Schluss das Resultat, aber auch das Resultat im Rennen. Wenn es auf die Punkte ankommt, sehe ich besser aus, aber nichtsdestotrotz ist es natürlich mein Ziel, auch im Qualifying das Maximum herauszuholen. Daran arbeite ich."

Frage: "Die Situation erinnert an 2008 bei BMW, wo es mit Robert Kubica komplett gedreht hat, nachdem du ihn 2007 noch im Griff hattest. Damals waren die Reifen das Thema. Kann man das vergleichen oder sind es jetzt ganz andere technische Gründe?"
Heidfeld: "Ich glaube, man kann tendenziell schon sagen: Seitdem wir Einheitsreifen haben und dadurch eher härtere Reifen mit weniger Grip bekommen, tue ich mich ein bisschen schwerer. Das soll aber keine Ausrede sein, denn das ist mein Problem, an dem ich arbeite. Du sprichst 2008 an, als ich Anfang des Jahres auch Probleme hatte. Wenn man sich aber die zweite Saisonhälfte anschaut, habe ich es eigentlich geschafft, das wieder umzudrehen. Man muss einfach versuchen, sich da zu steigern."

Weniger Grip schadet Heidfeld

Frage: "Ist es nicht eine Ironie des Schicksals, dass der Reifen, den du selbst mitentwickelt hast, dir jetzt solche Probleme bereitet?"
Heidfeld: "Nein. Es ist halt so, wie es ist. Ich denke, Pirelli hat für die kurze Zeit, die sie hatten, um den Reifen zu entwickelt, einen guten Job gemacht. Solange keine Competition da ist in der Formel 1, werden die Reifen nie auf dem allerletzten Stand sein und nie ganz so viel Grip geben wie während eines Reifenkriegs."

Frage: "Als du im Vorjahr bei Sauber eingesprungen bist, hast du in den ersten Medienrunden gesagt, dass es auch hätte klug sein können, Pirelli-Testfahrer zu bleiben und den Reifen für 2011 zu entwickeln, um das als Joker für Vertragsverhandlungen im Ärmel zu haben. Wie siehst du das jetzt mit ein bisschen Abstand?"
Heidfeld: "Es war eine schwierige Entscheidung, aber die richtige. Wir haben schon damals mit Eric (Boullier, Renault-Teamchef; Anm. d. Red.) gesprochen, obwohl da noch Robert und Witali gefahren sind. Ich wusste, dass es für Eric nicht unwichtig ist, dass ich Rennen fahre. Ich hatte den Eindruck, es sei das Beste, sowohl Pirelli-Erfahrung zu sammeln als auch wieder zu Renneinsätzen zu kommen. So konnte ich beides abdecken."

Frage: "Siehst du Renault im Moment als deine beste Chance an, in der Formel 1 zu bleiben?"
Heidfeld: "Schwer zu sagen. Bei einigen Teams ist die Tür schon zu. Hier bei Renault kommt es mit Sicherheit stark drauf an, was bei Robert passiert, ob er eine schnelle Genesung hat. Nach allem, was ich weiß, hat Witali einen festen Vertrag für nächstes Jahr, also kommt es auf Robert an. Da muss ich einen guten Job machen, um eine Möglichkeit zu haben, im Team zu bleiben. Wenn das nicht der Fall ist, dann werde ich schauen, dass ich woanders einen Platz bekomme."

Nick Heidfeld

Nach dem spektakulären Feuer in Budapest steht die Sommerpause bevor Zoom

Frage: "Für deine Position wäre es nicht das Schlechteste, wenn Romain Grosjean in der GP2 nicht ein Rennen nach dem anderen gewinnt..."
Heidfeld: "Das ist etwas, was nichts bringt. Wenn man sich die GP2-Rennen anguckt, muss man ganz einfach sagen, dass Grosjean dieses Jahr einen guten Job macht. Er war schon mal in der Formel 1, hat sich damals schwer getan. Jetzt hat er mit Sicherheit mehr Erfahrung. Ist eh nicht meine Entscheidung. Ich muss auf der Strecke das tun, was ich kann, mit dem Team gut arbeiten, möglichst viele Punkte rausholen, was ich glaube ich mache, und dann das Qualifying perfektionieren. Mehr kann ich nicht machen."

DTM hat nicht höchste Priorität

Frage: "Eric Boullier hat sich in letzter Zeit mehrmals sehr kritisch über dich geäußert. Am Donnerstag hast du angekündigt, dass du darüber mit ihm sprechen wirst. Seid ihr schon dazu gekommen?"
Heidfeld: "Nein. Spätestens in der Sommerpause."

Frage: "Denken wir mal über die Grenzen der Formel 1 hinweg. Deine alten Freunde von BMW gehen 2012 in die DTM. Ist das ein Thema, das dich reizen könnte?"
Heidfeld: "Das ist nichts, was ich im Moment ganz oben auf meiner Prioritätenliste habe - da ist ganz klar die Formel 1 im Vordergrund."

Frage: "Notfalls auch bei einem der kleineren Teams, sprich Lotus, HRT, Marussia-Virgin?"
Heidfeld: "Muss man schauen. Ich möchte im Moment nicht ins Detail gehen, was meine Optionen und Ziele sind."

Frage: "Angenommen es klappt nicht mit einem Formel-1-Vertrag, was würden deine Verlobte Patricia und die Kinder dazu sagen, dass der Papa mehr zu Hause ist? Selbst in der DTM wäre der Reisestress ja deutlich geringer..."
Heidfeld: "Die würden sich mit Sicherheit freuen, wenn ich mehr zu Hause bin. Ob das der Fall sein wird, ist die andere Frage. Auf der anderen Seite weiß sowohl meine Freundin wie mittlerweile auch die Kinder, wie wichtig mir der Motorsport ist. Die wünschen mir schon Glück, dass ich einen guten Platz finde."


Fotos: Nick Heidfeld, Großer Preis von Ungarn, Sonntag


Frage: "Du bist kunstinteressiert, sammelst Oldtimer, hörst Musik - es gibt genügend Themen, mit denen du dich mit mehr Freizeit auseinandersetzen könntest. Fängt das in deinem Alter schon ein bisschen an oder hast du Angst, dass du in ein Loch fallen könntest, wenn der Motorsport einmal weg ist?"
Heidfeld: "Ich habe keine Angst, dass ich in ein Loch fallen werde, aber wie es tatsächlich wird, weiß ich nicht. Es gibt ja auch noch andere Serien als die Formel 1. Ob ich gar keinen Motorsport mehr machen würde, weiß ich nicht - die Formel 1 genießt natürlich eine Sonderstellung. Ich glaube, dass ich andere Interessen und Ideen habe, etwas zu machen, aber es ist halt nichts vergleichbar mit der Formel 1. Das andere macht mir auch alles Spaß, aber Motorsport und Formel 1 sind mein Leben. Das andere läuft nebenher mit, aber das kann man nicht vergleichen."