• 10.03.2010 15:14

Haug-Interview: "Ins Träumen geraten wir nicht"

Norbert Haug über das deutsche Mercedes-Nationalteam, die Ziele der beiden Fahrer und das Engagement seines Unternehmens in der Formel 1

(Motorsport-Total.com/SID) - Ein Silberpfeil-Team mit Michael Schumacher, Nico Rosberg und Ross Brawn am Kommandostand - für Mercedes-Sportchef Norbert Haug wird der Saisonstart der Formel 1 ein ganz besonderes Rennen. "Ins Träumen geraten wir deshalb aber nicht", sagt Haug im Interview. Allerdings sieht der Schwabe in dieser Konstellation eine ganz neue Herausforderung, denn das Ziel der deutschen Formel-1-Nationalmannschaft ist ganz klar der WM-Titel.

Titel-Bild zur News: Norbert Haug

Norbert Haug steht vor einer der wichtigsten Saisons seiner Karriere

Frage: "Herr Haug, seit Ende der vorigen Saison hat sich bei Mercedes viel verändert: ein eigenes Silberpfeil-Team mit Ross Brawn als Teamchef, Nico Rosberg als erster deutscher Fahrer seit 1955 und dann als I-Tüpfelchen noch das Comeback von Michael Schumacher. Muss Ihre Frau Sie manchmal kneifen, damit Sie wissen, dass das alles nicht nur ein Traum ist?"
Norbert Haug: "Es ist in der Tat eine ganz neue Herausforderung, der wir uns stellen - ins Träumen geraten wir deshalb aber nicht. Wir stehen vor einer extrem harten Saison und freuen uns auf diese."#w1#

Keine völlige Umstellung

Frage: "Was ist das für ein Gefühl, alle Entscheidungen im Team selber treffen zu können?"
Haug: "Wir konnten auch in unserer bisherigen Konstellation Entscheidungen treffen. Wir haben mit McLaren seit 1998 vier Weltmeistertitel gewonnen, sind zehnmal Vizeweltmeister geworden und haben 60 von 223 Rennen gewonnen - ohne richtige Entscheidungen von uns wäre das nicht möglich gewesen."

Frage: "Wie gestaltet sich die Arbeit mit Ross Brawn? Trägt er seinen Spitznamen 'Superhirn' zurecht?"
Haug: "Wir arbeiten sehr kooperativ zusammen - Ross hat sich diesen Beinamen nicht ausgesucht. Er ist clever, konzentriert und durchblickend."

Frage: "Was hat Michael Schumacher in den ersten Wochen des Jahres schon ins Team eingebracht?"
Haug: "Michael ist mit jeder Faser konstruktiv-kritisch und wirkt rundherum motivierend. Er hängt nie den Star raus, sondern ist Teamplayer durch und durch."

¿pbvin|512|2397||0|1pb¿Frage: "Was erwarten Sie von ihm auf der Strecke? Ist er trotz seiner 41 Jahre in der Lage, noch einmal Weltmeister zu werden?"
Haug: "Michael wird gewinnen, wenn wir ihm dazu das richtige Auto geben. Gleiches erwarte ich von Nico Rosberg, und das traue ich ihm auch zu."

Frage: "Fast alle Fahrer freuen sich, wieder gegen Schumacher antreten zu dürfen. Button, Hamilton, Alonso, Massa, Webber, Vettel - alle wollen ihn schlagen. Wird es vielleicht die schwierigste Saison seiner Karriere?"
Haug: "Weltmeister in der Formel 1 zu werden, war noch nie im Spaziertempo möglich. Ich habe bisher keine Saison erlebt, die nicht noch anspruchsvoller als die vorausgegangene gewesen wäre."

Frage: "Ist Schumacher der Gejagte oder vielleicht eher der Jäger?"
Haug: "Er ist der Gejagte, wenn unser Auto besser ist als alle anderen, und wir werden so lange jagen, bis das der Fall sein wird."

Harmonie unter den beiden Fahrern

Frage: "Haben Sie Befürchtungen, dass Schumacher doch noch einmal Probleme mit seinem Nacken bekommen könnte?"
Haug: "Nein."

Frage: "Was kann Nico Rosberg von Schumacher lernen?"
Haug: "Michael hat enorm viel Erfahrung und Nico ist ein großes Talent - allerdings mittlerweile auch schon mit vier Jahren Formel-1-Erfahrung. Eine gute Konstellation, bei der sich beide Fahrer ergänzen."

Frage: "Ist das Duell mit Schumacher entscheidend für Rosbergs weitere Karriere?"
Haug: "Michael als Teamkollegen zu haben, ist eine Traumkonstellation für Nico. Wer vorankommen will, muss sich mit den Besten messen, und Nico will vorankommen und kann sich dabei sogar mit dem Allerbesten und Erfolgreichsten messen."

Frage: "Wen sehen Sie als schärfte Rivalen auf der Strecke: Ferrari, McLaren oder Red Bull mit Sebastian Vettel?"
Haug: "Es gibt mindestens zwei Hände voll Fahrer, die Rennen gewinnen können - deshalb haben wir alle im Team auch alle Hände voll zu tun."


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Bahrain


Frage: "Angeblich hätten Sie Vettel auch gerne verpflichtet. Stimmt das?"
Haug: "Wir hatten mit Sebastian geredet, aber er war vertraglich verpflichtet. Wir hatten auch schon vor Jahren mit Nico geredet und er war damals verpflichtet. Wir sind sehr zufrieden mit unserer Fahrerwahl."

Frage: "Ihr Chef Dieter Zetsche hat den WM-Titel als Ziel ausgegeben. Wie gehen Sie mit diesem Druck und diesem Anspruch um?"
Haug: "Wir machen uns den nötigen positiven Druck im Team und wir wollen alle das Eine: Rennen und Titel gewinnen. Dass dies in einer neuen Konstellation wie unserer nicht auf Anhieb klappen muss, weiß man, wenn man die enorme Wettbewerbsdichte der Formel 1 richtig einschätzt."

Keine Angst vor dem Erwartungsdruck

Frage: "Durch Schumacher steht Ihr Team jetzt weltweit im Blickpunkt. Haben Sie Angst, dass dieser Schuss im Falle eines Misserfolges vielleicht nach hinten losgeht?"
Haug: "Wer zaudert, ist in der Formel 1 schlecht aufgehoben. Wir freuen uns sehr auf unsere Aufgaben und die damit einhergehenden enormen Herausforderungen."

Frage: "Zetsche hat auch von der deutschen Nationalmannschaft der Formel 1 gesprochen. Sind Sie stolz darauf, ein deutsches Team mit deutschen Fahrern zu haben?"
Haug: "Das zeigt nur, wie groß die Klasse deutscher Fahrer mittlerweile ist. Wir wählten die besten für uns verfügbaren Fahrer. Der Pass war dabei kein Kriterium - aber es ist natürlich erfreulich, dass beide deutsch sind."

Frage: "BMW und Toyota sind aus der Formel 1 ausgestiegen, Renault ist noch da, hat aber die Mehrheit an seinem Team verkauft. Warum geht Mercedes genau den anderen Weg und intensiviert sein Engagement in der Königsklasse?"
Haug: "Mercedes-Benz war sehr erfolgreich in der Formel 1 - wie bereits ausgeführt. Das war bei den Konkurrenten, die Ende letzten Jahres ausgestiegen sind - bei allem Respekt vor den gezeigten Leistungen -, anders."

"Mercedes war sehr erfolgreich in der Formel 1. Das war bei den Konkurrenten anders." Norbert Haug

"Wir haben unser Budget für die nächsten Jahre um über 60 Prozent im Vergleich zum Höchststand 2005 gesenkt. Ohne einen vernünftigen Kostenrahmen wäre unser Formel-1-Engagement nicht möglich. Unser Preis/Leistungs-Verhältnis hat auch bei unserem Formel-1-Engagement immer gestimmt."

Frage: "Aus Teilen des Betriebsrates kommt immer mal wieder Kritik an den Ausgaben. Was entgegnen Sie diesen Mitarbeitern?"
Haug: "Hier gab es wohl ein Informationsdefizit. Es gibt viel mehr Mitarbeiter, die den positiven Effekt unseres Auftritts auf der wichtigsten weltweiten automobilsportlichen Bühne preisen und stolz darauf sind, als solche, die kritisieren. Aber auch hier ist es wohl wie bei den Leserbriefen: Die negativen fallen mehr auf. Richtiger werden sie dadurch aber nicht."

Frage: "Kann man vielleicht in absehbarer Zeit sogar mit der Formel 1 Geld verdienen? Und wie wertvoll ist Michael Schumacher als Werbeträger und Repräsentant des Unternehmens?"
Haug: "Wir sind mit sehr vernünftigem Mitteleinsatz unterwegs und sehr zufrieden mit den begeisterten weltweiten Medienresultaten der letzten vier Monate. Michael Schumacher hat dabei eine wichtige Rolle gespielt, aber Nico und das ganze Team auch."