• 27.03.2011 14:13

  • von Dieter Rencken

Hamilton: "Wir dürfen stolz sein"

McLaren-Fahrer Lewis Hamilton ist überaus angetan von seinem zweiten Platz in Australien und prophezeit Red Bull einen heißen Tanz in der WM

(Motorsport-Total.com) - Wie Phönix aus der Asche: Nach den Testfahrten galt McLaren nicht unbedingt als ein Kandidat für das Podium der Formel 1, doch im Verlauf des ersten Wochenendes mauserte sich das britische Traditionsteam einmal mehr zu einem Titelfavoriten. Vor allem Lewis Hamilton wusste zu überzeugen und ließ dem zweiten Startplatz auch einen zweiten Rang im Rennen folgen. In der Pressekonferenz gibt der Ex-Champion ausführlich Auskunft zu seinen Eindrücken vom Albert Park Circuit.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Lewis Hamilton brachte seinen McLaren als Zweiter ins Ziel von Melbourne 2011

Frage: "Lewis, wie zufrieden bist du mit dem zweiten Platz? Vor einem Monat war dein Team beim Testen noch eher im Nirgendwo als in der Nähe des Podiums..."
Lewis Hamilton: "Ich denke, wir dürfen sehr stolz sein auf dieses Ergebnis. Noch vor einer Woche hätten wir nicht gedacht, auch nur in die Nähe der Top 5 zu gelangen. Und nun stehen wir hier mit einem zweiten Platz."

"Das Auto war sehr zuverlässig. So lange hat es noch nie durchgehalten. Das ist eine gute Leistung unserer Jungs. Im Rennen holten wir auf Sebastian auf. Wir können noch etwas an unserer Strategie arbeiten. Insgesamt scheinen wir ein gutes Tempo zu haben. Ich freue mich schon auf die kommenden Rennen."

Frage: "Es war ein schwieriges Rennen für dich - unter schwierigen Bedingungen. Dein Auto hatte eine Beschädigung, die dich sicherlich behinderte..."
Hamilton: "Ja. Ich weiß noch nicht genau, was im Einzelnen passiert ist, doch es war nicht so schlimm, wie es vielleicht ausgesehen hat. Man könnte das Teil aber hochheben und es flatterte."

"Wenn es während der Fahrt den Boden berührte, brachte es vermutlich den gesamten Luftstrom durcheinander. Hin und wieder hatte ich deswegen reichlich Übersteuern. Auf der Bremse war das Auto recht instabil. Was es verursacht hat, weiß ich nicht. Vielleicht war es mein Ausritt, vielleicht waren es irgendwelche Trümmer."

"Auf der Bremse war das Auto recht instabil." Lewis Hamilton

"Wir werden uns das ansehen. Es gelang mir jedenfalls, das Fahrzeug ins Ziel zu bringen. Zum Schluss rettete ich das Auto einfach nur über die Distanz. Ich denke, es ist ein richtig großartiges Ergebnis. Den Jungs in der Fabrik muss man ein unheimlich großes Lob aussprechen. Das Fahrzeug war klasse zu fahren. Es hat mir viel Spaß gemacht."

Woking schuftet für den Saisonauftakt

"Über weite Strecken konnte ich meine Reifen schonen und konnte Sebastian Vettel schon so früh in dieser Saison unter Druck setzen. Mein Rennen war aber recht einsam. Ich hielt meine Position und den Abstand zu Sebastian konstant. Das war einfach. Ich holte sogar auf ihn auf, doch beim Boxenstopp fiel ich wieder etwas zurück. Das war etwas enttäuschend, zumal der Abstand danach zu groß war."

"Wir hatten aber nur eineinhalb bis zwei Wochen Zeit, um dieses Update an den Start zu bringen. Ich freue mich schon darauf, zu sehen, was meine Jungs in den kommenden Wochen entwickeln. Ich hoffe, sie geben weiterhin Vollgas. Das werden sie tun. Hoffentlich können wir Red Bull in den kommenden Rennen dann richtig herausfordern."

Frage: "Du hast die jüngsten Neuerungen angesprochen. Du scheinst fast ein komplett neues Auto zu haben. Wie sehr mussten sich die Jungs in der Fabrik ins Zeug legen?"
Hamilton: "Das Werk steht immer unter großem Druck, neue Dinge zu entwickeln und neue Teile zu bauen. Sie sollen möglichst viele Updates entwerfen."

"Das Werk steht immer unter großem Druck, neue Dinge zu entwickeln." Lewis Hamilton

"Dieses jüngste Paket war aber eine richtig große Aufgabe. Unsere Jungs sind Profis und setzten sich sehr genau damit auseinander. Prompt hatten wir hier ein großartiges Paket zur Verfügung. Das Fahrzeug sah nicht nur gut aus, es ließ sich auch toll fahren. Ich bin sehr zufrieden und überaus dankbar für diesen Einsatz."

"Ich kann es kaum erwarten, die nächsten Neuerungen zu sehen. Körperlich gesehen war das eines der einfachsten Rennen überhaupt für mich, denn ich reiste fitter denn je zum Saisonauftakt. Ich freue mich schon auf Malaysia. Das ist möglicherweise der härteste Grand Prix des Jahres. Hoffentlich haben wir dort ein noch besseres Auto und können damit vielleicht sogar nach dem Sieg greifen."

Frage: "Rechnest du damit, dass die Schäden an deinem Fahrzeug bei der technischen Kontrolle irgendwie beanstandet werden könnten?"
Hamilton: "Das Auto ist recht übel zugerichtet. Das ist zumindest mein Eindruck von einem flüchtigen Blick. Ich weiß aber nicht, was das im Hinblick auf die Abnahme bedeuten könnte. Diese Jungs sind dazu da, um die Regeln zu überwachen. Mein Auto wurde aber bei einem Ausritt in Mitleidenschaft gezogen. Ich denke, das geht in Ordnung."¿pbvin|512|3553|inside|0|1pb¿

Hamilton verteidigt Platz zwei am Start

Frage: "Sprechen wir über Kurve eins: Es schien ziemlich eng herzugehen zwischen dir und Mark Webber..."
Hamilton: "Nicht wirklich. Ich hatte einen bescheidenen Start mit durchdrehenden Rädern und er war gleich neben mir. Ich nutzte KERS und zog wieder gleich. Er ließ mir viel Raum, es war ein faires Duell. Letztendlich lag ich vorne. Sonderlich kompliziert war das nicht."

"Ich würde sagen: Es war Schadensbegrenzung. Sebastian war da schon auf und davon, doch diese Lücke konnte ich später wieder schließen. Ich war überrascht: Alle anderen konnten nicht mithalten. Ich freute mich sehr darüber, das Tempo von Sebastian fast mitgehen zu können. Das hatten wir so nicht unbedingt erwartet."

"Ich war überrascht: Alle anderen konnten nicht mithalten." Lewis Hamilton

Frage: "Bereitete dir die schmutzige Linie am Start etwas Probleme? Es hatte den Anschein, dass dadurch dein Vorteil durch KERS wieder zunichte gemacht wurde..."
Hamilton: "Das weiß ich nicht. Ich müsste mir das genau ansehen. Ich weiß nicht, ob das so viel ausgemacht hat. Sicher hatte die schmutzige Seite einen gewissen Einfluss. Die Jungs hinter mir hatten auch einen besseren Start - zumindest sah ich, wie Jenson besser loskam als ich. Ob das an mir lag, kein Ahnung."

"Fest steht aber: Ich hatte reichlich durchdrehende Räder. Mir war vorher gesagt worden, die Einstellungen an der Kupplung zu verändern. Vielleicht war sie nun zu aggressiv eingestellt. Danach versuchte ich einfach nur, den schlechten Start wettzumachen. KERS half mir. Ohne dieses System hätte ich meinen Platz an Mark und vielleicht auch an Jenson verloren."

Die Strategie ist entscheidend

Frage: "Über einige Runden hinweg konntest du ein sehr gutes Tempo halten, danach schien deine Geschwindigkeit etwas abzufallen..."
Hamilton: "Unsere Geschwindigkeit war heute insgesamt sehr gut, denke ich. Man sagt mir immer nach, dass ich einen sehr aggressiven Fahrstil hätte, doch in Melbourne stellte ich unter Beweis, dass es nicht so ist."

"Ich kümmerte mich sogar besser um meine Reifen als mein Nebensitzer hier (Vettel; Anm. d. Red.). Ich konnte attackieren. Im ersten Stint wären für mich noch einige weitere Runden möglich gewesen. Ich kam nur an die Box, weil man heutzutage ja etwas versuchen muss. Vor ihnen zum Reifenwechsel abzubiegen, ist immer das Beste."

"Ich kam nur an die Box, weil man heutzutage ja etwas versuchen muss." Lewis Hamilton

"Wenn die Konkurrenz aber vor dir hereinkommt, musst du sofort nachziehen, um deine Position zu verteidigen. Die Reifen waren klasse und die Jungs leisteten gute Arbeit bei den Boxenstopps. Darauf können wir aufbauen. Wir haben jetzt ein viel besseres Verständnis vom Auto, den Reifen und der Strategie."

Frage: "Wie haben sich die Pirelli-Reifen bei dir verhalten? Vor dem Wochenende gab es Bedenken, nun konnte man sogar eine Einstopp-Strategie beobachten..."
Hamilton: "Die Reifen waren fantastisch. Als wir hier ankamen, rechneten wir mit bis zu vier Reifenwechseln. Im Rennen waren es schließlich nur zwei Boxenstopps."

"Man hätte es auf die Spitze treiben und nur einmal hereinkommen können, sofern man das gewollt hätte. Ganz vorne, wo die schnellsten Autos zu finden sind, konzentriert man sich aber eher auf das Tempo, das in den Fahrzeugen steckt."


Fotos: Lewis Hamilton, Großer Preis von Australien


Hamilton ist sehr angetan von Pirelli

Frage: "Gab es große Unterschiede bei den beiden Reifenmischungen?"
Hamilton: "Nicht wirklich. Für mich waren sie ziemlich ähnlich. Bei den Vorderreifen gibt es immer geringe Unterschiede, doch ich hatte insgesamt das Gefühl, als hätte man komplett neue Reifen hierher gebracht. Sie verhielten sich einfach fantastisch. Ähnlich, wenn nicht sogar besser als die Pneus, welche ich in der Vergangenheit probieren konnte."

"Die Pirelli-Reifen waren sehr konstant und das Graining war überhaupt nicht in dem Bereich wie in Barcelona. Wir haben jetzt aber auch mehr Abtrieb. Das hat sicherlich dazu beigetragen. Man sieht nicht mehr so viel Abrieb neben der Ideallinie herumliegen. Es gibt noch immer solche Gummiwürste, aber so schlimm, wie zuletzt in Barcelona, ist es nicht annähernd."

Frage: "Dies war das erste Rennen mit dem verstellbaren Heckflügel. Wie hat sich dieses System im Einsatz bewährt? Fällt die Bedienung leicht?"
Hamilton: "Ich nutzte das System nur einmal und konnte mir nicht wirklich einen Eindruck davon verschaffen. Es ist einfach handzuhaben. Ich verwendete es nur einmal, um am Ende des Rennens an einem Hinterbänkler vorbeizugehen. Ich war aber zu weit weg. Ein riesiger Vorteil war es nicht."

"Die Pirelli-Reifen waren sehr konstant." Lewis Hamilton

Frage: "Was versprichst du dir vom Rennen in Malaysia? Denkst du, dein Auto könnte dort ebenfalls gut funktionieren?"
Hamilton: "Ja. Ich weiß, dass unser Fahrzeug ab sofort auf jeder Rennstrecke im Kalender funktionieren wird. Mit diesem Paket kann es nur voran gehen. Meine Jungs und ich wissen genau, wo wir noch mehr herausholen können. Wir versuchen nun einfach, diese Bereiche wie ein Schwamm aufzusaugen und die entsprechende Leistung auf das Auto zu packen."

"Ich bin recht zuversichtlich, was das Rennen in Malaysia anbelangt. Wir waren in meinen Augen schon in Melbourne konkurrenzfähig genug, um zu siegen. Hätten wir keinen derart schlechten Start erwischt, wären wir sicherlich in einer besseren Ausgangsposition gewesen. Das stimmt mich optimistisch."

McLaren bläst zum Angriff auf Red Bull

Frage: "Liegt Red Bull im Augenblick vorne?"
Hamilton: "So ist es, denke ich. Sie haben einen kleinen Vorsprung. Ich bin aber überzeugt davon: Wir können diese Lücke schließen. Für uns ist schon einmal positiv zu vermerken: Sie haben Probleme mit KERS. So sieht es zumindest aus."

"Wir haben keinerlei Schwierigkeiten damit. Wenn wir erstmal das Defizit beim Abtrieb wettgemacht haben, wird sich der Vorteil von KERS bemerkbar machen. Vielleicht stehen sie sogar mehr unter Druck als wir. Das ist doch gut. Wenn sie KERS im Auto hätten, würden wir vielleicht eine Sekunde zurückliegen. Diese Lücke sollten wir ziemlich rasch schließen können."

Frage: "Red-Bull-Teamchef Christian Horner bestätigt, dass sie KERS an diesem Wochenende überhaupt nicht im Einsatz hatten. Wie beeindruckend macht das die Leistung von Sebastian?"
Hamilton: "Das unterstreicht in meinen Augen, dass sie ein fantastisches Auto haben - wie schon in den vergangenen eineinhalb Jahren. Seit dem Saisonende 2009 war ihr Fahrzeug das Beste im Feld. Sie liegen auch weiterhin vorne. Am meisten beeindruckt mich aber unsere eigene Leistung."

"Wir hatten schließlich ein Auto, das beim Testen rund zwei Sekunden zu langsam war. Hier in der Qualifikation war es etwa eine Sekunde und im Rennen waren wir ähnlich unterwegs. In der Formel 1 sieht man nur selten derart große Leistungssprünge. Ich fühle mich privilegiert, hier zu sein, denn uns schien ein rabenschwarzes Wochenende ins Haus zu stehen."

"Uns schien ein rabenschwarzes Wochenende ins Haus zu stehen..." Lewis Hamilton

"Ich bin wieder hier, kämpfe und liege nur wenige Punkte hinter dem Burschen in einem deutlich schnelleren Auto zurück. Wir werden diese Lücke aber schließen. Daran habe ich keine Zweifel. Wir stellten im ersten Stint unter Beweis, dass wir es im Rennen mit ihnen aufnehmen können. Jetzt müssen wir uns an die Spitze und unsere Rivalen unter Druck setzen."