• 11.07.2010 20:14

  • von Dieter Rencken

Hamilton: "Jede Runde wie im Qualifying"

Interview nach dem Rennen: Mit Platz zwei in Silverstone ist Lewis Hamilton hochzufrieden, denn vom Speed her war McLaren nicht auf der Höhe

(Motorsport-Total.com) - Nur zu gerne hätte McLaren-Pilot Lewis Hamilton seinen Heim-Grand-Prix in Silverstone zum zweiten Mal nach 2008 gewonnen, doch obwohl er am Start Fernando Alonso und Sebastian Vettel überholt hat, reichte es schlussendlich nur zu Platz zwei hinter Mark Webber. Damit ist der britische Lokalmatador aber sehr zufrieden, wie er im Interview verrät.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Auch ohne Heimsieg in Silverstone ist Lewis Hamilton überglücklich

Frage: "Lewis, du führst immer noch die Weltmeisterschaft an. Findest du, dass das nach all den Problemen mit dem Auto an diesem Wochenende ein Wunderergebnis ist?"
Lewis Hamilton: "Ich glaube nicht, dass es ein Wunder war, sondern vielmehr ein Ergebnis der harten Arbeit des Teams. Das Auto war angenehm zu fahren. Es war nicht so schnell wie die Jungs vor uns, aber wir haben aus unserem Paket das Beste herausgeholt. Das war das ganze Wochenende der Fall. Sogar Jenson hat heute einen fantastischen Job gemacht, was großartig für das Team ist. Ich schätze, dass wir auch die Konstrukteurs-WM noch anführen, also ein großartiges Ergebnis für die Jungs."#w1#

Frage: "Du hast versucht, an Mark Webber dranzubleiben. Am Ende betrug der Abstand sechs Sekunden. Wie schwierig war es heute gegen die Red Bulls?"
Hamilton: "Mark hat einen phänomenalen Job gemacht, Gratulation. Diese Jungs sind einfach so schnell. Ich wusste, dass ich sie mit purer Pace nicht schlagen würde. Die ersten paar Runden sah es so aus, als hätte er Schwierigkeiten. Das war eine gute Chance für mich, ihn vielleicht zu überholen, aber es war trotzdem schwierig, weil wir beide Probleme hatten. Aber danach war ich immer mit Vollgas unterwegs. Ich habe versucht, jede Runde wie im Qualifying zu fahren, aber er setzte sich immer weiter ab."

Rückstand vom Qualifying halbiert

Frage: "Es war eine einzige Jagd für dich. Warst du überrascht, wie gut das Auto war?"
Hamilton: "Nein, nicht wirklich. Das Auto fühlte sich ganz ähnlich an wie im Qualifying. Unsere Rennpace war eigentlich schon immer gut. Wir gingen davon aus, näher an den Red Bulls dran zu sein als im Qualifying, denn dort holen sie immer ein schönes Stück raus. Ich habe gesagt, dass es vier bis fünf Zehntel sein werden, und im Rennen waren es gute vier Zehntel pro Runde Unterschied."

"Es war nicht einfach, denn wenn du hinter jemandem fährst, hast du immer die Luftverwirbelungen. Selbst wenn du zwei Sekunden dahinter bist, spürst du das immer noch. Das Team hat einen großartigen Job gemacht. Das Auto fühlte sich gut an. Es fehlt uns noch an Anpressdruck, aber wir haben trotzdem solide Arbeit geleistet und einen besseren Job als die anderen gemacht, um so weit nach vorne zu kommen. Mark ist großartig gefahren, der Sieg ist schön für ihn."

"Silverstone ist ein toller Ort. Die Fans waren das ganze Wochenende phänomenal, daher freue ich mich über die guten Leistungen von mir und Jenson, der heute wirklich klasse gefahren ist und noch so viele Punkte für das Team gesammelt hat. Ich hoffe, dass die Briten nicht enttäuscht sind, aber ich glaube, wir haben eine gute Show gezeigt - und wie gesagt: Die Weltmeisterschaft wurde nicht an diesem Wochenende entschieden."


Fotos: Lewis Hamilton, Großer Preis von Großbritannien, Sonntag


Frage: "Bist du mit dem zweiten Platz also wirklich zufrieden?"
Hamilton: "Das bin ich, ja. Wie gestern gesagt können wir die Ferraris und Red Bulls rein von der Pace her nicht herausfordern, aber am Start ging es. Ich konnte mich nach vorne arbeiten, was wirklich eine Freude war."

Frage: "Hat es zwischen dir und Sebastian Vettel in der ersten Runde Kontakt gegeben?"
Hamilton: "Nicht dass ich wüsste, aber als ich ausgestiegen bin, fiel mir auf, dass die vordere linke Ecke der Endplatte ein bisschen beschädigt ist. Aber mir ist nichts aufgefallen und es muss ein sehr, sehr leichter Kontakt gewesen sein, wenn es einen gegeben hat. Ich habe nichts gespürt."

Frage: "Ihr habt wieder einmal von der Bruderliebe bei Red Bull profitiert. Hattest du ein Lächeln im Gesicht, als du als Zweiter durch die erste Kurve kamst? Red Bull verleiht Flügel, nimmt sie aber auch wieder weg..."
Hamilton: "Ich konzentriere mich auf meinen Job. Zu Beginn des Rennens war ich sehr schnell. Ich glaube, dass ich bei Stowe auch eine Chance gehabt hätte, gegen die beiden zu kämpfen, wenn Sebastian nicht abgeflogen wäre."

Keine Chance gegen Webber

"Witzigerweise waren wir zu Beginn des Rennens ziemlich schnell - ich war nicht so schnell wie Mark, aber schnell. Dann hat er jedoch entschieden, mir davonzufahren, aber ich sehe mich nicht als Glücklichen in dieser Situation. Wir haben einfach das ganze Wochenende hart gearbeitet, knochenhart, und wir haben als Team alles herausgeholt."

Frage: "18 Punkte an einem Wochenende, an dem das Team solche Probleme hatte, das ist ein großartiges Ergebnis für die Weltmeisterschaft. Wir zuversichtlich bist du für die zweite Saisonhälfte?"
Hamilton: "Wir können uns definitiv nicht darüber beschweren, in den letzten zwei Rennen jeweils Zweiter geworden zu sein, denn das waren schwierige Wochenenden. Die anderen Teams haben sich weiterentwickelt und unsere neue Komponente hat hier nicht funktioniert. Davon hatten wir uns erhofft, dass sie uns auf Augenhöhe mit Red Bull bringt, aber eigentlich können wir uns von diesen Wochenenden nicht mehr erwarten. Wir haben eben nicht die schiere Pace der Ferraris oder Red Bulls und manchmal ist sogar Mercedes schneller. Diesbezüglich sind wir recht glücklich."

Lewis Hamilton und Sebastian Vettel

Gleich am Start ging Lewis Hamilton an Sebastian Vettel vorbei Zoom

Frage: "Hast du nach dem Freitag ernsthaft damit gerechnet, dass du heute hier sitzen würdest, noch dazu nach all den Schwierigkeiten mit dem Setup?"
Hamilton: "Ich war dieses Wochenende unglaublich optimistisch, selbst als sie den Diffusor weggenommen haben. Ich wollte nicht wechseln, wollte damit weiterfahren, aber es gab ein paar Daten. Sie mussten die Entscheidung treffen, ihn runterzunehmen, nur für den Fall. Wir wussten nicht sicher, ob er ein bisschen was bringen würde oder nicht. Er hätte mehr Anpressdruck bringen sollen und in einigen Bereichen fühlte er sich für mich sehr gut an."

"Ich war vorsichtig und nervös, als wir ihn runternahmen, denn ich wusste nicht, wie schnell wie am Samstag sein würden - und tatsächlich waren wir am Samstagmorgen nirgendwo, wir hatten einfach nicht die Pace dieser Jungs. Es sah nach einem siebten oder achten Platz aus, aber mir gelang eine irre Qualifyingrunde, was die ganze Rennsituation verändert hat. Im Rennen war meine Rennpace dann immer stark. Das war dieses Jahr noch nie ein Problem."

Frage: "Du musst sehr stolz darauf sein, nach so einem schlechten Auftakt am Freitag technisch gesehen so eine Wende geschafft zu haben..."
Hamilton: "Ja. Ich bin stolz auf mein Auto - sie ist eine Schönheit! Es ist das beste Auto, das ich je gefahren bin. Vielleicht ist es nicht so schnell wie andere Autos, aber da werden wir hinkommen, sobald wir neue Komponenten bekommen. Ich glaube, dass wir dann auch den Schnellsten etwas entgegensetzen können."

Frage: "Du hast hier schon mal gewonnen und wurdest heute Zweiter, was fast so gut ist wie ein Sieg. Was bedeutet dir Silverstone und die ganze Geschichte, die wir dieses Wochenende feiern (60-jähriges Jubiläum der Formel 1; Anm. d. Red.)?"
Hamilton: "Silverstone ist ein einzigartiges und klassisches Rennen für mich. Als ich noch ein kleiner Junge war, kam ich leider nie hierher. Das begann erst in meinen späten Teenagerjahren, in denen ich großartige Rennen gesehen habe. Das ist britische Geschichte."

Home of British Motor Racing

"Silverstone ist wirklich die Heimat des Motorsports. Es gibt hier so viele Teams, so viele Enthusiasten, so viele Ingenieure. Die ganzen Pioniere kommen aus Großbritannien, daher ist es für mich etwas ganz Besonderes, hier zu fahren, zumal ich nur eineinhalb Stunden von hier entfernt geboren wurde. So viele Landsleute hier, meine Familie - wir werden hier unterstützt wie nirgendwo sonst. Was für ein Wochenende! Ich glaube nicht, dass irgendein anderer Grand Prix eine bessere Show bietet. Was haben sie sich dabei gedacht, als sie Silverstone den Grand Prix wegnehmen wollten?"

"Dieses Wochenende war erstaunlich, vielleicht das beste überhaupt, was sie für die Zuschauer getan und wie sie alles aufgebaut haben, die Tribünen, die Rahmenevents. Die Organisatoren haben einen bemerkenswerten Job gemacht, daher ist es für mich eine Ehre und eine Freude, mein Land hier zu repräsentieren. Leider haben wir nicht gewonnen, aber ich habe alles gegeben und bin stolz auf dieses Ergebnis."

"Ich trage jeden einzelnen Fan mit mir im Auto mit." Lewis Hamilton

Frage: "Die Zuschauer haben einen unglaublichen Lärm gemacht. Kriegst du das als Fahrer überhaupt mit?"
Hamilton: "Nein. Ich wünschte, ich würde es mitbekommen, aber das ist von außen sicher ganz anders. So etwas kann ich nicht hören, denn die Motoren sind so laut. Ich kann es aber spüren, denn ich trage jeden einzelnen Fan mit mir im Auto mit. Das verleiht mir ein unglaubliches Selbstvertrauen und ich weiß das sehr zu schätzen."

Frage: "In Hockenheim werdet ihr den auspuffangeströmten Diffusor wohl wieder probieren. Mit welcher Erwartungshaltung blickst du auf das Heimrennen eures Motorenpartners Mercedes?"
Hamilton: "Es wird schwierig. Wir hoffen, dass wir das Update wieder montieren und zum Funktionieren bringen können. In den nächsten paar Rennen sollten wir es definitiv hinbekommen und hoffentlich kommen dann auch gute Ergebnisse. Sobald die Updates funktionieren, werden wir schnell sein, das steht fest. Hockenheim habe ich das letzte Mal gewonnen. Die Red Bulls sollten dort unfassbar schnell sein, aber wenn wir unseren Unterboden einsetzen können, dann werden wir es ihnen nicht einfach machen."

Frage: "Wie wichtig ist das heutige Ergebnis für den Titelkampf?"
Hamilton: "Das ist noch ein langer Weg. Schritt für Schritt baue ich den Vorsprung aus - ich glaube, es sind jetzt zwölf Punkte. Das ist gut."

Frage: "Es ist ein toller Kampf mit Red Bull und die britischen Fans genießen natürlich den Kampf mit Jenson Button sehr. Macht es das noch interessanter, wenn du um jeden Punkt kämpfen musst?"
Hamilton: "Natürlich. Es ist wie beim Golfen: Es gibt 18 Runden und man kann sich nicht leisten, einen Putt auszulassen. Ich bin ein furchtbarer Putter, aber hoffentlich nicht auf der Rennstrecke!"