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  • 27.03.2014 10:36

  • von Dieter Rencken

Grosjean: "Der Teamgeist ist stärker denn je"

Zwar lief der Saisonauftakt für Lotus suboptimal, doch laut Romain Grosjean ist im Team niemand am Boden - Im Gegenteil: Alle ziehen an einem Strang

(Motorsport-Total.com) - Lotus war die große Enttäuschung beim Großen Preis von Australien. Der Rennstall, der das Rennen im Albert Park im vergangenen Jahr noch gewinnen konnte, erlebte ein wahres Debakel. Zwar war das nach den Eindrücken der Wintertestfahrten schon zu erwarten gewesen, dennoch war es für Romain Grosjean ernüchternd, auch im Rennen die Gewissheit zu haben. Wie er das Wochenende erlebt hat, und was ihm für die Zukunft Mut macht, das erzählt der Franzose im Interview.

Titel-Bild zur News: Romain Grosjean

Romain Grosjean glaubt fest daran, dass sein Team die Kurve noch kriegen wird Zoom

Frage: "Romain, kam der Schock in Australien, weil ihr plötzlich die Gewissheit hattet, dass ihr nirgendwo seid?"
Romain Grosjean: "Ich hatte immer noch gehofft, dass es besser als bei den Wintertests sein würde und wir vielleicht irgendwo im Bereich von Platz sieben oder acht liegen könnten. Aber am Freitag haben wir das erste Training verpasst, das zweite lief nicht gut - und am Samstag hatten wir nicht viel von Training drei, dann hat es im Qualifying geregnet. Alles ist einfach schlimmer, schlimmer und schlimmer geworden. Aber dann muss man einfach ruhig bleiben, die Sachen konstant halten und versuchen, so viel Feedback wie möglich zu geben."

Frage: "War Australien eines der schwierigsten und frustrierendsten Wochenenden deiner Formel-1-Karriere?"
Grosjean: "Ja, man erlebt verschiedene Wochenenden im Leben. In Monaco im vergangenen Jahr war ich superschnell - aber ich war auch superschnell in der Mauer. In Melbourne hatten wir eine andere Art Wochenende. Man kommt hin und weiß, dass man nicht genügend Kilometer beim Testen abgespult hat, und nicht weiß, wo man stehen wird. Wenn man extrem glücklich ist, dann laufen die Dinge vielleicht richtig, aber das war nicht der Fall."

"Es ist ein wenig seltsam, wenn man Sonntagfrüh an die Strecke kommt und sagt: 'Wenn wir 20 Runden schaffen, dann wäre das gut.' Wir haben 45 geschafft und viel gelernt. Das war positiv, aber es ist ein wirklich seltsames Gefühl, wenn man dann um die hinteren Plätze kämpft, aus der Boxengasse starten muss und schon vor dem Start in die Saison eine Durchfahrtsstrafe bekommt."

Fortschritte ja, Perfektion nein

Frage: "Bist du wenigstens zuversichtlich, dass ihr hier nicht am Ende der Startaufstellung sein werdet?"
Grosjean: "Das hoffe ich. Ich möchte nicht zu zuversichtlich oder zu vorsichtig sein. Ich möchte in das Auto steigen, fahren und sehen, dass alles besser wird - Benzinmanagement und Bremssystem beispielsweise - und dass wir die Reifen ordentlich benutzen. Wenn wir diese drei Dinge haben, dann ist es vielleicht ein großer Schritt nach vorne. Es wird nicht darum gehen, nach den letzten Zehnteln und Hundertsteln oder das finale Setup zu schauen, aber wenn wir einen normalen Freitag haben, und danach sehen können, in welche Richtung wir mit unserem Auto gehen können, dann würde uns das enorm helfen."

Frage: "Gibt es Anzeichen von Fortschritten?"
Grosjean: "Hoffentlich ja. Wir haben gesehen, dass wir uns bei den Renndaten verbessern können, und wir haben am Sonntag viel gelernt. Hoffentlich haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Ich denke zwar nicht, dass alles bei 100 Prozent sein wird, aber wenn es ein guter Schritt nach vorne ist, dann wäre das schon schön. Renault wird, denke ich, auch hart gearbeitet haben, weil sie ebenfalls etwas tun müssen - aber das machen sie. Hoffentlich gibt es an diesem Wochenende mehr Konstanz und mehr Performance für uns."


Fotos: Großer Preis von Malaysia, Pre-Events


Frage: "Was hast du in den zwei Wochen seit Australien gemacht?"
Grosjean: "Ich war in Europa und bin in der Fabrik gewesen. Dort saß ich einen Tag im Simulator, habe Debriefings mit meinen Ingenieuren gemacht, habe trainiert, habe einen Marketing-Event in Dubai besucht - und dann bin ich hergekommen."

"Alle wollen in die gleiche Richtung"

Frage: "Hast du das Gefühl, dass alles getan wird, was getan werden kann?"
Grosjean: "Ich denke - mit dem, wo wir stehen - ja. Es ist gut, dass das Team zusammenhält. Der Teamgeist ist stärker denn je. Wir sitzen alle im selben Boot und wollen in die gleiche Richtung. Wenn man in die Fabrik kommt, dann sieht man Leute, die so hart arbeiten, wie sie nur können. Die Aero-Abteilung versucht Updates zu bringen, auch wenn es letzte Woche gut werden sollte, wir aber nichts gesehen haben. Jeder muss seinen Bereich verbessern - und jeder will es in die richtige Richtung lenken."

"Es ist eine lustige Story. Ich habe unseren Chef der Aero-Abteilung getroffen. Ich war gerade beim Mittagessen in der Kantine, und er kam: 'Und, wie ist das Auto?' 'Ich weiß es nicht. Ich hoffe, es ist gut. Ich glaube, dass die Zahlen stimmen, aber wir sind noch zu weit weg, um dir irgendwelche Eindrücke zu geben.'"

Romain Grosjean, Pastor Maldonado

In Australien kam Grosjean mit dem E22 immerhin 45 Runden weit Zoom

Frage: "Hat Australien euch weitere richtige Informationen verschafft?"
Grosjean: "Ich denke, wir haben im Rennen interessante Dinge gesehen. Wenn wir zwei und zwei zusammenzählen, dann sind wir nicht weit von den Red Bull entfernt. Aber das versuchen wir auf der Strecke zu erreichen. Wenn wir nah an die Red Bull kommen, dann bedeutet dies, dass wir zurück auf einem sehr guten Level sind. Es liegt aber noch Arbeit vor uns, die Schritt für Schritt erledigt werden muss. Man braucht Geduld, wenn die Dinge nicht von Anfang an gut laufen, aber wir müssen an den wichtigen Stellen pushen, bei denen wir auch pushen können."

Frage: "Nick Chester meinte, es könnte bis Spanien dauern, bis Lotus richtig auf Touren ist. Bist du geduldig genug für drei weitere schlechte Rennen?"
Grosjean: "Ich habe ja keine große Wahl! (lacht; Anm. d. Red.) Wenn man böse und wütend ist, dann wäre es das Schlechteste, um seinen Geist wieder in die richtige Stimmung zu versetzen. Um ehrlich zu sein: Selbst am Ende des vergangenen Jahres war nicht alles perfekt. Die Technologie ist so neu, dass alle enorm viel lernen. In Spanien haben wir vermutlich ein paar Rennen auf dem Buckel, und der Test in Bahrain wird uns noch zusätzlich helfen. Aber nochmal: Wenn wir uns ein kleines bisschen verbessern können, dann versuchen wir das zu tun."

Frage: "Welche Auswirkungen haben die Personalwechsel im Winter gehabt?"
Grosjean: "Für da, wo wir stehen, machen wir einen guten Job. Wir sind keine 700 Leute wie bei McLaren, und es gibt Dinge, bei denen wir die Priorität setzen müssen. Das ist uns in der Vergangenheit gut gelungen. Es gab ein paar Änderungen, auf die sich die Leute erst einmal einstellen müssen. Aber niemand schreibt das Jahr ab und sagt, es werde ein schlechtes Jahr. Jeder möchte daran glauben, dass wir zurückkommen, dass wir um Punkte kämpfen können, dass wir uns stetig verbessern werden, und dass wir eventuell auf das Podest kommen. Wir haben nicht das Budget der großen vier Teams - das wissen wir. Aber hoffentlich werden wir es richtig hinbekommen."

Verpasster Jerez-Test kein Problem

Frage: "Fühlt es sich wie ein Team an, das gerade durch eine Übergangsphase geht?"
Grosjean: "Ich würde nicht sagen, dass es eine Übergangsphase ist. Es ist einfach eine schwierige Zeit für alle. Alles hat sich ein wenig verzögert, was uns zu Beginn ein wenig ins Hintertreffen gebracht hat. Wir haben den ersten Test in Jerez verpasst, was ich aber nicht als großes Problem ansehe. Das größte Problem war, dass wir zwei Wochen später in Bahrain gar nichts tun konnten."

"Wir haben in Melbourne gemerkt, dass das Brake-by-Wire-System nicht ordentlich funktioniert hat. Am Freitag bin ich auf die Bremse gestiegen, aber irgendwie hat es nur hinten funktioniert. Es hat seltsame, seltsame Dinge getan. Dann haben wir gesagt, dass wir daran arbeiten müssen - und das haben wir getan. Auch die Reifen sind komplett anders als im vergangenen Jahr. Wir haben nicht viele Runden in Bahrain gedreht und konnten mit den weichen Reifen nicht schneller fahren, weil wir zu weit von der Pace entfernt waren. Es war einfach der falsche Zeitpunkt, um im Hintertreffen zu sein. Aber alle halten zusammen, jeder versucht das Positive zu sehen. Wenn das Team gut arbeitet, dann können wir uns gut davon erholen."


Fotostrecke: GP Malaysia, Highlights 2013

Frage: "Wie ist es, mit all diesen Ungewissheiten Rennen zu fahren?"
Grosjean: "Es ist anders als im vergangenen Jahr. Es ist herausfordernd und interessant. Die Formel 1 verändert sich in jedem Jahr, und für mich ist es eine völlig neue Situation. Ich bin der Fahrer, der beim Team geblieben ist. Ich versuche alle zu motivieren, und am Ende wird uns das nur stärker machen. Wir haben keine essentiellen Probleme - nichts, das irgendwie dramatisch wäre. Es sind einfach Dinge, die wir lernen müssen."