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  • 18.08.2014 17:03

  • von Edd Straw (Haymarket)

Grosjean, der Pechvogel der Formel 1

Romain Grosjean musste in der Formel 1 schon viel über sich ergehen lassen, doch als er auf seinem Höhepunkt angekommen schien, baute Lotus ein schlechtes Auto

(Motorsport-Total.com) - Stell dir vor, du hast gerade deinen Durchbruch geschafft. Nach Jahren der Verheißung, die durch deine eigenen Fehler und mentale Zerbrechlichkeit gedämpft wurden, macht es klick und du fängst an, dein Potenzial auszuschöpfen. Und dann, plötzlich, wenn du deinen Höhepunkt erreicht hast, wird der Teppich unter deinen Füßen weggezogen.

Titel-Bild zur News: Romain Grosjean

Von hero to zero: Romain Grosjean steckt mit Lotus in einer Krise Zoom

Genau das ist Romain Grosjean in den vergangenen 18 Monaten passiert. Nach dem Tiefpunkt beim letztjährigen Monaco-Grand-Prix, wo er erstaunlich schnell war, aber immer wieder Dinge getroffen hat, haben sich Grosjeans Performances bis zu dem Punkt verbessert, wo er der Star der zweiten Saisonhälfte war. Die Belohnung war, dass ihm in dieser Saison ein nicht wettbewerbsfähiges Auto aufgehalst wurde.

Für ihn ist dies ein neuer Test - einer, mit dem er sehr gut umgeht. Es gab nur zweimal Punkte - jeweils für achte Plätze in Spanien und Monaco - und ziemlich wenige Wochenenden, in denen für Lotus alles rund lief. Das Standardwort, auf das man sich in solchen Momenten gerne bezieht, heißt "charakterbildend." Wenn man bedenkt, dass vieles der vergangenen fünf Jahre für Grosjean in diese Kategorie fällt, dann kann es für ihn nicht so einfach hinnehmbar sein. Die Gefahr war sicherlich, dass es eher zerstörend als bildend ist.

"Es ist ein neuer Teil des Charakters, den man bezwingen muss", sagt Grosjean über den Umgang mit einer Saison, in der er realistisch erwarten konnte, seinen ersten Grand Prix zu gewinnen, die dann aber zu einer langen und schweren Geburt wurde. "Alles lief gut, und natürlich denkt man: 'Ja, ich kann es schaffen', aber dann kommt man zum ersten Rennen und realisiert, dass es nicht passieren wird. Das ist frustrierend."

"Man könnte entweder sagen: 'Ich lass es so geschehen und mache nicht mehr als nötig', oder man kann hart arbeiten und mit dem Team vereint bleiben. Es ist nicht immer einfach, da man aus der Emotion heraus manchmal Worte sagt, die vielleicht ein wenig übertrieben sind und nicht das sind, was du gerade sagen wolltest. Aber generell haben wir stark zusammengehalten und versucht zu verstehen, was die Probleme sind und was wir besser machen können."


Fotostrecke: Die Geschichte des Lotus-Teams

Zwei Gründe für den Absturz

Das Problem für Lotus ist zweischneidig. Erstens besitzt man den Renault-Motor, der dich schon sofort ins Hintertreffen bringt. Selbst wenn das Auto nicht kaputtgegangen ist, gab es häufig Fehler, den Bedarf an regulären Systemneustarts und kleinere Probleme, die gemanagt werden mussten. Das ist ein großer Nachteil, aber es wäre zu einfach, die ganze Verantwortung für die Lotus-Misere zu Füßen des Motorenherstellers zu legen. Denn Red Bull hat zwei Rennen mit dem Renault-Motor gewonnen und liegt bei den Konstrukteuren auf Rang zwei. Obwohl es die größte Schwachstelle ist, ist es nicht die einzige.

Der zweite Faktor ist der Zustand des Teams. Während die Dinge finanziell viel stabiler als in der vergangenen Saison sind, hat sich Lotus verkleinert. Man hat viele gute Leute verloren. Während die Ferrari-Zugänge James Allison und Dirk de Beer die prominentesten Verluste sind, gibt es viel Ex-Enstone-Personal, das in anderen Teams verstreut ist, inklusive einiger Leute bei Mercedes.

Die Qualität ist immer noch da, aber selbst ein Team, das so effektiv und robust wie Lotus ist, benötigt Zeit, um sich an so einen Umbruch anzupassen. Der verpasste erste Test hatte einen negativen Effekt, dass Probleme, die gelöst sein sollten, später auftraten und Fortschritte zu einer Zeit verhindert haben, in der andere Teams schon große Verbesserungen gemacht haben.

Romain Grosjean

Die Testfahrten waren für Lotus eine einzige Qual Zoom

Der Doppelnasen-Lotus E22 ist kein einfach und konstant zu fahrendes Auto, und man konnte in den vergangenen Wochen häufig beobachten, wenn man Grosjean auf der Strecke sah, dass dort ein Fahrer versucht, das Auto härter zu pushen, als es vertragen kann. Aber wenn es das Auto ihm erlaubt, dann blitzt seine Klasse immer noch auf. "Ich glaube, dass ich so gut wie im vergangenen Jahr fahre - oder besser, weil ich mehr Erfahrung habe", sagt er.

Wenn 120 Prozent nicht ausreichen

"Es ist klar, dass ich im Qualifying nicht das gleiche Gefühl mit meinem Auto bekomme. Im vergangenen Jahr war es sehr konstant und man konnte beim Bremsen mehr Risiko gehen und die Kurve schaffen. Aber jetzt bekommt man nicht alle Kurven im Qualifying so perfekt hin, wie man es vielleicht in der Vergangenheit machen konnte. Das ist der Unterschied. Es ist viel schwieriger, ein Auto zu haben, das nicht in der Lage ist, an der Spitze zu kämpfen. In denen reichen 99 Prozent, um gut zu sein. Aber im siebtbesten sind nicht einmal 120 Prozent gut genug, um in Q3 zu sein."

Bedenkt man, dass Lotus über die Saison gesehen das achtbeste Auto war, dann ist es klar, wie sehr Grosjean zu kämpfen hat. Als das Auto das Fenster in Spanien genau getroffen hatte, war er in der Lage, im Qualifying aus eigener Kraft Fünfter zu werden und trotz Motorenproblemen im Rennen als Achter ins Ziel zu fahren. Das ist ein Zeichen, dass er die Chance noch ergreifen kann, wenn sie sich ihm bietet.

"Ich glaube, dass ich so gut wie im vergangenen Jahr fahre - oder besser." Romain Grosjean

Doch da die Fragezeichen über seiner Zukunft bleiben, gibt es nur wenig Zweifel daran, dass 2015 eine wichtige Saison für Grosjean werden wird. Er hat bewiesen, dass er mit den Besten mithalten kann. Seine Performances in den USA und Japan Ende vergangener Saison haben das ohne Zweifel bestätigt. Im kommenden April wird er 29, daher muss er in seinen besten Jahren in einem passenden Auto sein.

Aber da aufstrebende Stars wie Daniel Ricciardo und Valtteri Bottas zu Recht Beifall für ihre Leistungen ernten, besteht das Risiko, dass Grosjean vielleicht vergessen wird. Das wäre eine Tragödie, da Fahrer mit seiner tollen Pace ein sehr seltenes Gebrauchsgut sind. "Als menschliches Wesen ist das eine Sorge", gibt er zu. "Es ist schön zu sehen, dass Ricciardo und Bottas gut sind. Ich wünschte, ich wäre auf dem Podium, damit jeder über mich reden würde und ich eine 10 in der Fahrerbewertung bekomme!"

"Ich bin in der Lage, zu gewinnen. Das wurde nicht zusammen mit dem Weihnachtsbaum hinausgeschmissen." Romain Grosjean

"Ich bin in der Lage, zu gewinnen. Ich denke nicht, dass ich irgendetwas über den Winter verloren habe. Das wurde nicht zusammen mit dem Weihnachtsbaum hinausgeschmissen. Aber natürlich ist es viel schwieriger, mein Potenzial jetzt zu zeigen. Man kann seinen Teamkollegen schlagen, was gut ist, aber wenn ich ins Qualifying gehe, dann möchte ich alle schlagen und die Pole holen."

Teamintern deutlich vorn

Grosjeans Ergebnisse waren verglichen zu Pastor Maldonado, einem wirklich schnellen Fahrer, gut. Er hat ihn in zehn von elf Qualifyings besiegt und von den drei Rennen, in denen beide Autos ins Ziel gekommen sind, war er zweimal vorne. Und während Maldonado einen schlechten Ruf genießt, ist er in der Lage, sehr schnell zu sein. Wenn die Dinge gut laufen, kann er starke Performances zusammenbringen. Grosjean schlägt sich also bei der einzigen offensichtlichen Messung gut.

Alles, was Grosjean tun kann, ist sicherzustellen, dass ihn die Frustration nicht packt. Er hat jedem - auch sich selbst - bewiesen, dass er auf höchstem Level liefern kann. Er muss also nur sicherstellen, dass er nicht überaggressiv wird oder dass er den Fehlerteufel nicht wieder hineinlässt. Er scheint ruhiger mit sich selbst zu sein, und einige sagen, dass seine Hochzeit und seine Vaterschaft dazu beigetragen haben, dass er reifer geworden ist.

Wie auch immer, er ist eines der seltenen Güter in der Formel 1: ein wahrer Toppilot, der von einem Topteam verpflichtet werden sollte. "Es ist keine einfache Situation", sagt er. "Es ist nicht einfach, da durchzukommen und ruhig zu bleiben und keine Ergebnisse mit nach Hause zu bringen. Aber andererseits hat Erfahrung geholfen. Ich habe mit meiner Frau über die Zukunft gesprochen und sie gefragt, ob sie sich an 2010 erinnert. Sie war Journalistin, ich habe gesurft und wollte meine Familie in der Schweiz sehen, wenn die Formel 1 für mich vorbei ist. Jetzt bin ich wieder hier."

Pastor Maldonado, Romain Grosjean

Teamintern hat der Franzose die Nase deutlich gegen Pastor Maldonado vorne Zoom

"Ich habe Spaß, das Auto zu fahren, auch wenn wir nicht um die Spitze kämpfen. Ich habe viel mit meinem Psychologen gearbeitet, um die Situation in den Griff zu bekommen. Man weiß, dass man es loslassen und vergessen muss und sich nicht darum sorgen darf. Diese Erfahrung hat mir geholfen, Dinge richtig anzugehen, auch wenn es schwierig ist, nicht an der Spitze kämpfen zu können."

Was er damit eigentlich sagt: "Halte durch!" Grosjean war schon immer zu gut, um keinen Erfolg im Grand-Prix-Sport zu haben. Wenn er in ein Topauto zurückkommt, dann wird seine Zeit kommen. Ob das in einem Lotus-Mercedes oder anderswo ist, das bleibt abzuwarten.

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