Glock: "Das Gripniveau passt noch nicht"
Marussia-Virgin-Fahrer Timo Glock im Interview über die Form seines Rennstalls, die Tests in Barcelona und die schwierige Situation in Bahrain
(Motorsport-Total.com) - Die zweite Formel-1-Saison von Marussia-Virgin nimmt langsam aber sicher Gestalt an, denn der Rennstall um Timo Glock kommt mit dem neuen MVR-02 immer besser in Fahrt. In Barcelona konnte der Deutsche eine komplette Renndistanz zurücklegen, obwohl er am Morgen zunächst nur wenige Runden absolvierte - wichtige Bauteile ließen auf sich warten. Im Interview spricht der 28-Jährige darüber, welche Fortschritte sein Team macht und wohin seine Rennreise 2011 gehen soll.

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Timo Glock und Marussia-Virgin wollen näher an das Mittelfeld herankommen
Frage: "Timo, wie ist es dir bislang in Barcelona ergangen? Wie ist es um deine Gemütslage bestellt?"
Timo Glock: "Ich bin schnell - so viel weiß ich schon einmal (lacht; Anm. d. Red.). Meine Gemütslage ist auch okay, weil wir im Gegensatz zum vergangenen Jahr zum Fahren und zum Testen kommen. Wir müssen noch an Geschwindigkeit zulegen. Da brauchen wir gar nicht drumherum reden. Generell hatten wir schon am Freitag einen guten Tag für das Team. Am Samstagmorgen war es für mich etwas schade, denn wir hatten ein technisches Problem."
"Wir mussten warten, bis ein neues Teil eingeflogen kam. Deshalb konnten wir erst ab zwölf Uhr so richtig mit dem Test beginnen. Wir probierten vieles mit den harten Reifen aus, die man aber nur schwer auf Temperatur brachte. Wir konzentrierten uns allerdings dennoch auf diese Mischung, weil wir sie für die konstanteste hielten."
"Wir spielten ein bisschen am Setup herum und probierten diverse Dinge aus. Ich denke, wir haben nun eine Idee, in welche Richtung wir gehen müssen. Generell zeigt sich hier in Barcelona, welches Auto im Hinblick auf Aerodynamik und Abtrieb am besten ist. Da sind wir im Moment nicht ganz so gut, wie wir sein müssten. Die Balance an sich ist okay, nur das Gripniveau passt noch nicht."
Frage: "Sind die Probleme nur aerodynamischer Natur?"
Glock: "Generell müssen wir in erster Linie den angeblasenen Diffusor verstehen. Dieses Teil beschert uns noch immer einige Probleme. Alles Weitere scheint am Abtrieb zu liegen. Das ist mein Eindruck. Bei den Reifen sitzen wir hingegen alle im selben Boot."
"Am Samstag probierten wir den harten und den mittleren Pneu aus und dazwischen lag ein großer Schritt. Wir legten den Großteil des Tages aber auf der harten Variante zurück. Über eine Runde ist die weichere Mischung besser für unser Auto, doch für die komplette Distanz sieht es möglicherweise anders aus."
Frage: "Die Aussagen zu den neuen Pirelli-Reifen sind unterschiedlich. Wie stehst du zu den neuen Formel-1-Pneus? Kommst du gut damit zurecht?"
Glock: "Ich komme gut damit zurecht und verstehe die Reifen. Ich kenne ihre Schwächen - die allgemeine Stabilität - und kann durch meinen Fahrstil damit umgehen. Über eine Runde sind diese Reifen klasse, denn sie sind sofort bei der Musik. Das gilt speziell für die weicheren Reifen. Im Augenblick habe ich keinerlei Probleme mit den Reifen."
Die Reifen spielen eine Schlüsselrolle
Frage: "Was denkst du nach deinen bisherigen Erkenntnissen: Wie viele Boxenstopps werden wir 2011 in den Rennen sehen?"
Glock: "Sebastian (Vettel; Anm. d. Red.) führte am Samstag eine Rennsimulation durch. Ich habe mir das beiläufig angeschaut und meine, dass es nach viermal Reifenwechsel aussah. In diese Richtung wird sich das entwickeln."
Frage: "Man sagt, es könnte weniger Stopps geben, wenn mehr Gummiabrieb auf der Strecke liegt. Stimmst du zu?"
Glock: "Wir waren vier Tage lang in Jerez und dort sah es nicht so aus, als würde sich der Kurs dramatisch verbessern. Neben der Linie liegen recht viele Gummiklumpen herum. Es hat den Anschein, dass der Abrieb einfach nicht am Asphalt haftet."
Frage: "Paul Hembery sagt, dies hänge mit den kühlen Temperaturen zusammen. Sie rechnen damit, dass sich die Lage bei wärmeren Verhältnissen besser darstellt..."
Glock: "Warten wir einfach ab."
Frage: "Bist du zufrieden mit eurem Gesamtpaket?"
Glock: "Ja. An den vergangenen beiden Tagen legten wir mehr Kilometer zurück, als bei den Testfahrten 2011 und vielleicht in den ersten Rennen zusammen. So gesehen haben wir einen großen Fortschritt gemacht und das ist gut so. Wir haben daher die Möglichkeit, Setuparbeit zu verrichten und das Auto zu verbessern. Das ist prima."
Frage: "Dir steht kein KERS zur Verfügung. Was denkst du darüber?"
Glock: "Das ist sicherlich ein Vorteil für die anderen. Vielleicht ist es aber auch ein Vorteil für uns, denn die anderen Teams scheinen alle ein paar Probleme zu haben. Im Hinblick auf die schiere Leistung ist es natürlich ein Nachteil, KERS nicht zu verwenden."
Sind Punkte 2011 wieder ein Thema?
Frage: "Was ist realistisch drin in dieser Saison?"
Glock: "Wir müssen uns verbessern, denn es ist unser zweites Jahr. Wir sollten einen Schritt nach vorne machen uns müssen schauen, dass wir in den Rennen von Anfang an ohne technische Probleme durchkommen."
"Das könnte unsere Chance sein, zu Beginn des Jahres eine gute Position herauszufahren. Wenn man so die Boxengasse hoch und runter geht, hat wohl aktuell jeder so seine Probleme. Solche Gelegenheiten müssen wir nutzen. Das Ziel ist eine Verbesserung und näher an die Mittelfeld-Teams heranzukommen. Wir sind schon einen kleinen Schritt vorangekommen, doch da muss noch ein größerer folgen."
Frage: "Im vergangenen Jahr ging es darum, das Team an die Formel 1 heranzuführen und Erfahrung zu sammeln. Nun müssten eigentlich Punkte auf der Agenda stehen..."
Glock: "Ja, das ist das Ziel. Die Frage ist nur, ob wir auch Punkte einfahren können. Ich denke, dafür brauchen wir noch immer eine Portion Glück."
"Wenn alle anderen ins Ziel kommen, wird es schwierig für uns, in die Top 10 zu fahren. Im Moment sehe ich uns nicht dazu in der Lage, in die Punkteränge vorzustoßen. Schauen wir einfach einmal, was die Upgrades der ersten Rennen mit sich bringen. Hoffentlich können wir dabei einige Fortschritte machen."
Bahrain oder nicht Bahrain, das ist hier die Frage...
Frage: "Wie motiviert man sich denn, wenn man weiß, dass Podiumsplätze nicht drin sind?"
Glock: "Wer mich kennt, der weiß, dass ich immer motiviert bin. Sobald ich ins Auto steige, bin ich stets motiviert. Sonst könnte ich meine Leistung nicht erbringen, wie ich sie auch im vergangenen Jahr erbracht habe. Würde mir der Spaß fehlen, müsste ich einen Flieger buchen und heimfliegen (lacht; Anm. d. Red.). Die Motivation fehlt nie."
Frage: "Der Saisonauftakt in Bahrain steht auf der Kippe. Wie siehst du diese Situation?"
Glock: "Die Sicherheit hat ganz klar Priorität und dementsprechend muss man entscheiden. Im Augenblick sieht es etwas kritisch aus. Wir warten noch den einen oder anderen Tag ab, doch im Moment würde es wohl keinen Sinn machen, dort zu fahren."
Frage: "Dein Landsmann Sebastian Vettel hat sein Privatleben im Prinzip komplett verloren. Wie siehst du den Rummel um den Weltmeister?"
Glock: "Nun gut, er hätte es sich ja aussuchen können: Er hätte nur das letzte Rennen nicht gewinnen müssen, dann wäre er nicht Weltmeister geworden. In diesem Fall hätte er weniger Rummel gehabt. Ich glaube, das ist ihm relativ egal. Er hat sein sportliches Ziel erreicht und der Rummel drumherum gehört anscheinend dazu. Ich denke, er weiß schon, wie er damit zurechtkommt."
Frage: "Bist du ein bisschen neidisch auf Vettel und seinen Erfolg?"
Glock: "Nein, überhaupt nicht. Ich bin froh, wenn ihr (die Medienvertreter; Anm. d. Red.) mich in Ruhe lasst (lacht; Anm. d. Red.)."

