Gachot: Wie er den Tränengas-Zwischenfall erlebte

Vor 20 Jahren machte Bertrand Gachots Attacke auf einen Taxilenker den Weg für "Schumi" in die Formel 1 frei - Heute schildert er den Zwischenfall aus seiner Sicht

(Motorsport-Total.com) - Er war die tragische Figur bei Michael Schumachers kometenhaften Aufstieg: Bertrand Gachot. Der belgisch-französische Rennfahrer, der 1991 im Jordan beim Grand Prix von Ungarn sogar die Schnellste Runde drehte, musste bei seinem darauf folgenden Heimrennen in Spa das Cockpit räumen, weil er wegen einer Tränengas-Attacke auf einen Taxilenker im Gefängnis saß. Nutznießer war damals Michael Schumacher, der von Eddie Jordan als Ersatzmann verpflichtet wurde - der Rest ist Geschichte.

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Bertrand Gachot brachte im Jordan 1991 durchaus achtbare Leistungen

20 Jahre später stellt der inzwischen 48-Jährige gegenüber 'Bild' die kuriosen Geschehnisse, die Schumacher den Sprung ins Formel-1-Cockpit ermöglichten, aus seiner Sicht dar. Der Vorfall, für den Gachot ins Gefängnis musste, ereignete sich im Dezember 1990 in London. Der frischgebackene Jordan-Pilot war auf dem Weg zu einem Sponsortermin mit Teamchef Eddie Jordan und Hauptsponsor 7up und hatte Verspätung. Jordan fuhr einige Autos hinter seinem Angestellten, als sich der Taxifahrer Eric Court vor Gachot drängte.

Doch der damalige Formel-1-Pilot wollte sich das nicht gefallen lassen und fuhr "dem provozierenden Taxikerl ganz leicht auf die Stoßstange." Ein Streit war damit entfacht: "Er kommt an mein Auto, packt mich am Kragen. Ich habe eine Dose Tränengas, sprühe ihm ins Gesicht. Im Nu waren so viele andere Taxifahrer um mich, dass ich in ein Gebäude flüchte und die Polizei rufe. Sie kommt, nimmt mich mit auf die Wache. Eine halbe Stunde später bin ich frei und gehe zum Meeting."

In der Zelle mit einem Mörder

Gachot glaubte zu diesem Zeitpunkt, dass die Geschichte vom Tisch ist, doch er irrte sich gewaltig: "Acht Monate später, im August 1991, wurde ich zum Gericht gerufen. Die Anwälte sagten mir, dass es eine Kleinigkeit ist. Sie sagten nicht, dass ich als ausländischer Staatsbürger ohne festen Wohnsitz in England im Falle eines Urteils sofort verhaftet werden könne. Und das ist passiert!"

Ausgerechnet in der Woche vor seinem Heimrennen in Spa-Francorchamps wurde Gachot verhaftet, auch die Versuche, mit 2 Millionen Pfund (umgerechnet 2,3 Millionen Euro) Lösegeld wieder in Freiheit zu gelangen, scheiterten. Der Richter argumentierte laut Gachot, er wäre damals "eine Gefahr für die englische Bevölkerung" gewesen. Doch damit nicht genug: "Er verurteilte mich zu zwei Jahren Gefängnis und ich musste bis zur Revision zwei Monate ins Gefängnis. Und weil Tränengas damals als Waffe galt, haben sie mich in eine Zelle mit einem Mörder gesteckt."

"Schumacher ist ein feiner Kerl. Der hat sich sofort nach meiner Freilassung mit mir getroffen." Bertrand Gachot

"Schumi" nahm währenddessen im durchaus konkurrenzfähigen Jordan-Boliden Platz. Doch dem Deutschen ist Gachot bis heute nicht böse: "Das ist ein feiner Kerl. Der hat sich sofort nach meiner Freilassung mit mir getroffen und wir haben immer mal Kontakt. Ich neide ihm nichts. Er ist ein toller Rennfahrer. Mein Pech war sein Glück. Seine Karriere wäre vielleicht ganz anders verlaufen, wenn ich nicht ins Gefängnis gemusst hätte ..."

Auf Jordan nicht gut zu sprechen

Anders verhält es sich mit der Beziehung zwischen ihm und seinem Ex-Teamchef. "Ich will diesen Namen nicht in den Mund nehmen", reagiert er angesäuert, wenn er mit Jordan konfrontiert wird. Der Ire kassierte von Gachot 1,5 Millionen Dollar (umgerechnet eine Millionen Euro) für das Cockpit für die Saison 1991, nach dem Taxi-Zwischenfall musste er noch einmal 500.000 Dollar (347.000 Euro) zahlen - Schumacher wurde pro Rennen mit 192.000 Pfund (217.000 Euro) zur Kasse gebeten. Insgesamt waren die Turbulenzen also ein gutes Geschäft für Jordan - dass dieser nachgeholfen hat, um Gachots Fall vor Gericht zu bringen, will der Ex-Pilot aber nicht direkt bestätigen.

Heute lebt Gachot mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Marbella an der Costa del Sol in Spanien. Und weiß: "Ich wäre nie ein Schumi geworden. Er war von Anfang an superschnell. Er ist ein großer Champion. Ich gönne ihm jeden seiner sieben Titel und habe großen Respekt davor, dass er den Mut hat, gegen die 25-Jährigen zu fahren."

"Ich ruiniere mir die Sonntage nicht mehr mit Formel-1-Rennen am Fernseher." Bertrand Gachot

Gachot hat sein Geld mit Energy-Drinks gemacht - er produziert den Energy-Drink Hype, dessen Logos bereits in den 1990er-Jahren auf den Benetton-, Williams- und Arrows-Boliden auftauchten. Schumachers Jordan-Vorgänger organisierte zudem die Markteinführung in Frankreich - heute verkauft man 24 Millionen Dosen pro Jahr. Mit dem Grand-Prix-Sport hat er abgeschlossen: "Obwohl ich diesen Sport liebe, ruiniere ich mir die Sonntage nicht mehr mit Formel-1-Rennen am Fernseher."