Fry: "Jenson überrascht mich nicht mehr"
Brawn-Geschäftsführer Nick Fry jubelt im Interview über den WM-Titel und spricht über die Zukunft von Jenson Button im Team
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Nick, gestern hast du die Euphorie noch gebremst, aber wie fühlt sich dieser Triumph heute an?"
Nick Fry: "Es ist einfach unglaublich. Gestern habe ich noch gesagt, dass die Chancen klein sind, aber klein ist anscheinend genug! Jenson wusste, was er zu tun hatte - und das hat er einfach getan! Das zeigt, dass er ein würdiger Weltmeister ist. Wie er im ersten Stint überholt hat, obwohl er alles zu verlieren hatte, hat seinen wahren Wert gezeigt."

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Weltmeister: Geschäftsführer Nick Fry mit seinem Partner Ross Brawn
Frage: "Wenn du daran denkst, wie Honda im Dezember ausgestiegen ist, wie kannst du dann fassen, was ihr jetzt erreicht habt?"
Fry: "Dafür werden wir bezahlt! Wenn du ein schnelles Auto hast und dir die Umstände entgegenkommen, kann es jeder schaffen, aber die Spreu trennt sich in den Situationen vom Weizen, in denen es nicht nach Plan läuft. Zu Beginn dieses Jahres standen wir mehrere Male vor dem Aus. Ich habe einige Male geglaubt, dass es vorbei sei, aber wir haben uns am Riemen gerissen und einen Schritt nach dem anderen gemacht."#w1#
Brawn-Methode führt zum Erfolg
"Jetzt ist es leicht, sich von der Situation überwältigen zu lassen. Man muss sich aber hinsetzen und logisch sagen: Okay, wenn ich A, B, C machen und A Erfolg hat, dann kann ich zu B gehen und das auf eine bestimmte Weise handhaben. So sind Ross und ich an die Sache herangegangen, nicht nur im Winter, sondern auch während der Saison. Wir haben jedes Rennen für sich genommen. Jetzt sind wir Weltmeister."
Frage: "Das Team trägt den Namen von Ross Brawn. Wie groß ist sein Anteil?"
Fry: "Ross hat einen fantastischen Job gemacht, aber er selbst ist sicher der Erste, der von einer fantastischen Teamleistung spricht. Wenn ich an den letzten Winter denke, dann hatten Ross und ich noch ganz andere Brände zu löschen. Wir mussten das Auto designen, es produzieren. Die Jungs in der Fabrik waren dabei meist auf sich allein gestellt, weil wir mit anderen Dingen beschäftigt waren."
"Dies ist ein großartiger Moment. Ich hatte im Motorsport schon viele schöne Stunden. Einer unserer hochrangigeren Mechaniker, Simon Cole, war schon dabei, als Richard Burns Rallye-Weltmeister wurde. Nach dem Rennen mussten Simon und ich lachen, denn der Rest der Welt weiß es vielleicht nicht, aber wir beide haben jetzt in der Rallye- und in der Formel-1-WM den Titel gewonnen! Das ist eine nette Sache."
Frage: "Denkst du in dieser Stunde auch an die 270 Mitarbeiter, die ihr Herz und ihre Seele in dieses Auto gesteckt haben, aber im März entlassen werden mussten?"
Fry: "Ja. Das Leben ist hart, aber man muss immer darauf schauen, was der Preis dafür ist, um etwas zu bewahren. Manchmal muss man schwierige Entscheidungen treffen. Wenn wir diese Entscheidung nicht getroffen hätten, würde es das Team nicht mehr geben. Ich hoffe, dass diese Leute sich auch ein bisschen als Teil dieses Erfolgs fühlen. In vielen Fällen haben sie sechs oder sieben Jahre lang für das Team gearbeitet und viel Mühe investiert. Sie haben zum heutigen Erfolg auch beigetragen."
Frage: "Mercedes hat euch in einem schwierigen Winter ebenfalls fantastisch unterstützt, nicht wahr?"
Fry: "Wir sind ohne zu zögern in das Loch gesprungen, das Honda hinterlassen hatte. In diesem Jahr entwickelten wir eine fantastische Beziehung zu den Mercedes-Leuten. Ich hoffe, dass dies ein Lohn für das Vertrauen ist, das sie in uns gesetzt haben."
Honda freut sich mit Brawn
Frage: "Glaubst du, dass sich jetzt ein paar Manager in Tokio gewaltig in den Hintern beißen?"
Fry: "Ich glaube, sie freuen sich mit uns. Da sind wir wieder bei den harten Entscheidungen, die man treffen muss. Sie hatten mit dem Einbruch der Weltmärkte ein viel größeres Problem als wir und mussten eine harte Entscheidung treffen. Sie haben uns dieses Jahr aber auf unglaubliche Weise unterstützt. Die Manager schicken uns laufend SMS-Nachrichten, um uns zu gratulieren, oder kommen nach Suzuka. Ich denke, sie können heute auch feiern, denn dies ist genauso ihr Auto wie unseres."
Frage: "Wie ist Jenson Button mit dieser Saison umgegangen?"
Fry: "Jenson wurde in den vergangenen Jahren schwer verwundet. Wenn du schon mal in so einer Situation warst, dann ist es viel leichter, auch den Erfolg zu verkraften. Er ist der Gleiche geblieben. Er ist fokussiert und er geht sehr intelligent an seine Sache heran. Es wäre leicht gewesen, das ganze Ding in die Luft zu jagen, aber er hat das sehr vernünftig gemacht - und heute hat er das Ziel erreicht."
Frage: "Hat er dich überrascht?"
Fry: "Nein, Jenson überrascht mich nicht mehr. Das klingt, als wäre ich mit ihm verheiratet, aber wir arbeiten nun schon sehr lange zusammen und ich war schon immer davon überzeugt, dass er es schaffen kann. Dieses Jahr hat er allen bewiesen, was er drauf hat. Die Zweifler, die sagen, dass er nicht überholen kann oder nicht aggressiv genug war, können jetzt ihren Hut essen, denn heute hat er ihnen unter enormem Druck gezeigt, was Rennfahren bedeutet. Dabei hatte er heute und speziell in der zweiten Saisonhälfte phänomenal starke Konkurrenz."
Frage: "Wird er auch 2010 für euch fahren?"
Fry: "Sein Marktwert ist gerade ordentlich in die Höhe gegangen, was mir mein Leben als Geschäftsführer, der die ganzen Verträge abschließt, nicht leichter macht. Aber sehr wahrscheinlich wird er bleiben. Wir wollen, dass er bleibt, und ich weiß, dass er auch bleiben will. Außerdem arbeiten wir ja schon seit vielen Jahren zusammen."
"Ross und ich wollen sicherstellen, dass wir kein One-Hit-Wonder bleiben. Wir haben Ressourcen für nächstes Jahr zurückgehalten. Das könnten jetzt die berühmten letzten Worte gewesen sein, aber ich glaube, dass wir auch nächstes Jahr sehr stark aussehen werden - hoffentlich mit Jenson als Fahrer."

