• 13.04.2023 12:18

  • von Matt Somerfield, Co-Autor: Stefan Ehlen

Formel-1-Technik: Sitzen die Mercedes-Fahrer wirklich weiter vorne im Auto?

Was die Cockpitposition von Lewis Hamilton im Mercedes W14 auf technischer Seite bedeutet und was zum Beispiel Red Bull bei seinen Autos anders macht

(Motorsport-Total.com) - "Unser Cockpit ist weit nach vorne gerückt, wir sitzen näher an den Vorderrädern als andere Fahrer." Das ist einer der Kritikpunkte von Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton am aktuellen Mercedes W14 für die Formel-1-Saison 2023. Sein Fazit: "Unser Cockpit befindet sich zu weit vorne. Als Fahrer sitzt du fast auf den Vorderrädern, und das ist eines der schlimmsten Gefühle im Auto. Das muss sich ändern."

Titel-Bild zur News: Vergleich der Sitzposition der Formel-1-Fahrer 2023 in ihren Autos

Vergleich der Sitzposition der Formel-1-Fahrer 2023 in ihren Autos Zoom

Allerdings: Mercedes hat das Cockpit im Vergleich zum Vorgängerauto W13 nicht verändert, denn das hätte weitreichendere Umbauten am gesamten Fahrzeug erforderlich gemacht. Die Cockpitposition hat nämlich Auswirkungen auf die Gewichtsverteilung, die Aufhängung und die Aerodynamik.

Ein Beispiel: Hätte Mercedes zur Saison 2023 sein Cockpit weiter nach hinten versetzen wollen, es hätte den (oberen) seitlichen Aufprallschutz vor der Seitenkasten-Öffnung im gleichen Maß nach hinten versetzen müssen. Denn die Regeln sehen nur einen kleinen Bereich von 50 Millimetern vor, in dem der Aufprallschutz seitlich des Cockpits angebracht werden kann.

Mercedes' Kompromisslösung für den W14

Eine solche Änderung hätte Anpassungen am Seitenkasten nach sich gezogen, womit sich Mercedes vielleicht auch von seinem aktuellen Seitenkasten-Design hätte verabschieden müssen. Das ist aber nicht passiert. Mercedes hat im Gegenteil eine Kompromisslösung umgesetzt und die Seitenkasten-Öffnung höher und schmaler gestaltet und im Vergleich zum W13 leicht nach hinten versetzt.

Mercedes W13 von 2022 und Mercedes W14 von 2023 im Direktvergleich

Mercedes W13 von 2022 und Mercedes W14 von 2023 im Direktvergleich Zoom

Ein weiterer Faktor bei Hamiltons (fehlendem) Gefühl für den Mercedes W14 ist die Vorderachse und deren Positionierung im Auto. Auch hier machen die Formel-1-Regeln klare Vorgaben: Die Vorderachse muss in einem Bereich von 100 Millimetern hinter dem vorderen Schott angebracht sein.

Direktvergleich: Mehr Platz bei Red Bull

Der Vergleich zum Red Bull RB19 zeigt: Max Verstappen und Sergio Perez sitzen etwas weiter hinten im Auto als Hamilton und George Russell, haben einen größeren Abstand zur Vorderachse.

Vergleich der Sitzposition der Formel-1-Fahrer bei Mercedes und Red Bull 2023

Vergleich der Sitzposition der Formel-1-Fahrer bei Mercedes und Red Bull 2023 Zoom

Red Bull hat so auch mehr Platz unterhalb des Fahrers geschaffen, um Elektronik und weitere Zusatzkomponenten ins Fahrzeug zu integrieren. Diese Teile befinden sich bei Red Bull nicht wie sonst üblich im Seitenkasten, sondern unter dem Chassis.

Ein solcher Aufbau wiederum bietet den Designern mehr Freiheiten der Gestaltung des Seitenkastens. Red Bull hat konkret den unteren Einschnitt am Seitenkasten vergrößert, vor allem im Vergleich zu anderen Autos im Feld.

Red Bull mit modifizierter Vorderachse für 2023

Und wo Mercedes von 2022 auf 2023 alles belassen hat, wie es war, hat Red Bull die Vorderachse seines Fahrzeugs modifiziert: Die Achse sitzt beim RB19 etwas weiter vorne als noch beim RB18 aus dem Vorjahr.

Es ist unklar, ob das als eine Reaktion auf die veränderten Reifenmischungen von Formel-1-Lieferant Pirelli zu verstehen ist, womit Pirelli die Tendenz zum Untersteuern vermindern wollte. Vielleicht handelt es sich bei der Modifizierung auch um eine generelle Weiterentwicklung bei Red Bull ausgehend vom RB18.

Vergleich der Vorderrad-Aufhängung am Red Bull RB18 und am Red Bull RB19

Vergleich der Vorderrad-Aufhängung am Red Bull RB18 und am Red Bull RB19 Zoom

Klar ist jedoch: Eine solche Anpassung hat Auswirkungen auf das Fahrverhalten des Autos und sie ändert auch das Verhältnis der Luftverwirbelungen und Luftströme an Frontflügel und Vorderrädern bis hin zu Unterboden und Seitenkästen.

Und Mercedes hat sich mit der aktuellen Situation bereits arrangiert. Man habe der Designrichtung ausgehend vom W13 in der Saison 2023 "eine zweite Chance" geben wollen, erklärt Teamchef Toto Wolff. "Die haben wir uns jetzt gegeben, um das Paket performen zu lassen, und das ist nicht gelungen." Das Team wolle für 2024 "in eine andere Richtung fahren", womöglich auch mit neuer Cockpit-Position und weiteren Änderungen am Fahrzeugkonzept.