• 06.09.2015 15:26

  • von Dominik Sharaf

Formel 1 Italien 2015: Lewis Hamilton gewinnt in Monza

Der Italien-Sieg ging an Lewis Hamilton, doch die FIA ermittelt wegen zu niederiger Reifendrücke - Sebastian Vettel Zweiter - Motorschaden bei Nico Rosberg

(Motorsport-Total.com) - Tohuwabohu nach dem Italien-Grand-Prix in Monza: Obwohl Mercedes-Star Lewis Hamilton am Sonntagnachmittag einen lupenreinen Start-Ziel-Sieg einfuhr, war sich bei der Zielankunft des Briten niemand sicher, ob er das Rennen auch tatsächlich gewonnen hatte. Denn schon kurz vor dem Abwinken des Weltmeisters kursierte an der Strecke die Meldung, dass gegen Hamilton eine FIA-Untersuchung läuft, weil er mit zu niedrigem Reifendruck unterwegs gewesen sein soll (alle Informationen zur möglichen Disqualifikation!).

Der zweitplatzierte Sebastian Vettel war nach seinem ersten Ferrari-Heimspiel in der FIA-Pressekonferenz den Tränen nahe. Dass die Rennleitung ebenfalls Ermittlungen gegen Nico Rosberg ankündigte, war Randnotiz, da der Deutsche das Ziel nicht erreichte. "Wir verstehen es nicht", wundert sich Mercedes' Technik-Teamchef Paddy Lowe. "Wir wurden zu den Stewards bestellt, also werden wir hingehen und es erklären."

Lowe ist sich jedoch keiner Schuld bewusst: "Ich weiß nur, dass wir unseren Reifendruck unter der Aufsicht von Pirelli eingestellt haben. Der anwesende Ingenieur war damit komplett einverstanden. Daher verstehe ich nicht, warum es jetzt eine Untersuchung gibt." Seit den Reifenplatzern von Spa-Francorchamps vor zwei Wochen gelten neue Vorschriften in Bezug auf den Luftdruck, der aus Sicherheitsgründen 19,5 psi auf der Hinterachste respektive 22 psi auf der Vorderachse betragen muss. Hamilton soll 0,3 psi, Rosberg 1,1 psi darunter gelegen haben.

Die Pflichtwerte sind leistungstechnisch nicht optimal, weshalb Pirelli bereits nach dem Qualifying am Samstag die Befürchtung äußerte, dass die Teams tricksen könnten - zum Beispiel per Setup oder mit überdrehten Heizdecken. Dass am Hamilton-Sieg etwas faul war, wurde bereits acht Runden vor Schluss deutlich, als der dominante Brite im Funk dazu aufgefordert wurde, seinen ohnehin rund 22 Sekunden großen Vorsprung auf Vettel weiter auszubauen.

Es hieß: "Lewis, wir brauchen jetzt von dir ein paar Hammerunden, wir müssen einen Vorsprung herausfahren. Keine Frage, wir klären das nach dem Rennen auf!" An der Box waren sorgenvolle Mienen zu sehen - doch warum der Weltmeister womöglich einen Vorsprung für einen zusätzlichen Stopp herausfahren muss, darüber schienen Zuschauer wie der Fahrer selbst zu rätseln. Hamilton war die Anweisung ein Dorn im Auge, wie er seinem Renningenieur deutlich zu verstehen gab.

Er vergrößerte die Lücke aber auf 25,042 Sekunden - um eine Strafe zu kompensieren? Der Brite bleibt schmallippig: "Wir wollten einfach den größtmöglichen Vorsprung herausholen", meint er. "Aus verschiedensten Szenarien." Niki Lauda wollte bei 'RTL' sowieso nicht über die Sache diskutieren und blockt ab: "Ich glaube, da wird es sicher ein Missverständnis geben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand unter den vorgeschriebenen Reifendruck geht - Mercedes sicher nicht."

Zumindest in den 53 Runden des Grand Prix brannte für Hamilton im Cockpit nichts an. Mit einem makellosen Start übernahm er die Führung, wechselte als letzter Pilot auf den Topplätzen von den Soft- auf die Medium-Reifen und beendete das Monza-Rennen mitsamt der schnellsten Rennrunde genau dort, wo er es begonnen hatte: auf Rang eins. "Er ist ein perfektes Rennen gefahren, ich kann mich nicht beschweren", lobt Lauda in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender des Mercedes-Formel-1-Teams.

Ebenfalls einen makellosen Auftritt legte Vettel hin. Er schob sich am Start m stehengebliebenen Teamkollegen Kimi Räikkönen vorbei auf Platz zwei, konnte Hamilton dann nicht mehr folgen und brachte den Silberrang souverän nach Hause. "Ich glaube, es war einer der emotionalsten Tage, die ich in der Formel 1 je hatte", jubelt Vettel, erstmals in Rot in Italien unterwegs. "Der Moment auf dem Podium macht das Ganze so lebenswert und den Traum, Formel-1-Fahrer zu sein und bei Ferrari zu sein, so lebendig."


Fotos: Großer Preis von Italien, Sonntag


Trotzdem sei gegen Hamilton kein Kraut gewachsen gewesen: "Natürlich habe ich alles probiert, um am Lewis dranzubleiben, aber es war nicht möglich. Sie waren einfach zu schnell. Am Ende mussten wir gegen Nico noch einmal Gas geben, aber ich denke, es hätte trotzdem gereicht." Gemeint ist Mercedes-Pilot Rosberg: Der Vizeweltmeister war in Runde eins auf Rang fünf zurückgefallen, schaffte es mit einem früheren Boxenstopps jedoch wieder vorbei an den Williams-Piloten Felipe Massa und Valtteri Bottas.

Unheil ereilte Rosberg - zu diesem Zeitpunkt schneller als Vettel, obwohl er im Rennverlauf von seinem Team mehrmals dazu aufgefordert wurde, die überhitzenden Bremsen zu schonen - zwei Runden vor Schluss, als sein am Samstag eingebauter Gebrauchtmotor in Qualm und Öl aufging. "Sehr enttäuschend. Das war einfach großes Pech", hadert der frisch gebackene Vater. "Ich habe schon das ganze Rennen mit stumpfen Waffen gekämpft und am Ende geht das Ding noch hoch. Ich hatte gerade von den Ingenieuren freie Bahn bekommen, dass ich jetzt richtig attackieren kann."

Massa, der kurz vor der Ziellinie fast noch von dem mit frischeren Reifen ausgestatteten Bottas geschnappt worden wäre, komplettierte das Podium als Dritter - obwohl seine Williams-Truppe einmal mehr nicht mit optimaler Strategie agierte. Räikkönen beendete das Rennen als Fünfter, nachdem er am Start an das Ende des Feldes zurückgefallen war. Aus ungeklärten Gründen schien an der grünen Ampel kein Gang eingelegt, weshalb der Finne stehenblieb, nach einigen Sekunden doch losrollte und nur mit Glück von keinem vorbeischießenden Konkurrenten am Heck getroffen wurde.

Anschließend pflügte Räikkönen durch das Feld, fuhr so viele Runden wie kein anderer Pilot auf den weichen Reifen und rettete immerhin einige WM-Punkte beim Ferrari-Heimspiel. Es folgten die beiden Force India von Sergio Perez und Nico Hülkenberg, Daniel Ricciardo im Red Bull, Sauber-Fahrer Marcus Ericsson sowie Daniil Kwjat im zweiten Red Bull auf dem zehnten Rang. Elfter wurde Carlos Sainz vor Teamkollege Max Verstappen im Toro Rosso, Felipe Nasr im Sauber, Jenson Button im McLaren und den beiden Manor-Marussias von Will Stevens und Robert Merhi.

Die Zielflagge nicht sahen der erneut von technischen Problemen geplagte Fernando Alonso (McLaren) sowie die beiden Lotus von Romain Grosjean und Pastor Maldonado. Während der Franzose beim Start von einem Konkurrenten getroffen wurde und mit gebrochener Hinterachse aufgeben musste, brach beim Venezolaner beim Räubern über einen Randstein - mutmaßlich in der ersten Schikane - der Unterboden. So war für das Team das Rennen bereits nach einer Runde komplett gelaufen.