Formel 1 in China: "Boom" hat es nie gemacht
Keine Zuschauer, keine einheimischen Sponsoren und ein staatlicher TV-Sender, der quertreibt: Mit welchen Problemen die Königsklasse im Reich der Mitte kämpft
(Motorsport-Total.com) - Seit zehn Jahren fährt die Formel 1 nun schon in China und ist damit einem wichtigen Anliegen der Hersteller sowie der engagierten Konzerne gerecht geworden. Sie wollen auf dem Boommarkt der aufstrebenden Wirtschaftsmacht, die sich nach Außen gerne abschottet, Fuß fassen und die Königsklasse des Motorsport als Türöffner nutzen. Allerdings scheint dieser Plan nicht aufzugehen. Eine Dekade nach der Schanghai-Premiere im Reich der Mitte zeigt sich, dass der Sport noch nicht angekommen ist.

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Gute Aussichten? Große Perspektiven hat die Formel 1 in China nicht
Die Probleme betreffen das wirtschaftliche Umfeld, den Zuspruch an der Strecke und die Rezeption im Fernsehen. Offenbar gibt es Schwierigkeiten, chinesische Sponsoren für das Event zu gewinnen. Titelsponsor ist nach dem Ausstieg eines lokalen Energiekonzerns mit der Großbank UBS ein Unternehmen aus der Schweiz. "In Schanghais Innenstadt bekommt man nicht den Eindruck, dass die Formel 1 vor Ort ist", hadert Mark Gallagher, ehemaliges Vorstandsmitglied des Red-Bull-Teams, gegenüber 'Bloomberg'.
Formel-1-Chef Bernie Ecclestone nennt das Interesse an der Formel 1 in China im Gespräch mit dem Sender angesichts der riesigen Bevölkerung "enttäuschend" und begründet die Entscheidung, dort ein Rennen zu veranstalten, damit, dass man dem Charakter einer Weltmeisterschaft Rechnung tragen wolle. Das ist nicht unbedingt ein Kompliment, obwohl der 82-Jährige die Verantwortlichen in Schanghai in Schutz nimmt: "Die Organisatoren geben ihr Bestes." Auf den Medienpartner scheint das nicht zuzutreffen.
Ecclestone sauer auf Staatssender
Genau wie der Zuspruch auf den Tribünen sind die TV-Einschaltquoten des übertragenden Staatssenders CCTV ernüchternd. Durchschnittlich sahen die Grands Prix im Verlauf der Saison 2012 zwei Millionen Menschen bei einem Marktanteil von vier Prozent. Die Fernsehanstalt hatte reagiert und die Berichterstattung um ein Drittel gekürzt, die Rennen in Japan, Kanada und Ungarn wurden gar nicht übertragen. "Normalerweise ist auf die Sender Verlass, aber bei CCTV machen sie, was sie wollen", schimpft Ecclestone.
Offenbar tritt die Formel 1 in China auf der Stelle und das ist auch Mark Webber nicht verborgen geblieben. "Ich denke nicht, dass das Rennen so viel verändert hat", blickt er auf die vergangenen zehn Jahre zurück. "Wir haben ein paar Zuschauer mehr, die im Laufe der Jahre gekommen sind." An der Bahn vor den Toren Schanghais würde das nicht liegen, versichert der Australier, der sich von der Anlage überzeugt zeigt: "Die Strecke selbst war immer gut gepflegt. Sie bietet reichlich Action und ist herausfordernd."
Fehlt der China-Böller?

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Bunt, aber mehr auch nicht: In der Innenstadt gibt es kein Formel-1-Flair Zoom
Es wird deutlich: Die Formel 1 ist trotz ihrer globalen Expansion noch immer eine europäische Veranstaltung. Nicht nur alle Teams und zwei Drittel der Fahrer kommen vom Stammkontinent der Serie, die neun Rennen dort spülen mit insgesamt 689 Millionen Euro auch deutlich mehr Geld in die Kasse als die sieben WM-Läufe in Asien, Australien sowie Nord- und Südamerika. Hier fließen nur 307 Millionen Euro. Dennoch gibt es seitens der Hersteller und Konzerne ein Interesse daran, auf neuen Märkten aktiv zu werden.
Bestes Beispiel ist Ferraris Endkundengeschäft, das in China trotz hoher Steueraufschläge für Importprodukte boomt - ein aktuelles Modell kostet im Neo-Sozialismus der Volksrepublik das Dreifache von dem, was in Europa oder den USA verlangt wird. Vielleicht ist die entscheidende Zutat, die fehlt, ein chinesischer Fahrer. Mit Qing-Hua Ma ist ein Pilot bei Caterham zumindest in den Kreis der Test- und Ersatzleute aufgerückt. Tennis jedenfalls hat mit dem French-Open-Sieg der Chinesin Li Na den Durchbruch geschafft.

