• 09.09.2013 07:49

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Force India: McLaren enteilt im Kampf um Platz fünf

Ursachenforschung bei Force India: Wie Reifen und Setup im Kampf um WM-Platz fünf gegen McLaren das Blatt gewendet haben

(Motorsport-Total.com) - Nach einem hervorragenden ersten Saisondrittel hatte Force India nach Silverstone bereits 22 Punkte Vorsprung auf McLaren, doch nur vier Rennen später sieht es tendenziell nicht mehr so aus, als würde das britisch-indische Team den Kampf David gegen Goliath ernsthaft aufrechterhalten können. In der Konstrukteurs-WM haben Paul di Resta und Adrian Sutil inzwischen schon fünf Zähler Rückstand auf Button/Perez.

Titel-Bild zur News: Sergio Perez, Paul di Resta

McLaren hat Force India in der Konstrukteurs-WM inzwischen überholt Zoom

Während Force India in den vergangenen vier Rennen drei Nullnummern und einen neunten Platz von Sutil in Spa-Francorchamps angeschrieben hat, sammelte McLaren satte 29 Punkte. Wenn man bedenkt, dass McLaren den MP4-28 immer noch weiterentwickelt, während für den VJM06 keine nennenswerten Updates mehr vorgesehen sind, stehen die Chancen darauf, Platz fünf doch noch zu erobern, denkbar schlecht.

Aber: "Einfach aufzugeben wäre zu einfach. Man muss kämpfen", sagt Sutil gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Es ist ein Sport, in dem man immer alles geben muss. Es kann sich immer was tun - man kann ein glückliches Rennen haben, wo alles für einen läuft, und dann ist man auf dem Podium. Es sind noch sieben Rennen und wir wollen nicht aufgeben." Nachsatz: "Aber es wird nicht einfach."

Sutil sieht McLaren im Vorteil

"McLaren ist ein großes Team, ein Weltmeisterteam, keine Frage. Der Vorteil liegt bei McLaren, aber wir werden es versuchen", gibt sich der Deutsche kämpferisch. "Wir müssen das Auto verbessern und so nach vorne kommen. Das möchte ich erreichen. Die Tendenz geht nach unten. Das ist schwierig, auch nicht einfach für mich selbst. Es ist besser, wenn das Auto immer schneller wird, besonders Ende des Jahres."

Die Trendwende ins Negative kam für Force India mit der Reifenplatzer-Orgie in Silverstone, durch die Pirelli gezwungen war, die aktuellen Pneus zu modifizieren. Das half Teams wie Mercedes und Red Bull, schadete aber den "Reifenflüsterern" wie Force India oder Lotus. "Wir haben keine großartigen Probleme, aber die anderen haben keine Probleme mehr und sind deshalb besser geworden. Es ist einfach so, dass wir keinen Vorteil mehr haben", analysiert Sutil.

Adrian Sutil

Adrian Sutil hofft, dass ein besseres Setup noch die Wende bringen kann Zoom

Teamkollege Paul di Resta gerät bei dem Thema mehr in Rage: "Es ist unfair, die Reifen mitten im Jahr zu verändern", kritisiert er. "Wir haben ein Auto entworfen, das mit dem Reifen funktionierte, den wir im vergangenen Jahr in Brasilien getestet haben. Wir haben ihn sehr gut verstanden. Die Änderung war nicht ideal, aber es ist auch nicht ideal, wenn die Reifen versagen. Daher waren wir kooperativ. Es hat unseren Fortschritt gestoppt. Bis dahin war es ein richtig gutes Jahr."

Force-India-Veto nach Silverstone nichtig

Mercedes und Co. hatten sich bekanntlich schon früh dafür eingesetzt, die 2013er-Reifen zu modifizieren, blitzten aber anfangs am Veto von Lotus und Force India ab. Nach Silverstone war eine Änderung aufgrund der Sicherheitsproblematik jedoch nicht mehr abwendbar. Interessant jedoch, dass Force India plötzlich auch auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke wie Monza hinterherfährt, obwohl die neuen 2013er-Reifen fast identisch sind mit jenen von 2012.

Da war Force India noch konkurrenzfähig, allerdings mit einem anderen Chassiskonzept. "Das Auto ist anders", erklärt Teamchef Vijay Mallya im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. "Es wurde für die 2013er-Reifen konstruiert, wie wir sie bis Silverstone hatten. Da lief es wirklich gut, aber seit die Reifen verändert wurden, haben wir Probleme. Das ist Tatsache." Gleichzeitig gibt er zu: "Es gibt keine Entschuldigungen für dieses Wochenende. Wir waren einfach nicht schnell genug."

"Seit die Reifen verändert wurden, haben wir Probleme. Das ist Tatsache." Vijay Mallya

"Wir hatten das ganze Wochenende Probleme, vom ersten Training an schon. Diese Strecke sollte unserem Auto eigentlich liegen, aber aus irgendeinem Grund kamen wir nicht auf Tempo. Wir konnten die Reifen-Performance nicht maximieren und standen in der jüngeren Vergangenheit eindeutig nie so sehr auf dem falschen Fuß wie hier", gesteht der Inder, dessen Autos heute nicht die Zielflagge sahen.

Mallya sucht nach Monza nicht nach Ausreden

"Im Rennen haben wir versucht, ein paar Dinge anders als im Training oder Qualifying zu machen. Wir waren angenehm überrascht, dass Adrian Mitte des Rennens recht flott war, Dritt- oder Viertschnellster im Feld, aber das ist bei so einem Endergebnis kein Trost", so Mallya. "Wir müssen noch viel über das Verhalten dieser Reifen lernen - hoffentlich bekommen wir das vor Singapur hin. Das ist auch eine Strecke, die unserem Auto eigentlich liegen müsste."

Um McLaren noch zu überholen, muss Force India in den verbleibenden sieben Grands Prix wohl auf Ausfälle der direkten Konkurrenz und etwas Rennglück hoffen. "Das mache ich schon seit Jahren", sagt Sutil achselzuckend. "Ich muss immer auf meine Chance hoffen, sonst gibt es Platz sieben oder acht. Ich bin in die Formel 1 gekommen, um zu gewinnen - da ist ein siebter Platz nicht so schön. Es ist nicht da, wo ich sein möchte."

"Ich bin in die Formel 1 gekommen, um zu gewinnen - da ist ein siebter Platz nicht so schön." Adrian Sutil

Dabei liegt es seiner Meinung nach nicht am Fahrtalent, dass er hinter Sebastian Vettel und Nico Rosberg nur in der "zweiten Klasse" der deutschen Formel-1-Liga spielt: "Gib mir ein gescheites Auto und ich fahre vorne mit!", behauptet er und ergänzt: "Wenn ich nicht gut genug wäre, hätte ich schon aufgehört. Es gibt immer Herausforderungen, denen man sich im Leben stellen muss. Das muss man bewältigen."

Sutil: Nur eine Frage des richtigen Setups?

Konkretes technisches Problem gibt es abgesehen von den veränderten Reifen seiner Meinung nach keines, obwohl Force India die Weiterentwicklung des aktuellen Autos bereits eingestellt hat. Aber: "Die anderen bringen ja auch nicht viel. Jeder hat die gleiche Herangehensweise bezüglich des kommenden Jahres, also früh am nächstjährigen Auto zu arbeiten", erklärt Sutil.

"Die Topteams können es sich leisten, noch am aktuellen Auto zu arbeiten, aber wir sind nicht die einzigen, die eine solche Strategie haben. Von daher: Wir haben unser Paket einfach nicht hundertprozentig im Griff", fährt er fort. Seit dem Nürburgring fühle sich der VJM06 nicht mehr so gut an, dass die Fahrer voll attackieren könnten: "Das Auto war Anfang des Jahres super zu fahren, aber jetzt ist es nicht mehr gut zu fahren. Es gibt überall Probleme."

Vijay Mallya

Vijay Mallya sucht für die schlechte Leistung in Monza keine Ausreden Zoom

Sutil macht das an einem Setup-Problem fest und gibt die Hoffnung nicht auf, dass das schon beim nächsten Rennen wieder kippen könnte: "Der Abstand nach vorne ist ja nicht riesig groß, es sind Kleinigkeiten. Wenn wir ein perfektes Setup hinbekommen würden, sodass das Auto ist, wie es mal war, dann würde ich eine halbe Sekunde pro Runde schneller fahren. Dann ist man wieder in einem Bereich, in dem man mal war", glaubt er.