FIA-Mann Novak: Niemand kann Mosley ersetzen
Radovan Novak, FIA-Repräsentant für Mitteleuropa, spricht im Interview über die Probleme der Formel 1, Max Mosley und vieles mehr
(Motorsport-Total.com) - Im Mai sorgte Radovan Novak, Repräsentant der FIA für die Zone Mitteleuropa, für Aufsehen, als er in einem Interview McLaren-Mercedes beschuldigt haben soll, FIA-Präsident Max Mosley in jene Sexfalle gelockt zu haben, die Mosley wegen der Veröffentlichung in 'News of the World' später beinahe zum Verhängnis geworden wäre. Im Interview am Rande einer Rallyeveranstaltung im österreichischen Freistadt hatte er nun Gelegenheit, einige Dinge richtig zu stellen und über die Zukunft der Formel 1 zu sprechen.

© MNT
Radovan Novak ist Repräsentant der FIA für die Zone Mitteleuropa
Frage: "Herr Novak, Sie sind ein bedeutendes Mitglied in der obersten Sportbehörde FIA..."
Radovan Novak: "Ein altes Mitglied, das gefällt mir besser (lacht; Anm. d. Red.)..."#w1#
Ein Fan von Mosleys Konzepten
Frage: "Es gibt viele Veränderungen im Motorsport, doch manche Fans finden, es wird von der FIA zu viel auf den Kopf gestellt, es gibt zu viele Änderungen. Was sagen Sie dazu?"
Novak: "Das ist sehr schwer zu sagen, denn manche der Änderungen sind wirklich nötig. Wenn wir über die Formel 1 sprechen, dann gibt es da zwei Gruppen von Teams: Die einen sind jene, die das Geld haben, und die anderen sind jene, die gerade einmal überleben. Und das Gesamtkonzept von Herrn Mosley ist es, die Kosten auf ein vernünftiges Maß zu beschränken."
"Natürlich sind da viele Änderungen nötig und natürlich sind nicht alle glücklich damit. Aber vielleicht ist es ein Weg, um mehr Ausgewogenheit zu erreichen. Wenn Herr Mosley einen Einheitsmotor ausschreibt und wenn diese Ausschreibung erfolgreich wäre, dann wird damit der Motorsport beziehungsweise die Formel 1 auf ein eher konkurrenzfähiges und ausgeglichenes Level gebracht, als es heute der Fall ist."
"Denn wenn man die Formel 1 betrachtet, dann haben wir Hamilton, dann haben wir Ferrari, manchmal Alonso und manchmal jemanden, der für eine Überraschung sorgt - aber mehr haben wir nicht. Und der Rest der Teams befindet sich auf dem anderen Ende der Siegerstraße. Vielleicht haben wir dann einen weniger teuren Motor, der für alle gleich ist. Dann würde der Fahrer selbst wieder mehr in den Vordergrund rücken."
Frage: "Aber es gibt auch Fans, welchen die Formel-1-Technik etwas bedeutet. Ein Beispiel: 1979 gab es verschiedenste Motorenkonzepte, die Autos waren auch völlig unterschiedlich - jedes Auto hatte quasi ein eigenes Gesicht. Es stellt sich die Frage: Ist es denn überhaupt noch eine Konstrukteurs-Weltmeisterschaft, wenn alles derart vereinheitlicht wird?"
Novak: "Natürlich ist diese Frage sehr wichtig für die Konstrukteure. Aber für das Publikum ist die Fahrer-Weltmeisterschaft interessant. Für die Hersteller geht es darum, wer der Gewinner der Herstellerwertung ist."
Große Kluft zwischen Arm und Reich
"Ganz klar ist: Wenn Ferrari Millionen von Euros investieren kann und Toro Rosso nur Tausende von Euros, dann ergibt das einen großen Unterschied. Ich weiß nicht, ob es gut ist oder nicht, aber irgendetwas muss in der Formel 1 passieren! Auch deshalb, weil die Rennen oft langweilig sind. Die Menschen betrachten das Ganze aus nostalgischen Blickpunkten. Es gibt kein Überholen mehr - der Sieg wird normalerweise bei den Boxenstopps ausgemacht. Und wo ist dann eigentlich das wirkliche Rennen? Es gibt keines."
Frage: "So gesehen müsste man sagen: Die Einheitsserie GP2 ist ein gutes Beispiel für guten Motorsport. Aber es handelt sich dann eben nicht mehr um eine WM der Konstrukteure..."
Novak: "Es sind auch die Tourenwagen-Meisterschaften wie FIA-GT oder WTCC um vieles besser als die Formel 1. Weil dort die Kluft zwischen der Spitze und dem letzten Team nicht so groß ist. Und das ist sehr wichtig."
"Schauen Sie sich die Rallye-WM an: Auch wenn es dort nur sehr wenige Teams gibt - es ist eine konkurrenzfähige Meisterschaft. Und wenn man einmal Sébastien Loeb beiseite lässt - alle anderen können gewinnen. Auch wenn die Rallyeautos sehr teuer sind, so sind sie noch lange nicht so teuer wie jene der Formel 1."
Frage: "Könnte statt einer Vereinheitlichung nicht eine Budgetlimitierung ein möglicher Ausweg sein?"
Novak: "Niemand kann das Budget eines Teams kontrollieren, weil es sich um eine kommerzielle Angelegenheit handelt - und niemand von der FIA kann das Budget eines Teams beeinflussen. Aber ein Weg wäre zum Beispiel eben dieser Einheitsmotor."
"Guter Kollege" von Mosley
Frage: "Sie sind ein guter Freund von Max Mosley?"
Novak: "Naja..."
Frage: "Es hat zumindest jemand geschrieben, dass Sie ein guter Freund von Max Mosley seien."
Novak: "Ich weiß nicht, ob 'guter Freund' der korrekte Ausdruck für unsere Beziehung ist."
Frage: "Ein guter Kollege?"
Novak: "Guter Kollege... Ich wurde von Max Mosley auserkoren, in den internationalen Weltrat der FIA zu kommen, als bei uns der Ostblock verschwand. Denn er wollte keine russischen Repräsentanten dabei haben. Vor allem aber auch, weil die Tschechische Republik einen guten Motorsport vorweisen kann. Ich wurde von Max Mosley selektiert und ich kann mit ihm zu jeder Zeit sprechen, wann immer ich das möchte. Aber ein guter Freund ist etwas anderes."
Frage: "Sie wurden zitiert mit einer Aussage, wonach Sie glauben würden, dass hinter der Veröffentlichung des versteckt gefilmten Sadomaso-Videos von Max Mosley jemand aus der Formel 1 stecken könnte."
Novak: "Ich weiß es nicht."
Frage: "Glauben Sie, dass es möglich ist, dass jemand aus der Formel 1 dahinter steckt?"
Novak: "Natürlich ist es möglich. Aber es ist nicht sicher, es gibt keine Beweise. Damals hat man mich im tschechischen Radio gefragt und ich habe genauso wie heute gesagt: 'Ich weiß es nicht. Es wäre möglich, dass es jemand vom Team gewesen ist, es könnte aber auch jemand anderer gewesen sein.' Mehr habe ich nicht gesagt."
Viele Verschwörungstheorien möglich
"Es ist alles möglich. Es könnte ja auch ein Fahrer gewesen sein, der sich rächen wollte. Da gibt es so viele Möglichkeiten, wie das passiert sein könnte. Ich weiß es jedenfalls wirklich nicht. Ich könnte nicht schwören, ob es jemand vom Team war oder nicht. Und zu dem Fall an sich kann jeder seine eigene Meinung haben - ob es sich um eine private Angelegenheit gehandelt hat oder ob es dem Motorsport geschadet hat. Letztlich gab es eine Generalversammlung und eine Abstimmung. Die Mehrheit der Länder hat beschlossen, dass diese Angelegenheit nichts zu tun hat mit der FIA und Max Mosley weiterhin FIA-Präsident bleiben soll."
"Ich bin froh, dass es so gekommen ist, denn eines ist klar: Wenn man Max Mosley aus der FIA werfen würde, dann wäre derzeit zumindest niemand hier, der ihn ersetzen kann. Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass es hier nicht um die Frage geht, ob Max Mosley im Amt bleibt oder nicht. Unser Problem besteht einzig und allein darin, wer ihn ersetzen soll. Und das ist ein großes Problem."
Frage: "Es gibt wirklich niemanden?"
Novak: "Nein. Es gibt einige Leute aus den großen Ländern, die gerne den Platz von Max Mosley einnehmen würden. Sie haben sich sehr dafür eingesetzt, dass Max bei der Vertrauensabstimmung nicht bestätigt wird. Aber niemand weiß, ob es irgendwo jemanden gibt, der so gut ist wie Max Mosley."
"Ich mag ihn. Er ist ein Rechtsexperte. Er weiß, wie man sich benimmt - in jeder Situation. Er weiß sehr viel über den Formelrennsport. Klar, er weiß nicht viel über Rallye, Bergrennen oder den Offroadsport. Aber da gibt es den Vizepräsidenten, der verantwortlich ist für diese Bereiche. Aber ich kann wirklich niemanden sehen, der Max Mosley jetzt ersetzen könnte."
Keine hohe Meinung von Jean Todt
Frage: "Jean Todt?"
Novak: "Jean Todt ist ein Mitglied des Weltrats und er repräsentiert die Formel-1-Teams. Das ist natürlich nur meine persönliche Einschätzung: Ich denke nicht, dass Jean Todt die richtige Person ist, um FIA-Präsident zu werden. Todt hat definitiv keine Unterstützung von Bernie Ecclestone. Und das ist ebenfalls sehr wichtig."
Frage: "Das alte Wechselspiel zwischen Ecclestone und Mosley..."
Novak: "Ja, das ist immens wichtig. Die beiden müssen alle Probleme gemeinsam lösen. Max Mosley muss sich um die sportliche Seite kümmern und Bernie hat den Bereich des Promoters über. Und wenn die beiden auf einer Linie sind, dann ist das gut so, dann können sie mit den Teams sprechen. Wenn sie aber gegeneinander kämpfen würden, dann wäre das hart, denn die Teams würden sich in diesem Fall auf jene Seite schlagen, wo sie mehr Vorteile erhalten."
Frage: "Und Sie haben keine Lust auf den Job des FIA-Präsidenten?"
Novak: "Nein. Meiner Meinung nach sollte Max Mosley sich dazu entschließen, eine weitere Periode im Amt zu bleiben - und während dieser Zeit sollte er jemanden finden und aufbauen, der ihn danach ersetzen kann."
Frage: "Und dieser Mann sollte aus dem FIA-Kader kommen?"
Novak: "Egal, der kann von überall her kommen. Es spielt keine Rolle, ob es ein FIA-Mann ist. Der Präsident muss sehr viel über den Sport wissen, aber ein großer Teil seines Jobs besteht auch aus einer politischen Rolle."
FIA-Präsident muss ein Diplomat sein
"Er muss mit Brüssel verhandeln, er muss mit den verschiedensten Vereinigungen verhandeln. Wenn er beispielsweise nach Prag kommt, dann muss er mit dem Präsidenten des Landes konferieren, daher muss es jemand sein, der dazu in der Lage ist, auf einer solchen Ebene und auf einem solchen Niveau zu sprechen."
Frage: "Flavio Briatore wurde auch schon als möglicher Kandidat genannt..."
Novak: "Sie können mir jetzt 20 Namen nennen..."
Frage: "Schon klar. Aber Briatore ist zumindest ein guter Manager."
Novak: "Ja, Briatore ist ein sehr guter Manager. Aber dann haben wir die Zeitungen voll wegen seiner Mädchengeschichten - das wäre dann vielleicht noch schlimmer als bei Herrn Mosley (lacht; Anm. d. Red.)! Nein, definitiv - es ist nicht mein Job, aber Herr Mosley ist definitiv auf der Suche nach jemandem. Er betrachtet es als seine Pflicht, jemanden zu finden, der ihn ersetzen kann. Aber wir sind weit davon entfernt."
"Ich bin ein Mann des Sports und ich möchte mich nicht in irgendwelche verdammten politischen Diskussionen einmischen. Ich habe als Präsident der zentraleuropäischen FIA-Zone genügend Probleme am Hals. Denn wir haben ein Kosovo-Problem, wir haben ein Albanien-Problem, wir haben ein Montenegro-Problem und es gibt noch sehr viel für mich zu tun."

