Ferrari will mit dem F14 T "richtig aufblühen"

Die Ferrari-Technikabteilung erklärt, worin die Herausforderungen beim Bau des 60. Formel-1-Ferraris bestanden und mit welchen Erwartungen man 2014 antritt

(Motorsport-Total.com) - Nach Force India, Williams, McLaren und Lotus hat nun auch Ferrari einen Blick auf seinen Formel-1-Boliden für die Saison 2014 gewährt: Der F14 T wurde am Samstag der Weltöffentlichkeit präsentiert. Fernando Alonso und Kimi Räikkönen sollen mit diesem Auto (interner Codename 665) nichts anderes als beide WM-Titel nach Maranello holen. So die klare Ansage anlässlich des Online-Launchs.

Titel-Bild zur News: Ferrari F14 T

Mit "Hakennase" zum WM-Titel 2014? Der F14 T soll es für Ferrari richten Zoom

Angesichts des neuen Reglements steht Ferrari genau wie alle anderen Teams vor einer großen Herausforderung. Im Bemühen, den Rückstand auf Platzhirsch Red Bull aufzuholen, steht man gleichzeitig aber auch vor einer großen Chance. Schließlich stellen das neue Regelwerk und dessen Auswirkungen derzeit für alle Teams noch eine große Unbekannte dar.

"2014 beginnen wir in der Motorenentwicklung zum ersten Mal seit vielen Jahren mit einem weißen Blatt Papier", stellt der neue Ferrari-Technikchef James Allison einen Teil der Herausforderung beim Bau des F14 T heraus und erklärt: "Das bringt natürlich mit sich, dass es zwischen den Motorenherstellern größere Leistungsunterschiede geben wird, was den Motor 2014 zu einem entscheidenderen Faktor macht als in den vergangenen Jahren."

Die Aerodynamik-Regeln sind ebenfalls neu und stechen bei allen neuen Autos vor allem an der Front sofort ins Auge. Ferrari hat sich für eine regelrechte "Hakennase" entschieden: Im Vergleich zu den bisher vorgestellten Konkurrenzmodellen fällt der Knick auf der Nase deutlich extremer aus. Die Optik muss aber nicht zwangsläufig so bleiben.


Fotos: Präsentation des Ferrari F14 T


"Ich erwarte eine sehr steile Entwicklungskurve während der Saison", spricht Technikchef Allison den neben dem Antrieb zweiten nachhaltig veränderten Bereich des Formel-1-Reglements 2014 an und kommt zum Schluss: "Die Bedeutung der Aerodynamik wird mindestens genauso groß sein wie die Unterschiede bei den Motoren. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, was 2014 wichtiger sein wird, die Aerodynamik oder der Motor, dann würde ich sagen: keines von beidem. Dieses Jahr wird die Zuverlässigkeit fundamental sein."

Am Anfang stand ein weißes Blatt Papier

Wie ging man in Maranello an den 60. Formel-1-Ferrari heran? "Wir haben mit einem weißen Blatt Papier begonnen, ein komplett neues Projekt", sagt Allison. An dieser Aufgabe fand der Brite durchaus Gefallen, hält er doch fest: "Das ganze Layout eines komplexen Autos aus dem Nichts zu entwickeln, ist für einen Ingenieur wie Weihnachten." Auf der anderen Seite: "Es war auch eine große Herausforderung - und das wird von Rennen zu Rennen auch so bleiben", ist der Ferrari-Technikchef überzeugt.

Passend dazu gesteht Ferrari-Produktionsleiter Corrado Lanzone: "Das 2014er-Auto ist das komplexeste, das ich je gebaut habe." Im WM-Kampf gegen Red Bull, wo man auch in dieser Saison mit Renault-Motoren an den Start geht, setzt Lanzone auf einen möglichen Ferrari-Joker. "Alles unter einem Dach zu haben, kann für die Integration zwischen Chassis und Motor ein Vorteil sein", hofft der Italiener. Neben Ferrari fertigt einzig Mercedes Chassis und Motoren selbst.

Ferrari-Motorenchef Luca Marmorini aber mahnt zur Vorsicht. "Wir sind hoch motiviert, aber wir müssen konzentriert bleiben, denn wir stehen erst ganz am Anfang. Wir dürfen keine Teile wechseln, es sei denn, wir haben ein Problem mit der Zuverlässigkeit. Daher werden wir bis zum allerletzten Tag versuchen, Performance zu finden. Gleichzeitig ist die Zuverlässigkeit in diesem Jahr aber auch ein Performance-Parameter."

Die Zuverlässigkeit muss freilich nicht nur im Motorumfeld stimmen. Bei der Radaufhängung hält Ferrari entgegen der ursprünglichen Planung nun doch am Zugstreben-Konzept fest. Das Bremssystem des F14 T ist das erste, das dem "Brake-by-Wire"-Prinzip folgt. Über dieses durch die Elektronik unterstützte System sollen zum einen die Bewegungen des Bremspedals, zum anderen die Bremsbalance noch genauer kontrolliert werden können. Im Zusammenhang mit dem neuen umfangreichen Energierückgewinnungs-System (ERS) erhofft sich Ferrari dadurch entscheidende Vorteile in puncto Energie-Management.

Beim Getriebe setzen die Italiener beim F14 T auf eine längs eingebaute Schalteinheit, die gemäß der neuen Vorgaben im Reglement mit acht Vorwärtsgängen plus Rückwärtsgang daherkommt. Wie schon in der Saison 2013 müssen die Abstufungen zwischen den Vorwärtsgängen vor Saisonbeginn bei der FIA hinterlegt und in dieser Form im gesamten Saisonverlauf verwendet werden. Insgesamt betrachtet machen es die neuen Vorgaben den Ingenieuren und Technikern deutlich schwerer, unter dem im Reglement festgesetzten Mindestgewicht (ab sofort 691 Kilogramm) zu bleiben.

Unzählige Stunden im Simulator - und kein Ende in Sicht

Bei Ferrari war man sich der Herausforderung der neuen Regeln von Beginn an bewusst. Entsprechend früh wurde mit der Arbeit am F14 T begonnen. "Wir haben schon vor zwei Jahren mit der Arbeit begonnen", sagt Motorenchef Marmorini. Gleiches gilt für die Chassis-Abteilung. "Die Simulationen und die Arbeit im Simulator laufen seit mehr als zwei Jahren", bestätigt Pat Fry, der von James Allison auf dem Posten des Technikchefs abgelöst wurde, mit diesem aber Hand in Hand arbeitet.

Fry erklärkt, wie man in Maranello vorgegangen ist: "Wir haben uns neben den üblichen Dingen wie aerodynamischer Performance natürlich mit dem Wechsel zum neuen Antriebsstrang befasst. Das ist ein weites Feld, auf dem es unglaublich viel zu lernen gibt. In jüngster Vergangenheit saßen auch unsere Stammfahrer im Simulator, um verschiedene Strategien im Zusammenhang mit dem neuen Antriebsstrang zu erarbeiten: Wie nutzt man die Kraft des Motors, das ERS und die Benzinvorräte am besten?"

In Vorbereitung auf die Testfahrten empfanden die Fahrer die Sitzungen im Simulator als "sehr nützlich und informativ", wie Fry betont. Der Brite ist überzeugt: "Weil die Regeln so neu sind, werden wir die Stammfahrer sicher auch in Vorbereitung auf die ersten Rennen im Simulator sehen. Dabei geht es um mehr als nur das Setup des Autos. Vielmehr geht es darum, die Strategien für Qualifying und Rennen zu optimieren."

"Zum Jahresende hin, wenn wir genug gelernt haben, werden diese Dinge vielleicht nicht mehr ganz so wichtig sein. Am Beginn der Saison sind sie aber im Zusammenhang mit der Rennvorbereitung unerlässlich", stellt Fry den Wert der Simulatorarbeit heraus. Insgesamt betrachtet, sieht die zweite Hand von Technikchef Allison in diesem Jahr eine deutliche höhere Arbeitslast auf das Team zukommen als es noch in der vergangenen Saison der Fall war.

Als einen der wenigen Bereiche, die vom neuen Reglement nicht betroffen sind, ortet Fry das Thema Boxenstopps. Diese würden sich auch mit den neuen Regeln nicht vom Gewohnten unterscheiden. Die Rennstrategie allerdings sehr wohl. "Es wird Rennen geben, in denen wir ohne Einschränkungen Vollgas geben werden, zum Beispiel Monaco. Dann wird es aber auch Rennen geben, in denen wir eine beträchtliche Menge Sprit sparen müssen", sagt Fry und kommt in Bezug auf die Rennstrategien anno 2014 zum Schluss: "Die Rennen zu lesen und herauszufinden, was die anderen vorhaben, wird sich in diesem Jahr sicherlich etwas komplizierter gestalten."

Aufgrund seiner langen Formel-1-Zugehörigkeit erlebte Fry bereits das Ende der bisher letzten Turbo-Ära und damit den allumfassenden Wechsel auf Saugmotoren im Winter 1988/1989 mit. "Das war verglichen mit dem aktuellen Wechsel auf die neuen Antriebsstränge aber nichts. Aktuell haben wir es sicher mit dem einschneidendsten Wechsel in meiner Schaffenszeit zu tun", stellt der langjährige Ferrari-Techniker klar.

"Das war verglichen mit dem aktuellen Wechsel auf die neuen Antriebsstränge nichts." Pat Fry über den Umstieg auf den Saugmotor im Winter 1988/1989

Fakt ist: Mit dem F14 T ist Ferrari zum Siegen verdammt. Nachdem man den hauseigenen Windkanal aufgrund fehlerhafter Korrelationsdaten vorübergehend zusperren, modernisieren und während dieser Zeit auf den Toyota-Windkanal in Köln zurückgreifen musste, ist der Ferrari-eigene Windtunnel inzwischen wieder im Betrieb und soll Symbol des Aufbruchs sein. Oder wie es Technikchef Allison formuliert: "Dieses Investment wird Ferrari in der bevorstehenden Periode dazu verhelfen, richtig aufzublühen, solange es uns Ingenieuren gelingt, das Beste aus den Möglichkeiten zu machen, die man uns gibt."