• 04.04.2007 16:26

  • von Fabian Hust

Ferrari: Von der Design- bis zur Test-Philosophie

Chefdesigner Nikolas Tombazis über die Entwicklung des F2007, die Auswirkungen des technischen Reglements und der Testbeschränkungen

(Motorsport-Total.com) - Im Alter von sieben Jahren verfolgte Nikolas Tombazis, Chefdesigner des Ferrari-Teams, sein erstes Formel-1-Rennen: "Von diesem Moment an war ich süchtig! 1978, als ich rund zehn Jahre alt war, faszinierte mich der aerodynamische Aspekt, da dies die Ära der Ground-Effect-Autos war. Ich las alle Rennmagazine."

Titel-Bild zur News: Nikolas Tombazis mit Felipe Massa

Nikolas Tombazis im Gespräch mit Felipe Massa

"Da ich in der Schule in Physik und Mathematik ganz gut war, entschied ich mich, dass es der richtige Weg ist, einen Abschluss im Ingenieurswesen anzustreben, mit dem Ziel, einen Job im Motorsport zu bekommen", so der Grieche weiter. "Ich bin aus diesem Grund nach England gegangen, um zu studieren. Dort erhielt ich 1993 meinen ersten Job bei Benetton. 1997 wechselte ich zu Ferrari. Ich legte dann einen kurzen 'Forschungsurlaub' ein, nun bin ich wieder zurück."#w1#

Normalerweise reist Tombazis nicht zu den Rennen, beim Saisonauftakt in Melbourne war er jedoch vor Ort und erlebte damit den Auftaktsieg von Kimi Räikkönen live. Das erfüllte ihn logischerweise mit viel Stolz, schließlich war er für das Design des Autos hauptverantwortlich.

"In vielerlei Hinsicht ist der F2007 eine Weiterentwicklung." Nikolas Tombazis

"Man muss immer mit dem letztjährigen Auto als Basis beginnen, denn jedes Auto baut auf vielen Jahren auf, in denen wir neue Details gelernt haben. Man kann dieses Wissen nicht ignorieren", erklärt der Designer. "In vielerlei Hinsicht ist der F2007 also eine Weiterentwicklung und in anderen Gebieten haben wir große Fortschritte erzielt."

"Die Aerodynamik ist immer noch einer der primären Faktoren bei der Performance des Autos. Das ist aus diesem Grund jener Bereich, der das gesamte Projekt dirigiert", so Tombazis, der verrät, dass man sich um die Aerodynamik des diesjährigen Autos bereits ein Jahr vor dem ersten Rennen mit dem F2007 Gedanken gemacht hat.

Die Reifen stellen die einzige Verbindung zwischen Auto und Strecke dar, aus diesem Grund haben diese auch eine große Auswirkung auf die Leistung eines Autos. Von angeblichen Vorteilen bei der Umrüstung auf den Bridgestone-Einheitsreifen will der Grieche aber nichts wissen.

"Bridgestone wollte keinem Team einen Vorteil verschaffen." Nikolas Tombazis

"In diesem Jahr waren uns die Reifen erst sehr spät im Prozess bekannt, da Bridgestone eine neue Spezifikation hat, die man dem gesamten Feld zur Verfügung stellt. Sie wollten keinem Team einen Vorteil verschaffen, indem man ihnen die Spezifikation früher zur Verfügung stellt." Man habe jedoch beim F2007 "in einigen Bereichen etwas mehr Spielraum gehabt, um das Auto mithilfe der Einstellung an den Reifen anzupassen".

Aufgrund der Tatsache, dass es nur noch eine Reifenfirma gibt und die Regeln in Bezug auf die Motorleistung restriktiver sind, könnte man annehmen, dass alle Autos ähnliche Leistungslevel zeigen, aber so sieht das Tombazis nicht: "Die Reifen sind in diesem Jahr eine Konstante, aber wie die Leute mit den Reifen umgehen ist ein wichtiger Faktor. Und auch die Aerodynamik hat auf jeden Fall einen Einfluss auf die Reifen."

"Die Regeln sind nun viel restriktiver als in den 70er Jahren, aber wir können viel mehr mit ihnen anfangen, da unser Wissen wesentlich größer ist." Nikolas Tombazis

"In Bezug auf die Motoren ist das Niveau eingefroren, aber das heißt nicht, dass alle über die gleiche Leistung verfügen. Die Aerodynamik ist aber immer noch der größte Unterschied zwischen den Autos. Jeder Ingenieur würde gern weniger Restriktionen haben, als wir es im Moment haben, eigentlich gar keine. Aber wenn dies der Fall wäre, dann wäre die Formel 1 nicht zu handhaben, es würde Autos geben, die viel zu schnell und zu gefährlich wären. Die Regeln sind nun viel restriktiver als in den 70er Jahren, aber wir können viel mehr mit ihnen anfangen, da unser Wissen wesentlich größer ist."

Während sich die Technologie in der Formel 1 stetig entwickelt hat, gibt es ein paar Grundsätze, die sich nicht verändert haben. Zum Beispiel jener, dass die Gewichtsverteilung weiterhin eine sehr wichtige Rolle spielt: "Da alle Autos unter dem Gewichtslimit gebaut werden, verwenden wir Ballast, um das Gewicht optimal zu verteilen. Dann versuchen wir, den besten Kompromiss zwischen der Abnutzung der Vorder- und Hinterreifen, der Bremsstabilität und der Traktion in den Kurven zu finden. Dies beeinflusst alles eine optimale Gewichtsverteilung."

"Es stimmt, dass wir unser Auto verlängert haben und dabei wurden aerodynamische Überlegungen berücksichtigt." Nikolas Tombazis

Vor allem die Tatsache, dass Ferrari den Radstand verlängert hat, sorgte bei der Konkurrenz für Verwunderung, denn die hat teilweise den anderen Weg eingeschlagen: "Es stimmt, dass wir unser Auto verlängert haben und dabei wurden aerodynamische Überlegungen berücksichtigt. Dies wurde zusammen mit der Beurteilung der Gewichtsverteilung und anderer Parameter wie der Massenträgheit und dem Gewichtszentrum durchgeführt."

"Man muss all diese Faktoren in einen Topf werfen, herausfinden, welche am meisten und am wenigsten dominant sind und dann daraus den besten Kompromiss ableiten. Man kann das Auto auf drei verschiedene Weisen verlängern, entweder indem man die Vorderachse nach vorne bringt, die hinteren Räder nach hinten oder von beidem etwas. Wenn man die Räder nach hinten bringt, dann bringt man die Gewichtsverteilung nach vorne, und wenn man die Vorderräder nach vorne versetzt, dann wandert die Gewichtsverteilung nach hinten."

Nach dem Auftaktsieg in Melbourne geht es nun zur "Generalprobe" nach Malaysia, eine permanente Rennstrecke, auf der die Temperaturen Rekordwerte erreichen: "Einige Parameter sind gut vorhersagbar, wie zum Beispiel die Kühlung des Motors und wie stark man das Bodywork in Abhängigkeit von der Größe des Kühlers öffnen muss. Das kann man mit ordentlicher Präzision berechnen. Solange man die vom Motor erzeugte Hitze nicht unterschätzt, sollte man das Bodywork nicht übermäßig öffnen müssen. Man wird sehen, dass wir in Malaysia keine übermäßigen Öffnungen haben."

Vergangene Woche testete man unter den neuen, verschärften Vereinbarungen vier Tage in Malaysia: "Wenn wir eine Neuentwicklung für das Auto zum Rennen bringen, dann wollen wir uns absolut sicher sein, dass eine neue Komponenten wie erwartet Leistung zeigt und einen wahren Schritt nach vorn darstellt. Aus diesem Grund müssen wir sie zuallerst testen."

"In der Vergangenheit hätten wir nicht zweimal darüber nachgedacht, ein paar weitere Testtage zu nehmen." Nikolas Tombazis

"Die neuen Testvereinbarungen haben unsere Herangehensweise auf die limitierte Anzahl an Kilometern fokussiert. Wir versuchen, beim Testen so effizient zu sein wie bei den Rennen. In der Vergangenheit hätten wir nicht zweimal darüber nachgedacht, ein paar weitere Testtage zu nehmen, um sogar das unbedeutendste Detail zu testen und wir tendierten dazu, nicht über die Effizienz unserer Tests nachzudenken. Nun ist es das Beste, wenn wir die Zuverlässigkeit auf dem Prüfstand sicherstellen."

Dass er nicht alle Rennen vor Ort besuchen kann, stört den Ferrari-Angestellten übrigens nicht: "Jenen Teil meines Jobs, den ich am meisten genieße, ist das Design des Autos und für mich wäre es nicht pragmatisch, zu allen Rennen zu reisen. Die Arbeit plus die Familie hält mich auf Trab. Ich genieße es, zu ein paar zu kommen. In einer idealen Welt hätte ich ein paar Klons von mir, sodass einer bei den Rennen, ein anderer in der Fabrik und ein weiterer in Ferien auf den Bahamas sein könnte!"