• 30.09.2007 16:18

Ferrari: So kam es zur E-Mail-Panne

Teamchef Jean Todt und Sportchef Stefano Domenicali erklärten im Rahmen ihrer Medienrunde, wie es zur peinlichen E-Mail-Panne von Fuji kommen konnte

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Jean, kannst du die Ereignisse wiedergeben, die dazu geführt haben, dass eure beiden Autos früh im Rennen Boxenstopps machen mussten?"

Titel-Bild zur News: Stefano Domenicali

Stefano Domenicali bekam die fragliche E-Mail in Fuji zu spät zugestellt

Jean Todt: "Ich lasse das Stefano im Detail erklären, aber wir hatten die Information ganz einfach nicht. Ich erinnere mich daran, ein paar Minuten vor dem Start mit Hamashima gesprochen zu haben, über die technische Richtung von Bridgestone, und er fand, das wären die geeigneteren Reifen für den Rennstart. Als die Information dann kam, war es ein großer Schock. Es wäre ja ganz einfach gewesen, die Information über den Monitor mitzuteilen, wie das schon in sehr vielen Fällen passiert ist. Als sie uns gesagt haben, dass sie uns die Nachricht übermittelt haben, checkte Stefano seine E-Mails. Die Nachricht kam um 13:37 an. Das zur Klarstellung. Leider war das zu spät, um Regenreifen aufzuziehen."#w1#

Domenicali beruft sich auf Artikel 15.1

Stefano Domenicali: "Ich möchte nur eines ergänzen: E-Mails zwischen Teams und Rennleitung werden normalerweise für normale Dokumentationen wie Informationen und Resultate verwendet - über das Rennen zum Beispiel. Aber bei so heiklen Informationen, die mit dem Rennverlauf zu tun haben, wie es hier der Fall war, sollten die Informationen schriftlich übermittelt und vom Team zur Kenntnis genommen werden, wie es in Artikel 15.1 des Sporting Codes steht. Jetzt ist es halt so, aber ihr könnt euch vorstellen, dass es sehr dumm wäre, das zu wissen und dann trotzdem so zu handeln, wie wir es getan haben. Wir haben es nicht gewusst, daher konnten wir nicht dementsprechend entscheiden. Einen bestimmten Reifen zu wählen, war eine strategische Entscheidung, wie Herr Todt bereits gesagt hat."

Frage: "Ihr habt in Malaysia 2001 auch mit einem Start auf Intermediates gewonnen. Kann man sagen, dass es hinter dem Safety-Car gar nicht notwendig ist, die Regenreifen zu verwenden, weil das Rennen sowieso erst freigegeben wird, wenn die Bedingungen wieder besser sind?"

"Das ist etwas Neues, was wir noch nicht gewusst haben." Stefano Domenicali

Domenicali: "Das ist eine strategische Überlegung, die die Teams sicher in Betracht ziehen, und es war vielleicht der Grund, warum wir uns so entschieden haben. Wenn man es vor dem Hintergrund der Sicherheit sehen will, dann gab es auch am Nürburgring Autos, die mit Intermediates gestartet sind. Das ist etwas Neues, was wir noch nicht gewusst haben."

Frage: "Hat euch irgendjemand von der FIA während der Minuten in der Startaufstellung gesagt, dass ihr auf falschen Reifen seid?"

Domenicali: "Nein."

Todt: "Vielleicht kannst du erklären, was die Rennleitung gesagt hat, als du nach dem Rennen hingegangen bist..."

Domenicali: "Natürlich gingen wir nach Rennende sofort zur Rennleitung, um zu verstehen, was passiert war. Sie verstanden unseren Standpunkt, denn das ist eine Mitteilung, die von der Rennleitung kommen müsste. Sie haben sich bei uns für die Tatsache entschuldigt, dass der Kanal der normalen Kommunikation, also E-Mail, verwendet wurde."

Frage: "Habt ihr über Funk erfahren, dass ihr an die Box kommen müsst, oder wurde die schwarz-orangene Flagge verwendet?"

Domenicali: "In der Mitteilung hieß es, dass die schwarz-orangene Flagge gezeigt werden würde, falls die Fahrer so draußen bleiben würden, aber wir holten sie schon davor rein."

E-Mails kommen nicht immer gleichzeitig an

Frage: "Wurde die E-Mail zur gleichen Zeit an alle Teams geschickt? Haben alle anderen Teams es rechtzeitig erfahren? Und dann hat sich ja Felipe Massa gleich zu Beginn gedreht. Hätten eure Fahrer also sowieso reinkommen müssen, um die Reifen zu wechseln?"

Domenicali: "Noch einmal: Solche Informationen sollten über die offiziellen Wege kommuniziert werden, das wäre zum Beispiel Seite drei auf dem Datenmonitor oder eine schriftliche Mitteilung. Bei E-Mails kann man alle zum gleichen Zeitpunkt abschicken, aber sie müssen nicht unbedingt zum gleichen Zeitpunkt ankommen, denn wir haben unterschiedliche Systemkanäle, verschiedene Firewalls und so weiter. Man kann also nur sagen, wann eine E-Mail verschickt wird, aber nicht, wann sie ankommt."

"Wenn wir also die Wahl gehabt und gewusst hätten, dass der Regen zunehmen würde, dann hätten wir uns vielleicht anders entschieden." Jean Todt

Todt: "Ich möchte etwas ergänzen: Vor dem Start gab es einen leichten Schauer, der uns in unserer Entscheidung für diese Reifen bestärkte, und als das Rennen gestartet wurde, nahm der Regen stark zu. Wenn wir also die Wahl gehabt und gewusst hätten, dass der Regen zunehmen würde, dann hätten wir uns vielleicht anders entschieden. Aber wir haben die Entscheidung vor dem Start des Rennens getroffen, anhand der Erkenntnisse, die uns zur Verfügung standen. Wenn man uns über die Reifenauswahl informiert hätte, wäre es einfacher gewesen."

Frage: "Aber hättet ihr eure Fahrer sowieso reingeholt?"

Todt: "Nein, wir waren nicht dafür bereit, sie hereinzuholen, aber ich habe ja bereits erklärt, warum wir uns so entschieden haben."

Frage: "Es war also ein Fehler der Sporthoheit. Könnt ihr dagegen offiziell Protest einlegen oder müsst ihr einfach die Entschuldigung annehmen?"

Todt: "Wir können leider nur akzeptieren, dass es zu spät kam und dass die Kommunikation eine andere hätte sein sollen - nicht vielleicht, sondern sicher."

Frage: "War 13:37 Uhr die Zeit, zu der die E-Mail weggeschickt oder empfangen wurde?"

Domenicali: "Empfangen, auf unserem PC."

Domenicali kann nicht immer im Büro sein

Frage: "Weißt du, wann sie weggeschickt wurde?"

Domenicali: "Nein, das kann ich auf meinem PC nicht sehen, aber man muss betonen, dass es unterschiedliche Kommunikationswege gibt. Sehr wichtige Mitteilungen sollten über ein direktes System übermittelt werden, denn man ist ja nicht zwingend zu dem Zeitpunkt im Büro, an dem die Nachricht ankommt."

"Wenn man sich Artikel 15.1 durchliest, dann ist es nicht so." Stefano Domenicali

Frage: "Ist es nicht so, dass man nur bei einer Strafe ein Papier unterzeichnen muss, wenn man unterrichtet wird?"
Domenicali: "Nein, das ist keine Strafe. Wenn man sich Artikel 15.1 durchliest, dann ist es nicht so. Dort steht, dass jede wichtige Information während eines Rennens dem Team übermittelt und vom Team der Erhalt bestätigt werden muss."

Frage: "Wenn ihr am Anfang vollgetankt hättet und das Rennen hinter dem Safety-Car beendet worden wäre, dann hättet ihr gewonnen. Gab es bei euren Boxenstopps Kommunikation mit der FIA, ob die Boxengasse überhaupt offen ist, oder habt ihr das einfach angenommen?"

Domenicali: "Die Boxengasse war von Anfang an offen, weil alle Autos hinter dem Safety-Car aufgefädelt waren, daher war es klar, dass wir gleich nachtanken würden, was wir auch getan haben. Die Länge der Safety-Car-Phase bringt einen natürlich zum Nachdenken, denn es gibt ja auch das Zeitlimit von zwei Stunden, und wenn die Safety-Car-Phase länger gedauert hätte, wäre das Rennen kürzer gewesen. All das muss man in Betracht ziehen, wenn man mit den Ingenieuren auf der Boxenmauer diskutiert."

Frage: "Wie ist die Regel in Bezug auf die Reifen bei einem Safety-Car-Start?"

Domenicali: "Es gibt da keine Regel, sondern das war eine Mitteilung der Rennleitung, die aus Sicherheitsgründen so entschieden hat, aber es gibt keinerlei Regel, die das besagt. Vor der Mitteilung hatten die Teams ja auch unterschiedliche Reifen drauf, also gibt es diesbezüglich keine Regel."

Frage: "War es angesichts der Wettervorhersage nicht ein zu großes Risiko, mit anderen Reifen zu starten als der Rest? Felipe Massa wollte ja mit den Regenreifen starten, aber Kimi Räikkönen nicht, der wollte die Intermediates..."

Todt: "Um es klarzustellen: Wir wussten nicht, welche Reifen die anderen verwenden würden. Das wussten wir erst, als sie die Heizdecken von den Reifen nahmen."

Ferrari hofft auf verbesserte Prozedur

Frage: "Wie steht ihr zur Idee, die Regel zu ändern, einen Reifen festzulegen, auf dem gestartet werden muss, wenn es einen Safety-Car-Start gibt?"

Domenicali: "Wichtig ist, dass wir vorher über solche Dinge informiert werden, damit wir reagieren können. Heute wäre es ja für alle gleich gewesen, aber die Sache war nicht ganz korrekt."

"Ich finde es ganz klug, zu sagen, dass es eine Regel dafür gibt, dass Regenreifen verwendet werden müssen, wenn man hinter dem Safety-Car startet." Jean Todt

Todt: "Ich finde es ganz klug, zu sagen, dass es eine Regel dafür gibt, dass Regenreifen verwendet werden müssen, wenn man hinter dem Safety-Car startet. Dann müssen alle Regenreifen verwenden. Das wäre eine gute Regel."

Frage: "Wenn die E-Mail an elf Teams geschickt wird und zehn Teams erhalten sie rechtzeitig, dann suggeriert das, dass eher das E-Mail-System des Teams schuld war als das der FIA..."

Domenicali: "Das E-Mail-System ist sehr gut für Dokumente ohne Dringlichkeit. Aber es ist einfacher, Ausdrucke der Dokumente zu versenden. Noch einmal: Man kann nicht davon ausgehen, dass jeder ständig am Computer sitzt und seine E-Mails beobachtet. Der Grund, warum es die angesprochene Regel 15.1 gibt, ist, dass es jeder erfährt, wenn es etwas Wichtiges gibt. Leider war das diesmal anders."

Frage: "Werdet ihr euer E-Mail-System untersuchen?"

Domenicali: "Noch einmal: Man kann nicht davon ausgehen, dass wir ständig die E-Mails beobachten. Das ist der Grund dafür, dass im Sporting Code steht, dass vom Team der Erhalt solcher Informationen bestätigt werden muss."

Todt: "Wir geben der FIA keine Schuld. Wir haben die Information einfach nicht bekommen, also versuchen wir zu verstehen, warum das so war. Wir müssen die Dinge richtig stellen. Wenn wir die Information erhalten hätten, hätten wir sie nicht angefochten. Dann hätten wir auf Regenreifen gewechselt."

Warum wurde nicht der Monitor verwendet?

Frage: "Geht ihr jetzt zurück nach Maranello, um eure Organisation zu verbessern, denn Ferrari schien organisatorisch das schwächere Team als McLaren-Mercedes zu sein?"

Todt: "Was sollen wir machen, wenn wir nicht informiert werden? Darüber können wir jetzt die ganze Nacht diskutieren. Wir können ja nicht raten oder die Informationen erfinden. Wir haben sie nicht bekommen. Punkt. Das ist einfach. Unsere Reifenentscheidung trafen wir ohne die Informationen. Wenn unsere Leute geschlafen hätten, anstatt die E-Mail zu lesen, dann würde ich den Vorwurf verstehen, aber so wichtige Informationen sollten anders kommuniziert werden, und das sage ich ohne Vorwurf. Gestern wurde zum Beispiel das Freie Training um 15 Minuten verschoben, dann um fünf, dann um zehn. Also hätte es wie in dem Fall auch eine sehr einfache Möglichkeit gegeben, alle Teams zu informieren, aber das war heute nicht der Fall. Und ich möchte noch einmal ohne Vorwurf betonen: Als Stefano zur Rennleitung ging, haben sie sich bei ihm entschuldigt."

Frage: "Warum protestiert ihr eigentlich nicht, wenn ihr mit der Entschuldigung der Rennleitung nicht zufrieden seid?"

"Ich habe das schon mal wo gehört, dass im Interesse des Sports auf einen Protest verzichtet wird..." Jean Todt

Todt: "Das würde das Problem auch nicht lösen. Das Rennen ist vorbei. Wir wollen verstehen, was passiert ist, warum es passiert ist, aber ich glaube, eine weitere Kontroverse wäre nicht gut für den Sport. Ich habe das schon mal wo gehört, dass im Interesse des Sports auf einen Protest verzichtet wird..."

Frage: "Wann habt ihr erstmalig von der Rennleitung gehört und wann habt ihr dann die E-Mails abgerufen?"

Domenicali: "Charlie (Whiting, FIA-Rennleiter; Anm. d. Red.) hat es uns am Funk erstmalig gesagt, in der zweiten Runde. Dann diskutierten wir, weil er sich auf eine Mitteilung bezog. Ich fragte ihn, welche Mitteilung er meine. Nach einer Weile kam Luca (Colajanni, Ferrari-Pressesprecher; Anm. d. Red.) zu uns an die Boxenmauer, um uns die Mitteilung zu übergeben, die wir bis dahin nicht gesehen hatten. Nach dem Rennen habe ich das mit Charlie diskutiert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es beim nächsten Mal schriftlich schicken werden."

Keine Kontrolle der Reifen vor dem Start

Frage: "Charlie Whiting inspizierte auf dem Grid bei einigen Teams die Reifen. War das bei euch nicht der Fall?"

Domenicali: "Ich habe Charlie auf dem Grid ehrlich gesagt nicht gesehen, aber normalerweise überprüfen sie den Code und sie öffnen die Heizdecken nur seitlich, ohne die Mischung zu zeigen, um eben den Code zu überprüfen. Das ist ein normaler Kontrollmechanismus der Marshalls."

Frage: "Seid ihr euch der Ironie dessen bewusst, dass ihr in den vergangenen zwei Monaten gesagt habt, dass jedes Vergehen bestraft werden muss, und jetzt sagt ihr etwas ganz anderes? Ist das nicht eine Ironie?"

"Ich sage ja, dass wir uns nicht beschweren, sondern es akzeptieren." Jean Todt

Todt: "Darauf werde ich nicht eingehen, denn Ihnen liegen anscheinend nicht alle Informationen in dieser Sache vor, also werde ich keinen Vergleich anstellen. Wir haben nur gesagt, dass wir nicht informiert wurden, das ist alles. Stefano hat gezeigt, wann er die E-Mail erhalten hat, nämlich als er bereits an der Boxenmauer war. Was wollen Sie noch? Und ich sage ja, dass wir uns nicht beschweren, sondern es akzeptieren, auch wenn die Prozedur eine andere hätte sein sollen."

Frage: "Könnt ihr erklären, warum McLaren-Mercedes nur einen Stopp machen musste, ihr aber noch einmal hereingekommen seid? War euer Benzinverbrauch höher, weil ihr aufholen musstet?"

Todt: "Die Antwort ist einfach. Wir kamen in Runde 14 mit Felipe rein, also waren noch 52 Runden zu fahren. Kimi kam in der 15. Runde rein, also 51 vor Schluss. Alonso stoppte in Runde 27, 40 Runden vor Schluss, und Hamilton in 28, 39 vor Schluss. Wir hatten ganz einfach nicht die Tankkapazität für 52 Runden. Das war der einzige Grund."

Frage: "Habt ihr auch beim ersten Reifenwechsel nachgetankt?"

Todt: "Ja, aber trotzdem: Beim zweiten Stopp in Runde 15 waren noch 52 Runden zu fahren. Wir hätten jede Runde von der zweiten bis zur 15. stehen bleiben können, es wäre trotzdem nicht genug gewesen. Mit einem Stift und einem Blatt Papier kann ich das ganz einfach erklären. Das müsst sogar ihr verstehen."

Massa muss Räikkönen helfen

Frage: "Wird Felipe Massa nun Kimi Räikkönen helfen?"

Todt: "Ich weiß nicht, ob das das richtige Wort ist. Kein Fahrer ist glücklich, wenn er weiß, dass er nicht Weltmeister werden kann. Ich habe großen Respekt vor den Fahrern, aber sie sind Angestellte der Firma, und das Interesse der Firma steht für uns im Vordergrund. Das war auch am Beginn dieses Rennens der Fall."

Frage: "Jean, kann es sein, dass Fernando Alonso nächstes Jahr für Ferrari fahren wird?"

"Wir akzeptieren unsere Verträge auch bei den Putzfrauen." Jean Todt

Todt: "Nein, null Prozent, null Prozent, null. Wir haben zwei fantastische Fahrer, Kimi und Felipe. Wir sind sehr glücklich mit ihnen und wir haben sie unter Vertrag. Wie ich schon einmal gesagt haben, akzeptieren wir unsere Verträge auch bei den Putzfrauen, also könnt ihr euch vorstellen, dass wir unsere Verträge einhalten. Wenn wir Verträge haben, respektieren wir diese."

Frage: "Jean, du hast schon viele große Fahrer gesehen. Lewis Hamilton ist heute sein 15. Rennen gefahren und er steht knapp vor der Weltmeisterschaft. Was hältst du von ihm?"

Todt: "Bevor er in die Formel 1 kam, hat er in der GP2 einige unglaubliche Rennen gezeigt. Da war klar, dass er das Talent hat, und er hat auch das Glück auf seiner Seite, was manchmal notwendig ist, aber er hat auch einen fantastischen Job gemacht. Das einzige Rennen in diesem Jahr, in dem er keine Punkte geholt hat, war auch ein Regenrennen, aber jetzt hat er volle Punkte gesammelt, was großartig ist. Wir können nur respektieren, was er in diesem Jahr leistet."