• 06.09.2007 11:47

Ferrari: Leidenschaft in Rot

Vor dem Heim-Grand-Prix des Ferrari-Teams in Monza schwappen die Emotionen immer über - Analyse, was hinter dem Mythos Ferrari steckt

(Motorsport-Total.com) - Das Ferrari-Rot ist mehr als nur eine Farbe. Es ist eine Weltanschauung. Rennen für Rennen fiebern Millionen Fans mit ihrer Scuderia mit. Doch hinter Ferrari steckt mehr als bloß ein Formel-1-Team, wie unsere Kollegen vom 'emagazine' der Credit Suisse wissen.

Titel-Bild zur News: Ferrari-Logo

Keine andere Automobilmarke weckt so viele Emotionen wie Ferrari

Es muss dieses Rot sein, das so unvergleichlich leidenschaftlich ist. Ein Rot, das nicht einfach eine Farbe, sondern eine Weltanschauung ist. Jedenfalls in Italien, auf jeden Fall auch in der Formel 1. Ein Rot, das (zu) Ferrari gehört. "Wieso Ferrari rot ist? Weil unser Blut auch rot ist", sagt Unternehmensführer Luca di Montezemolo. Leidenschaft und Emotionen sind neben den schnellen Autos das Geschäftsprinzip der italienischen Marke.#w1#

Ferrari und die Formel 1: eine Symbiose

Einen Businessplan in Maranello aufzustellen muss ein vergleichsweise einfaches Unterfangen sein: Ferrari lebt für die Formel - Ferrari lebt von der Formel 1. An Wochenenden wie dem kommenden, wenn der Grand Prix von Italien im Autodromo Nazionale di Monza ausgefahren wird, herrscht Alarmstufe Rot im ganzen Land. Aber diese Passione, die man den Renn- und Straßensportwagen (die es vereinzelt auch in Schwarz, Gelb oder Blau gibt) auf den ersten Blick ansieht, ist längst ein Exportschlager. Traditionell schalten die Nachfahren des großen Enzo keine Werbekampagnen für ihre Produkte: Das Formel-1-Team, die im Herzen der Firma beheimatete Gestione Sportiva, ist im wahrsten Sinne des Wortes als rasende PR-Kolonne im Einsatz.

Der Werbetrick funktioniert, der Absatz floriert - auch wenn die Rennmannschaft nun schon wieder seit zwei Jahren ohne WM-Titel ist. Der Umsatz der feinen Sportwagenschmiede, die noch im traditionellen Einschichtbetrieb werkelt, stieg 2006 um 12,2 Prozent auf 1,447 Milliarden Euro, der Gewinn summierte sich auf 183 Millionen Euro. Eine stolze Summe, wenn man das auf die 5.671 gebauten und verkauften Ferrari-Exemplare umrechnet.

Der Absatz stieg gegenüber 2005 um 4,8 Prozent, wobei die größten Zuwächse im Mittleren Osten und Asien (plus 15 Prozent), Deutschland (plus acht Prozent) und der Schweiz (plus sechs Prozent) zu verzeichnen waren. Mehr und mehr zum Renner werden die Merchandisinggeschäfte mit Devotionalien der Marke. Das Cavallino Rampante, das springende Pferdchen, wird in eigenen Superstores vertrieben, und verzeichnete Umsatzsprünge von 23 Prozent - ein (Aus)Verkauf der Emotionen.

Mindestens 250 Millionen Euro Budget

Die Gegenrechnung, was das Formel-1-Engagement verschlingt, gibt es offiziell nicht. Das Ferrari-Entwicklungsbudget von gut einer Viertelmilliarde Euro wird dafür nicht ausreichen, es dürfte eher das Doppelte sein. Dass Teamchef Jean Todt als Generaldirektor auch die Geschicke der Marke auf der Strasse lenkt, ist kein Zufall, sondern bewusste Koinzidenz. Ferrari-Präsident und Fiat-Boss Luca di Montezemolo erntete schließlich selbst seine Sporen in der Boxengasse. Vom charismatischen Industriellen, der gerade so alt geworden ist wie Ferrari selbst - nämlich 60 - stammt die Philosophie: "Wir bauen nicht nur ein Auto, wir vermitteln auch Passion."

Dass der neue Ferrari 430, der kommende Woche auf der Internationalen Automobil-Austellung (IAA) vorgestellt wird, den Produktnamen "Scuderia" bekommen hat, ist ein deutlicher Praxisbeweis für die schöne Theorie. "Es macht uns stolz, dass wir Italien repräsentieren, aber wir tragen damit auch eine Verantwortung. Ferrari verkauft einen Traum. Wer unsere Autos kauft oder zu unserem Team hält, tut dies auch, weil wir einen Traum verkörpern", sagt Montezemolo.

Zusammen mit seinem Statthalter Todt startete Montezemolo 1993 zu einer Generalüberholung des Unternehmens, der Gewinn der Weltmeisterschaft war ein gleichberechtigtes Ziel gegenüber den Umsatzzielen auf dem Absatzmarkt. Eine Zeit, die als Schumacher-Ära in die Firmengeschichte eingehen wird. Das Soll wurde übererfüllt. Gleichzeitig wurde das Unternehmen, das so viel auf seinen nationalen Stolz hält, gewaltig umgekrempelt - die Schlüsselpositionen hatten plötzlich Ausländer inne. Montezemolo, der die Internationalisierung vorangetrieben hatte, zieht zufrieden Bilanz: "Wenn ich Ferrari heute definieren sollte, würde ich sagen: Wir sind ein einzigartiger Rennstall und ein einzigartiges Unternehmen, eine außergewöhnliche Mischung aus Leidenschaft und Technologie."

Werte werden bei Ferrari groß geschrieben

Das Image will gepflegt sein, und es hängt nicht nur von den Siegen allein ab. Leidenschaft hat immer auch mit Leiden zu tun, und niemand leidet so schön wie die Ferraristi, die Extremisten unter den Rennfans. Eine Spionageaffäre wie die um den abtrünnigen Ex-Chefmechaniker Nigel Stepney kostet das Unternehmen auch einen Vertrauensbonus. Und es widerspricht so sehr den Werten, die Direktor Todt vor allem von seinen gut 2.500 Angestellten fordert: "Pflicht, Hingabe und Respekt gegenüber der Firma." Es ist eine Frage der Ehre, die in zehn Geboten, die jeder Mitarbeiter am ersten Arbeitstag überreicht bekommt, manifestiert ist.

Auch die Formel 1, das ist ganz einfach an der Überzahl der Fähnchen und Kappen auf den Tribünen abzulesen, ist von Ferrari abhängig. Als die Italiener ihren Ausstieg aus der geplanten Konkurrenzserie der Hersteller erklärten, war die Gegenbewegung prompt am Ende. Dafür, dass Ferrari in dieser Weltmeisterschaft mitwirkt, bekommen sie einen größeren Anteil vom Vermarktungskuchen - die Konkurrenz hat dem Bonus zugestimmt. Gegen Ferrari fahren und womöglich Ferrari zu schlagen, ist der Mehrwert für alle. Die Scuderia wiederum braucht diese Einnahmen - allein über den mittlerweile im Verborgenen tätigen Hauptsponsor Philip Morris und die Zuwendungen des Fiat-Mutterkonzerns lässt sich ein konkurrenzfähiger Auftritt nicht bestreiten.

"Enzo Ferrari wäre stolz auf uns. Vor allem habe ich zwei Dinge von ihm gelernt: Nie aufzugeben und immer nach vorne zu schauen", sagt Montezemolo. Jeder neue Wagen aus Maranello hat deshalb eine entscheidende Vorgabe zu erfüllen, egal ob er für die Strasse oder die Strecke konstruiert wurde: Er muss zumindest das Vorgängermodell überbieten...