• 18.06.2007 06:07

Ferrari: "Keine positiven Wochen in Nordamerika"

Sportchef Stefano Domenicali und Rennleiter Luca Baldisserri analysieren im Interview, warum Ferrari in Indianapolis schon wieder besiegt wurde

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Stefano, Kimi Räikkönen startete als einziger Fahrer auf harten Reifen, weil er keine frischen weichen mehr zur Verfügung hatte. War das ein entscheidender Faktor im Rennen?"
Stefano Domenicali: "Wegen der Situation gestern mussten wir im Qualifying einen zusätzlichen Satz der weichen Reifen verwenden, also stellten wir uns heute Morgen die Frage, ob es besser wäre, mit einem frischen Satz harter Reifen zu starten oder einem angefahrenen Satz weicher Reifen. Wir kamen zu dem Schluss, dass die harten Reifen die bessere Variante sind, aber man kann nicht sagen, dass Kimi deswegen so einen schlechten Start hatte."

Titel-Bild zur News: Kimi Räikkönen, Stefano Domenicali und Felipe Massa

Stefano Domenicali: "Jungs, ich weiß auch nicht, woran es liegt!"

"Ich denke, wir müssen den Start gut analysieren, um zu verstehen, warum wir zwei Positionenr verloren haben. Wie wir wissen, ist es schwierig, wenn man hinter wem anderen steht, und wenn man dann am Start noch weiter zurückfällt, wird es noch schwieriger, denn sonst hatte Kimi eigentlich ein gutes Rennen. Der letzte Stint, den er zeigte, war sehr, sehr beeindruckend und das ist ein gutes Zeichen für die Zukunft. Klar, mit dem Resultat können wir nicht zufrieden sein, denn wir wollten in Nordamerika unseren Rückstand verkürzen, aber stattdessen haben wir 15 Punkte verloren. Es waren also keine positiven Wochen hier in Nordamerika, aber die Rennleistung von Kimi in Indianapolis kann man sicher als positiv verbuchen."#w1#

Ferrari hinkt im Qualifying hinterher

Frage: "Hätte Kimi Räikkönen angesichts seines starken letzten Stints sogar McLaren-Mercedes angreifen können, wenn er sich als Dritter qualifiziert hätte?"
Domenicali: "Leider hatten wir heute einen schlechten Start, so dass wir dann hinter Kovalainen und Rosberg festhingen. Sicher waren wir im Rennen konkurrenzfähig, aber im Nachhinein kann man immer große Szenarien malen. Fest steht, dass unsere Hauptkonkurrenten einen Schritt nach vorne gemacht haben, speziell im Qualifying, und das Qualifying ist sehr entscheidend. Wenn du nämlich vorne startest, dann kannst du das Rennen meistens kontrollieren, wenn nicht etwas Katastrophales passiert."

"Beim Test nächste Woche in Silverstone bekommen wir einige neue Teile." Stefano Domenicali

"Jetzt müssen wir weiterarbeiten, das, was passiert ist, genau verstehen und versuchen, nicht zu überreagieren. Beim Test nächste Woche in Silverstone bekommen wir einige neue Teile. Wir müssen an uns arbeiten, mit den Fahrern, dem ganzen Team, an der Strecke. Wir waren am Saisonbeginn schneller, aber jetzt hat uns McLaren überholt. Unser Ziel ist, wieder schneller als McLaren zu werden, ganz klar. Was ich damit sagen will: Wir wissen, dass jetzt die Zeit gekommen ist, dass wir reagieren müssen, aber wir geben deswegen nicht auf, sondern arbeiten hart weiter."

Frage: "Warum brauchte Kimi Räikkönen einen zusätzlichen Reifensatz im Qualifying? Steckte er im Verkehr fest oder so?"
Luca Baldisserri: "Nein, er hatte ein Problem auf dem ersten Satz, fuhr da nur 1:12.6. Der zehnte Platz war 1:12.8. In Montréal war es in Q2 auch schon knapp, also wollten wir kein Risiko eingehen. Darum haben wir ihn noch mal rausgeschickt."

Frage: "Hatte er auf seiner schnellsten Runde im dritten Qualifying ein bestimmtes Problem?"
Baldisserri: "Kimi? In Q3 war es ähnlich. Ich versuche mich zu erinnern, ob er in irgendeiner Kurve einen Fehler gemacht hat, aber nein, mir fällt nichts ein. Stefano hat es schon richtig gesagt: Das ist momentan unsere Pace im Qualifying. Vielleicht hätten wir eine Zehntel schneller sein können, vielleicht, aber es sieht so aus, dass McLaren auf eine Runde im Moment einfach schneller ist als wir, sobald sie neue Reifen drauf haben. Bei uns ist es so, dass wir mit neuen Reifen auch manchmal schnell sind, aber zu oft passieren Fehler, was zeigt, dass wir dafür zu sehr ans Limit gehen müssen."

Frage: "Was ist am Auto jetzt anders als am Saisonbeginn, dass ihr auf eine Runde nicht mehr so schnell seid?"
Baldisserri: "Wenn wir das wüssten..."

Neue Reifen bereiten Ferrari Kopfzerbrechen

Frage: "Habt ihr eine andere Balance, haben sich die Reifentemperaturen verändert?"
Baldisserri: "Nun ja, es gibt kleinere Schwierigkeiten mit der neuen weichen Reifenmischung, die wir untersuchen müssen. Ich glaube aber nicht, dass die Verbesserungen an Aerodynamik und Mechanik des Autos, die wir nach drei Rennen gebracht haben, irgendeine negative Auswirkung in diese Richtung hatten."

"Zu Hause in der Fabrik versuchen alle, diese Problematik zu verstehen." Luca Baldisserri

Frage: "Was ist das Symptom, warum ihr auf eine Runde nicht mehr schnell genug seid?"
Baldisserri: "Alle haben die gleichen Reifen, also ist der Grip da, aber die anderen Autos nutzen diesen Grip auch. Das ist das Problem. Der Grip ist da, aber man muss ihn so gut wie möglich ausschöpfen. Das ist der Schlüssel. Zu Hause in der Fabrik versuchen alle, diese Problematik zu verstehen."

Frage: "Kimi Räikkönens schnellste Runde zeigt, dass ihr im Rennen auf einem Level wie McLaren-Mercedes seid. Es geht wirklich nur um das Qualifying, nicht wahr?"
Baldisserri: "Das Qualifying ist wichtig, die Rennpace ist auch wichtig. Das Problem ist, dass die Rennen schwierig sind, wenn man am Grid schon hinten steht - noch mehr, wenn man dann auch noch am Start zurückfällt. Wenn man hinter anderen Autos liegt, sieht die Performance meistens noch schlechter aus, denn hinter anderen Autos verlierst du im ersten Stint schon so viel Zeit, dass es fast unmöglich ist, sich davon noch zu erholen, selbst wenn das Auto und die Reifen konstant sind."

Frage: "Geht es beim Test in Silverstone also mehr darum, die derzeitigen Schwächen zu verstehen, und weniger um die Weiterentwicklung?"
Baldisserri: "Das ist ein Aspekt, aber wir testen in Silverstone auch ein komplett neues Aerodynamikpaket, mit dem wir aerodynamisch gesehen hoffentlich einen weiteren Schritt machen werden. Im Moment ist nur leider der Wetterbericht schlecht, es sieht nach Regen aus."

Frage: "Glaubst du, dass die großen Verbesserungen eher über das Setup als über neue Teile gefunden werden können?"
Baldisserri: "Das könnte eine Lösung sein, das wäre die einfachere Lösung. Wenn wir über das Setup die zwei oder drei Zehntel finden, die uns derzeit fehlen, dann wäre das sehr willkommen. Leider glaube ich aber nicht, dass das der Fall sein wird. Wir müssen alle Bereiche verstehen und untersuchen: die Aerodynamik, die Mechanik, aber auch den Motor."