• 11.05.2006 15:09

  • von Adrian Meier

Ferrari-Ingenieur: Anspruchsvoller Kurs mit Tücken

Giuliano Salvi, Perfomance-Ingenieur am Auto von Felipe Massa, erläutert die Anforderungen des 'Circuit de Catalunya' - Massa verbessert sich stetig

(Motorsport-Total.com) - Die heutigen Formel-1-Teams reisen mit vielen Mitarbeitern zu jedem Rennen, die Aufgaben sind klar verteilt. Ein wichtiger Posten, den es vor einigen Jahren noch nicht gab, ist bei Ferrari dabei der Performance-Ingenieur, dessen Aufgabe es ist, alle Aspekte eines Boliden im Auge zu behalten und durch harte Fakten die subjektiven Eindrücke des Fahrers und seines Renningenieurs zu verifizieren.

Titel-Bild zur News: Felipe Massa

Felipe Massa wird von einem Performance-Ingenieur unterstützt

Am Auto von Felipe Massa übernimmt Giuliano Salvi diese Aufgabe. Nach einigen Jahren in der DTM wechselte der Italiener, der einen Abschluss in der Luft- und Raumfahrttechnik hat, zu Ferrari. Dabei unterstützte er zunächst die Kundenteams der "Roten", bevor er 2002 für Getriebe und Hydrauliksysteme des Testteams verantwortlich zeichnete. Erst 2003 wurde Salvi dann zum Performance-Ingenieur ernannt. Diese Rolle übernahm er bislang im Testteam, bevor er in dieser Saison in gleicher Funktion in das Rennteam wechselte.#w1#

Wichtige Arbeiten an Aerodynamik und Setup

"Man muss einen Kompromiss finden zwischen einem Auto, das in den schnellen Kurven gut ist, und einem, das in den langsamen gut ist." Giuliano Salvi

Der Grand Prix von Spanien auf dem 'Circuit de Catalunya' ist für Salvi aufgrund der vielen verschiedenen Anforderungen des Kurses eines der aufregendsten Wochenenden: "Der Kurs beinhaltet eine langsame Sektion, mit den engen Kurven wie Turn 5 und 10, die sehr langsam sind und eine große Herausforderung bezüglich der Traktion darstellen, aber auch traditionelle Hochgeschwindigkeitskurven, die auf den relativ neuen Strecken eine echte Rarität sind", beschreibt er die Charakteristik der Strecke.

Dieser Mix aus verschiedenen Kurvenarten verkompliziert die Suche nach dem richtigen Setup enorm: "Man muss einen Kompromiss finden zwischen einem Auto, das in den schnellen Kurven gut ist, und einem, das in den langsamen gut ist", erklärt Salvi die Zielsetzung.

Kurs erfordert einen Kompromiss

"Ein Auto, das in Barcelona gut funktioniert, ist fast überall gut." Giuliano Salvi

Eine besondere Bedeutung kommt dabei vor allem den zwei letzten schnellen Kurven zu, die zurück auf die Start-Ziel-Gerade führen: "Man braucht ein stabiles Auto, das durch die letzten zwei Kurven der Runde sehr schnell ist, um genügend Schwung mit auf die folgende Hauptgerade zu nehmen, die über einen Kilometer lang ist." Dennoch könne man das Auto nicht ausschließlich darauf optimieren, schließlich muss man auch mit den langsamen Ecken des Kurses zurechtkommen: "Es ist harte Arbeit für die Ingenieure, diesen Kompromiss auszutüfteln."

Um das Auto entsprechend einzustellen, "muss man an der Aerodynamik und am Setup arbeiten, das sich stark unterscheiden kann. Nicht ohne Grund kommen alle Teams zu Wintertestfahrten hierher, denn auf dieser Strecke kann man eine ganze Menge nützlicher Daten sammeln. Ein Auto, das in Barcelona gut funktioniert, ist fast überall gut". Auch in dieser Saison haben die Rennställe bereits tausende von Kilometern auf dem 'Circuit de Catalunya' abgespult, um ihre Boliden zu testen. Die Testfahrten auf dem Kurs nahe Barcelona unterscheiden sich jedoch von Tests auf Strecken, die nicht Teil des Grand-Prix-Kalenders sind: "Wir behalten immer im Hinterkopf, dass wir hierher zum Rennen zurückkommen."

Reifen sind ein Schlüsselfaktor auf dem 'Circuit de Catalunya'

Bridgestone-Reifen und Reifenwärmer

Die Reifen spielen auf dem 'Circuit de Catalunya' ebenfalls eine wichtige Rolle Zoom

Wichtig sind auf dem anspruchsvollen Kurs neben Aerodynamik und Setup vor allem die Reifen: "Der wichtigste Aspekt, mit dem wir uns im Vorfeld beschäftigen, ist das Verständnis für die Performance der Reifen", erklärt Salvi. "Wir müssen versuchen, den Reifen zu finden, der uns die beste Leistung bringt. Normalerweise ist das eine Mischung, die möglichst weich ist, aber dennoch über eine Distanz durchhält, die wir als längsten Stint im Rennen planen."

Doch die Gummimischung darf dabei auch nicht zu weich sein, da der Fahrer andernfalls spüre, wie sich das Auto auf den Reifen bewegt: "Obwohl das Auto dann mehr Grip hat, ist der Fahrer dann meist etwas langsamer. Das Auto ist dann instabiler auf den Reifen, und es ist schwer für den Fahrer, zu beschreiben, wie sich das Auto in dieser Situation verhält."

Überholmanöver sind möglich

Auch wenn Überholmanöver in der Formel 1 derzeit selten sind, bietet der Kurs von Barcelona durchaus Möglichkeiten für einen Angriffsversuch: "Man kann es vor Turn 1 nach der langen Geraden versuchen. Die Schwierigkeit ist dabei jedoch, dass man Abtrieb verliert, wenn man einem anderen Auto in der Kurve vor der Geraden dicht folgt. Daher muss man dann auf der zweiten Hälfte der Geraden so schnell wie möglich wieder näher herankommen, um vor Turn 1 überholen zu können."

Doch dies ist nicht die einzige Stelle auf dem 'Circuit de Catalunya', an der man einen Überholversuch starten kann: "Dann ist da noch Turn 4, der aber auch wieder auf eine schnelle Kurve folgt; aber die beste Möglichkeit zum Überholen ist Turn 10, der in den vergangenen Jahren zu einer wesentlich schärferen Kurve umgebaut wurde." Da man für diese Kurve scharf abbremsen muss, könne man hier zum Überholen ansetzen, wenn man aus der vorangegangenen Kurve gut herausgekommen ist.

Wind hält zusätzliche Tücken bereit

Zu den Tücken der Strecke selbst kommen in Barcelona jedoch oftmals noch andere Faktoren, die die Arbeit der Ingenieure zusätzlich erschweren: "Der Wind spielt auf dieser Strecke eine Schlüsselrolle", erklärt der Performance-Ingenieur. "Das hat natürlich Einfluss darauf, welche Getriebeübersetzungen man wählt."

"Es ist sehr wichtig, zu verstehen, woher der Wind kommt." Giuliano Salvi

Doch vor allem wenn der Wind quer zur Start-Ziel-Geraden weht, verursacht er laut dem Italiener Schwierigkeiten: "Die neue geschlossene Haupttribüne, die sich über die halbe Länge der Hauptgeraden erstreckt, verursacht dann ein Problem, weil diese den Wind abhält. Solange der Fahrer an der Tribüne entlang fährt, ist er vor dem Wind geschützt, aber sobald er aus dem Windschatten der Tribüne herauskommt, verursacht der Wind Instabilität im Auto. Es ist also sehr wichtig, zu verstehen, woher der Wind kommt", erläutert Salvi.

Massa verbessert sich stetig

Der Performance-Ingenieur arbeitete übrigens bereits 2003 mit seinem jetzigen Piloten Felipe Massa zusammen, als der Brasilianer Testfahrer bei den "Roten" war. Seitdem habe sich der 25-Jährige jedoch deutlich weiterentwickelt. Bereits in seinem Jahr als Testpilot habe Massa "eine Menge gelernt, hat die technische Seite des Autos besser verstanden", erinnert sich Salvi. "Er hat auch dieses Jahr bereits deutliche Fortschritte gemacht, von Rennen zu Rennen."

"Natürlich kann es furchteinflößend sein, wenn man Michael als Ziel hat." Giuliano Salvi

Dabei sieht der Italiener in der Tatsache, dass Massa mit Michael Schumacher den siebenfachen Weltmeister als Teamkollegen hat, Vor- und Nachteile: "Natürlich kann es furchteinflößend sein, wenn man Michael als Ziel hat, aber das stellt auch eine gewaltige Chance dar, denn wenn man mit Michael mithalten kann, dann macht man einen sehr guten Job. Wir versuchen, die positiven Aspekte der Konstellation mit Michael als Teamkollegen zu stärken, und das ist gut für seine Karriere."