Ferrari erklärt den Bruch mit den Herstellern
Bis Ende 2003 war Ferrari die treibende Kraft hinter einer Konkurrenzserie, ehe man sich von den Herstellern trennte - Todt erklärt diesen Ausstieg
(Motorsport-Total.com) - Man neigt als Mensch dazu, schnell zu vergessen - und in der Formel 1 geht das Vergessen noch etwas schneller als in anderen Lebensbereichen: Es ist noch keine zwei Jahre her, dass Ferrari die treibende Kraft hinter den Ambitionen zur Gründung einer Konkurrenzserie war, während der Traditionsrennstall heute quasi als Fels in Bernie Ecclestones Brandung steht.

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Ferrari-Teamchef Todt steht mittlerweile voll und ganz hinter Ecclestone
Im November 2001 wurde von Fiat, BMW, DaimlerChrysler, Ford und Renault eine Interessensgemeinschaft namens GPWC gegründet, aus der später die heutige GPMA hervorgegangen ist. Vorstandsvorsitzender der GPWC war damals ein gewisser Paolo Cantarella - der verlängerte Arm von Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo bei Fiat. Gewissermaßen paradox, dass Ferrari heute vehement gegen die Automobilhersteller der GPMA kämpft...#w1#
Ferrari sieht das Concorde Agreement als Zukunftssicherung
Offiziell wurde der Seitenwechsel der Italiener im vergangenen Jahr, als sie als erstes Team eine Unterschrift unter eine Absichtserklärung für ein neues Concorde Agreement setzten. Doch warum kam es eigentlich zu diesem Sinneswandel? "Wenn es stimmt, dass Rennsport in Ferraris DNA ist, dann stimmt es auch, dass wir die notwendigen Investitionen für die Formel 1 nicht unsere Realität zerstören lassen dürfen, und diese Realität ist nun mal, dass wir ein kleiner Automobilbauer sind, der nicht die Ressourcen eines großen Konzerns hinter sich hat", erklärte Teamchef Jean Todt gegenüber 'formula1.com'.
"Fiat ist unser Hauptanteilseigner, trägt aber nicht zu den Finanzen unseres Geschäfts bei", fuhr der Franzose fort. "Also setzte sich in den vergangenen Jahren unser Präsident, Luca di Montezemolo, für eine gerechtere Einnahmenverteilung in der Formel 1 ein. Diese intensiven Verhandlungen führten im Dezember 2003 zu einem Vorvertrag mit der FOM, der jedoch nicht zur Unterschrift gebracht wurde."
Absichtserklärung von 2003 wurde nie umgesetzt
Todt spielte damit auf das Memorandung of Understanding zwischen Ecclestone und den Automobilherstellern an, welches jedoch aus verschiedenen Gründen nicht eingehalten wurde. Stattdessen verschärften die großen Werke ihre Gangart - doch Ferrari liebäugelte zu jenem Zeitpunkt schon mit dem Gedanken, die Seiten zu wechseln. Man darf annehmen, dass Ecclestone den Italienern als Bonus ein paar Euro-Millionen in Aussicht gestellt hatte.

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Ferrari zählte im Jahr 2001 zu den Gründungsmitgliedern der GPWC Zoom
"Wir unterrichteten zu jenem Zeitpunkt die anderen Hersteller von unserem Vorhaben, eine Einigung erreichen zu wollen, weil es eine unserer Hauptprioritäten war und ist, eine langfristige wirtschaftliche Stabilität für unser Formel-1-Projekt zu gewährleisten", erklärte Todt die Umstände des Überlaufens. "Anschließend erreichten wir einen Kompromiss, so dass wir am 19. Januar 2005 unsere Unterstützung für ein neues Concorde Agreement mit Gültigkeit bis Ende 2012 bekannt geben konnten."
Dass der 60-Jährige Ferrari weiterhin als kleinen italienischen Familienbetrieb darstellt, in dem Papa Montezemolo das Taschengeld für Lausbub Todt nicht erhöhen kann, weil er selbst nicht genug verdient, ist freilich bestenfalls eine Farce für die Öffentlichkeit; Ferrari erwirtschaftete 2005 knapp 1,3 Milliarden Euro Umsatz und operative Gewinne in der Höhe von 157 Millionen Euro. Damit spielt man finanziell nicht ganz in der Liga von BMW und Co., aber sehr wohl in jener von Red Bull und Midland.
Ist Ferrari wirklich nur ein kleines Garagenunternehmen?
Ferraris Wirtschaftsvolumen einfach direkt mit jenem der Automobilhersteller zu vergleichen, wäre aber ohnehin milchmädchenhaft, schließlich stellt das Formel-1-Projekt in Maranello einen Kernbereich des Geschäfts dar, während Automobilsport für andere Werke nur ein Marketinginstrument ist. Darüber hinaus bekommt Ferrari von Großsponsoren wie Marlboro pro Jahr mehr als 30 Millionen Euro überwiesen - und zählt damit zu den bestfinanzierten Teams der Formel 1.
Ungeachtet dessen hofft Ferrari auf eine baldige Einigung zwischen Ecclestone und der GPMA. Auf die Frage unserer Kollegen von 'formula1.com', ob dies in absehbarer Zukunft passieren werde, wollte sich Todt aber nicht festlegen lassen: "Ich bin nicht bekannt dafür, mir ein Urteil über andere zu bilden, aber ich glaube, dass das die logischste Variante wäre", rührte der Franzose abschließend die Werbetrommel für das neue Concorde Agreement.

