Esteban Ocon: "So wie ihr redet, kann ich ja einfach jetzt gehen ..."
Belegt Alpine zu Saisonbeginn 2024 den letzten Platz? Die Testfahrten geben Anlass zur Sorge, und auch die Fahrer stellen sich schon auf den Ernstfall ein
(Motorsport-Total.com) - "Sicher ist, dass wir nicht den Schritt gemacht haben, den einige andere Teams gemacht haben", sagt Pierre Gasly und fasst damit die Situation von Alpine gut zusammen. Den Fahrern droht beim Formel-1-Saisonauftakt in Bahrain eine böse Überraschung, denn die Franzosen haben bei den Testfahrten an gleicher Stelle vor einer Woche keine gute Figur abgegeben.
© Motorsport Images
Esteban Ocon blickt nicht gerade optimistisch auf den Saisonstart Zoom
Alpine war mit seinem neuen A524 einen neuen Weg eingegangen und hatte die bislang eingeschlagene Richtung verlassen. Das Team erhofft sich dabei ein deutlich größeres Potenzial, auch wenn man erst einmal einen Schritt zurück machen muss.
Doch der könnte größer ausgefallen sein als gewünscht. Alpine droht gegen Haas um den letzten Platz kämpfen zu müssen - darauf deuten die Daten aus den Testfahrten hin. "Ich glaube, aktuell hält der Haas immer noch die Rote Laterne. Aber Alpine ist nicht weit davon weg", urteilt Datenexperte Alexander Bodo in einem Livestream auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de.
Bei den Fahrern ist man auf das Schlimmste vorbereitet, versucht die Gedanken aber noch beiseitezuschieben, solange es noch keine offizielle Session in der neuen Saison gab. "Wir wissen es daher nicht genau, aber ihr versucht es immer als das schlechteste Auto zu verkaufen", sagt Esteban Ocon gegenüber anwesenden Journalisten.
Aber er gibt zu: "Es ist möglich, weil wir noch nicht mit allen voll gefahren sind. Trotzdem ist es nicht vorbei."
"Das erste Rennen wird nicht notwendigerweise die Geschichte der gesamten Saison sein", so der Franzose weiter. "Wir wollen neue Teile für das Auto bekommen und die Probleme des ersten Rennens identifizieren. Aber es ist sehr gut möglich, dass wir nicht dort starten, wo wir sein wollen."
Dem A524 fehlt einfach Grip
Die Testfahrten in der vergangenen Woche hätten laut ihm zumindest ein bisschen geholfen, die meisten kleineren Probleme zu beseitigen. "Wir hatten ein gutes Gefühl. Über eine Runde war das Auto schön zu fahren, und wir haben das Problem erkannt. Das werden wir jetzt jagen."
Dieses Problem, das größer sein soll als alle anderen, will Ocon aber nicht genau benennen. Nur: Das Gewicht soll es nicht sein, obwohl der A524 mit auffallend wenig Farbe glänzt. Sicher ist laut ihm nur: "Es wird Zeit brauchen."
Teamkollege Pierre Gasly möchte ebenfalls nicht zu sehr ins Detail gehen, betont aber, dass dem Auto einfach an Haftung fehlt: "Wir haben nicht den Grip, den wir brauchen, um konkurrenzfähig zu sein", sagt er.
Das Auto sei zudem nicht einfach zu fahren. Das ist für Gasly aber noch kein Problem, weil ein Auto schwierig zu fahren, aber trotzdem konkurrenzfähig sein kann. Das ist der Alpine aber im Moment nicht.
Die Fahrer sind auf jeden Fall darauf eingestellt, dass es zu Beginn schwierig werden kann: "Sollten die Dinge nicht nach Plan laufen, dann bin ich darauf vorbereitet", bestätigt Ocon, der aber nicht die Flinte ins Korn werfen möchte: "Wenn wir so weit hinten starten sollten, wie ihr darüber redet, dann kann ich auch einfach jetzt gehen und den Paddock verlassen. Aber so bin ich nicht."
McLaren als Vorbild: Haben gezeigt, dass es möglich ist
Ocon betont, dass er seinem Team einfach vertrauen muss. "Denn wenn ich meinem Team nicht vertraue, dann gibt es keinen Grund, warum ich noch hier fahren sollte", sagt er. "Es ist wichtig, dass du mit der Richtung, die sie entscheiden, umgehen kannst. Du musst versuchen, in die gleiche Richtung zu arbeiten."
"Wenn das Team einmal eine Richtung entschieden hat, dann respektiere ich die Wahl, und wir arbeiten mit dem, was wir haben", so Ocon. "Ich bin Teil einer langen Kette von Leuten, die am Auto arbeiten. Und ich muss Lösungen finden, um es schneller zu machen."
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Teamkollege Gasly sieht auch keinen Grund, warum Alpine seine Ziele nicht noch im Laufe der Saison erreichen sollte. "Natürlich ist niemand über einen schwierigen Start glücklich, aber das war auch nicht der Plan", sagt er. "Aber die Situation ist jetzt einmal so, und wir stellen uns ihr zusammen als Team."
Das Ziel sei es, das Auto so schnell wie möglich zu verbessern. Und dass man nach einem schwierigen Saisonstart noch eine starke Rolle spielen kann, hatte im vergangenen Jahr McLaren gezeigt. "Sie sind das Vorbild", nickt Ocon. "Sie haben das getan, von dem jedes Team träumt, und gezeigt, dass es möglich ist."
Famin lobt aktuellen Weg von Alpine
Unabhängig der aktuellen Situation rund um das Alpine-Team lobt Teamchef Bruno Famin die Veränderungen, die es seit dem großen Knall in Belgien im vergangenen Jahr gegeben hat. Otmar Szafnauer musste als Teamchef gehen und wurde durch Famin ersetzt, der seitdem beim Team aus Enstone das Sagen hat.
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Alpine habe sich 2023 operativ und beim Thema Zuverlässigkeit verbessert und Fortschritte gemacht. "Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich an der Strecke gesehen habe", sagt er. "Jetzt müssen wir noch den Job in der Fabrik machen."
"Wir müssen alles verbessern und auch jedem einzelnen das Beste herausholen, um die Energie und die Kreativität freizusetzen. Und wir müssen eine kulturelle Veränderung implementieren, Abläufe vereinfachen, effizienter und schneller sein. Wir wissen, dass unser Ziel ist, so schnell wie möglich mit den Großen zu kämpfen."
Credo: Das Beste aus allen herausholen
Von großen Ankündigungen hat man sich bei Alpine aber verabschiedet. Vorbei sind die Zeiten, in denen man Fünf-Jahres- oder 100-Rennen-Pläne aufstellte und diese nicht erfüllte. "Ich werde nicht über die Vergangenheit sprechen, aber ich glaube, daran, dass du nichts erreichst, wenn du nicht aus allen das Beste herausholst."
"Und das ist eine Herausforderung. Nennt es Kultur, nennt es Mindset, nennt es Management. Ich habe nicht viele englische Worte dafür. Am Ende kommt es darauf an, das Beste aus allen herauszuholen - und keine Leute hier zu haben, die nur dafür bezahlt werden, dass sie anwesend sind", so Famin.
Das Ganze sei aber ein Prozess, bei dem man keinen exakten Zeitpunkt bestimmen könne, an dem man sagt, dass es jetzt soweit ist. "Das ist ein langer Prozess, der eine Menge Engagement des Managements benötigt. Man muss nah an den Leuten sein, mit ihnen reden, erklären und versuchen zu verstehen."
"Für mich ist die Rolle des Bosses nicht die, Boss zu sein, sondern den Jungs die Mittel und Ressourcen und Abläufe zu geben, damit sie ihren Job richtig machen können", sagt er. "Ich war früher Technikchef, aber bin absolut nicht in der Lage, ein Auto zu designen. Mein Job war, alle mit den richtigen Skills, dem richtigen Verhalten und den richtigen Prozessen zusammenzubringen."
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