• 26.05.2003 11:16

  • von Heinz-Harald Frentzen

Eine Monaco-Runde mit Heinz-Harald Frentzen

Routinier Heinz-Harald Frentzen über die Faszination des ? seit dem Vorjahr leicht umgebauten ? Traditionskurses in Monaco

(Motorsport-Total.com) - Sainte Devote, die erste Kurve in Monaco, ist wie ein Trichter. Sie wird immer enger, insbesondere beim Rennen, wenn man überall Autos um sich herum hat. Und in den vergangenen Jahren war die Einfahrt holprig, wenngleich die teilweise Erneuerung des Straßenbelags hier vielleicht für Abhilfe gesorgt hat. Ich bin gespannt darauf, was es gebracht hat. Der Erste, der dort beim Rennen aus der Spur schliddert, kommt auf den Reifenabrieb und kracht danach gegen die Wand.

Titel-Bild zur News: Heinz-Harald Frentzen

Heinz-Harald Frentzen 2002 im Arrows-Cosworth im Tunnel von Monaco

Nach jedem Training wird die Strecke zwar gereinigt, aber beim Rennen ist dennoch größte Vorsicht geboten. Jede Runde muss äußerst präzise gefahren werden. Man muss auf exakt der gleichen Linie bleiben und die kleinste Unachtsamkeit kann einen ins Aus führen. Dies trifft auf etliche Kurven in Monaco zu. Deshalb muss man bei seinem Rhythmus und seiner Fahrweise bleiben.

Die Steigung in Richtung Massenet ist relativ undramatisch. Obwohl die Straße kurvenreich verläuft, durchfährt man die Kurven einfach auf der Ideallinie, bis man zur Massenet-Linkskurve kommt. Man muss sich auf den Scheitelpunkt einstellen noch bevor man diesen sehen kann, weil er nämlich von der Leitplanke verdeckt wird. Man muss sich also gleichsam hineinfühlen statt hinein zu sehen. Man muss den Weg ohne optische Rückmeldung finden und, nochmals, man muss auf exakt der gleichen Linie bleiben.

Auch beim Casinoplatz, der nächsten Rechtskurve, gibt es nur eine Spur. Hier "flirtet" man beim Herausfahren mit der Leitplanke, aber es gibt dort eine große Bodenwelle auf der Straße und man hat die Wahl, sich entweder links zu halten und drüber zu fahren oder nach rechts zu ziehen, um sie zu umgehen und Abtrieb zu bewahren. Ich persönlich mache es gern halb und halb. In einer Kurve wie der beim Casino verändert sich die Balance des Autos im Verlauf des Rennens. Anfangs untersteuert das Auto, aber noch vor dem Reifenwechsel in der Box kommt es zum Übersteuern des Fahrzeugs. Man muss sich ständig anpassen, Runde um Runde.

Danach kommt Mirabeau, eine enge, bergab führende Rechtskurve, an die sich eine wichtige Abfolge von Kurven anschließt. Hier ist die Strecke holprig und während der schnellen Talfahrt bremst man hart ab und hat nicht viel Grip. Während des Einlenkens fällt die Straße ab und das kurveninnere Rad hängt in der Luft, so dass die Haftung noch geringer wird. Auch gibt es jede Menge Sturzveränderungen. Eine ziemlich spannende Kombination.

Dann beschleunigt man schnell auf der Talfahrt zur Grand-Hotel-Spitzkehre, jener Linkskurve, die früher Loews hiess. Auch dieser Vorgang hat es in sich, da es sich bei dieser Kurve nicht um eine normale Spitzkehre handelt. Wenn man aus Mirabeau mit guter Traktion herausfährt, kann man auf 145 km/h kommen, bevor man stark abbremst, bei weniger guter Traktion kommt man vielleicht nur auf 135 km/h. Also muss man sich gut überlegen, wie man die Kurve anfährt. Wenn der Schwung nicht wie erwartet ausfällt und das Auto nicht so rutscht wie man denkt, nimmt man leicht den linken Randstein mit, wirft das Auto praktisch in die Luft und verliert die Bodenhaftung, das heißt man verliert Grip und Schwung. Abbremsen und Einlenken sind hier ausschlaggebend und man büßt leicht ein paar Zehntelsekunden ein.

Auch bei der folgenden ? unbenannten ? Rechtskurve muss man die Spur sorgfältig wählen. Wie gut man durch diese Kurve kommt, hängt auch davon ab, wie man aus der Grand-Hotel-Kurve herausgekommen ist.

Dann folgt Portier, die 90-Grad-Rechtskurve, die in den Tunnel führt. Man bremst ein bisschen und tritt dann früh auf das Gaspedal. Hier kann man den Fehler machen, zu früh einzulenken. Falls das passiert, kann das rechte Vorderrad an der Innenleitplanke hängen bleiben, trotzdem muss man nahe heranfahren, um den Scheitelpunkt zu schaffen.

Durch den ganzen Tunnel hindurch bleibt man voll auf dem Gaspedal. Die Spur kann man im dunklen Tunnel aber nicht sehen, so dass man auch nur schwer erkennen kann, ob jemand Öl verloren hat. Der Wechsel von Dunkelheit zum Sonnenlicht ist dagegen nicht so schlimm. Die Abfahrt zur Schikane bildet den schnellsten Abschnitt der Strecke ? bis man oben auf dem Hügel ist, hat man ungefähr 280 Sachen drauf; dort muss man dann wirklich auf die Bremse treten, um nicht in den Notausgang zu geraten oder über die Schikane zu fahren. Von allen Streckenabschnitten muss man hier am stärksten bremsen und man nimmt die Schikane im ersten oder zweiten Gang, bevor man auf dem Weg nach Tabak bis zum fünften hinauf beschleunigt. Die Einfahrt war hier früher ziemlich holprig, aber der Belag wurde erneuert und jetzt ist die Straße okay.

Ich mag die Kombination der Tabak-Linkskurve und der am Swimming-Pool folgenden schnellen Links/Rechts-Kombination sehr. Das ist eine wirkliche Herausforderung und man kann da vieles falsch machen. Es gibt eine Menge Spuren und die Einschätzung ist zudem schwierig. Auch dies ist eine Kurve mit einem verborgenen Scheitelpunkt und die Leitplanke weist keinen perfekten Radius auf, so dass man leicht von Knicken erwischt werden kann, wenn man sich zu stark von ihr leiten lässt. Abgesehen vom Tunnel, der keine wirkliche Kurve darstellt, ist der Links/Rechts-Knick die schnellste Kurve der Strecke.

Der Streckenverlauf nach dem Schwimmbad wurde dieses Jahr verändert und hat nun eine neue Einfahrt nach Rascasse. Dadurch wurden zwei wichtige Punkte beseitigt, an denen es zu Unfällen kommen konnte. Die Stelle war früher sehr schwierig, denn falls man zu stark gebremst hatte, konnte man sich leicht an der Wand wiederfinden. Jetzt ist eine Auslaufzone vorhanden, die einen gewissen Spielraum für Fehler bietet. Das heißt, wenn man heute einen Fehler macht, verliert man die Runde, aber nicht unbedingt das Auto. Heute könnte man sich also in Stars and Bars zu einem Drink wiederfinden!

Es gibt jetzt eine Gerade vor Rascasse und man muss aufpassen, dass man nicht zu spät bremst, weil man nun eine höhere Geschwindigkeit drauf hat. Zwei Kurven wurden zwar entschärft, aber in einer muss man sich immer noch in Acht nehmen. Ich bin gespannt darauf, wie die Situation dort jetzt aussieht.

Die letzte Kurve ist die Anthony Noghes, und auch sie hat es in sich. Hier kann man das Auto leicht zum Übersteuern bringen und die Leitplanke touchieren. Auch bei dieser Kurve kann man den Scheitelpunkt erst erkennen, wenn man bereits drin ist. Man muss beim Beschleunigen einlenken und es gibt eine seltsame Sturzveränderung. Wenn man nur ein paar Zentimeter von der Spur abkommt, kann man leicht mit dem rechten Vorderrad die Absperrung berühren, und wenn man beim Herausfahren übersteuert, mit dem linken Hinterrad.

Die Zielgerade ist keine eigentliche Gerade. Hier wurden dieses Jahr eine Menge Arbeiten durchgeführt und viele der Bodenwellen beseitigt. Dadurch dürfte auch der Start ein bisschen einfacher werden.