• 29.02.2008 13:00

Ecclestone im Interview: Spione und Städte

Interview mit Bernie Ecclestone: Der Formel-1-Boss über Spione, Strafen, Spektakel in Städten und seinen weit entfernten Ruhestand

(Motorsport-Total.com/sid) - Frage: "War 2007 das schwierigste Jahr in der Geschichte der Formel 1?"
Bernie Ecclestone: "Nein, ich denke, die sogenannte Spionage-Affäre war etwas, das zwischen zwei Teams passiert ist. Es hat uns eine Menge Publicity gebracht. Über die Formel 1 wurde jeden Tag gesprochen."

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone

Bernie Ecclestone hat noch jede Menge Pläne mit der Formel 1

Frage: "Hat diese Affäre der Formel 1 geschadet oder sie vielleicht sogar gestärkt, wie Max Mosley meint?"
Ecclestone: "Weder noch. Solche Dinge passieren halt."#w1#

"Schwierige Situation" für Mercedes

Frage: "Hatte Mercedes großen Anteil daran, dass die Spionage-Affäre beendet wurde?"
Ecclestone: "Ich weiß nicht, ob Mercedes von diesen Dingen etwas gewusst hat. Wie hätten sie auch etwas wissen können, wenn Ron Dennis gesagt hat, es wäre gar nichts passiert. Das war für sie eine schwierige Situation."

Frage: "War die Strafe für McLaren-Mercedes gerecht?"
Ecclestone: "Sicher. Die Alternative wäre noch schlimmer gewesen."

Frage: "Muss Mercedes die Mehrheit an McLaren übernehmen, um in Zukunft Entscheidungen allein treffen zu können?"
Ecclestone: "Das ist allein die Angelegenheit von Mercedes. Es scheint so, dass sie eine Menge Geld in das Team investieren, aber nicht viel zu sagen haben. Das verstehe ich. Aber es liegt an ihnen selbst, zu entscheiden, was sie tun wollen."

"Es scheint so, dass sie eine Menge Geld in das Team investieren, aber nicht viel zu sagen haben." Bernie Ecclestone

Renault "eine ganz andere Geschichte"

Frage: "Und was ist mit Renault? Die sind straffrei geblieben. Was war der Unterschied zwischen diesen beiden Fällen?"
Ecclestone: "Die FIA hat die meisten Dinge zum Fall Renault veröffentlicht. Was bei Renault passiert ist, das ist auch schon früher zwischen Teams passiert und wird auch wieder passieren. Wenn jemand ein Team verlässt und zu einem anderen geht, vergisst er nicht, was er vorher gemacht hat. In dem anderen Fall hat es Gott weiß wie viel Kommunikation gegeben, das ist eine ganz andere Geschichte."

Frage: "Bis zu welchem Punkt ist der Transfer von Wissen und Informationen Ihrer Meinung nach legal?"
Ecclestone: "Wenn ich wegen einer Herztransplantation in ein Krankenhaus gehe, dann bevorzuge ich einen Arzt, der schon fünfzig erfolgreiche Transplantationen durchgeführt hat gegenüber einem, der noch keine oder vielleicht zwei gemacht hat. Denn er hat das Wissen. Das ist bei Renault passiert. So etwas gibt es überall in der Industrie. Im Fall von McLaren war das anders."

Frage: "Haben Sie Angst, dass es weitere Spionage-Fälle geben wird?"
Ecclestone: "Ich sehe es absolut positiv, dass Leute, die ein Team wechseln, Informationen im Kopf haben. So ist das im letzten Fall bei Renault gewesen."

"Ich sehe es absolut positiv, dass Leute, die ein Team wechseln, Informationen im Kopf haben." Bernie Ecclestone

Frage: "Einige Teams beschweren sich, dass die neue Standard-Elektronik von einer McLaren-Tochter geliefert wird und vermuten einen Vorteil für die Silberpfeile. Was sagen Sie dazu?"
Ecclestone: "Nach dem, was im letzten Jahr passiert ist, würden sie keine Informationen von anderen Teams verwenden."

London, Paris: Ab in die Stadt

Frage: "In diesem Jahr wird es in Valencia und Singapur Rennen auf spektakulären neuen Stadtkursen geben. 2009 einen ähnlichen Grand Prix in Abu Dhabi. Ist das die Zukunft der Formel 1?"
Ecclestone: "Schauen Sie, ich mag die Abwechslung. Die Strecken sollten sich unterscheiden. In der Türkei beispielsweise haben wir eine andere Strecke gemacht als in Bahrain, wo alles flach ist. Darauf haben wir geachtet. Und die neuen Events werden auch ganz anders sein."

"Schauen Sie, ich mag die Abwechslung." Bernie Ecclestone

Frage: "Anders wären auch zwei Ihrer Lieblings-Projekte: Rennen in London und Paris?"
Ecclestone: "Sie wären besser für die Zuschauer und besser fürs Fernsehen."

Frage: "Wäre ein Formel-1-Rennen in London realisierbar?"
Ecclestone: "Wahrscheinlich nicht. Nicht da, wo ich es gerne hätte. Aber ich hoffe, dass wir in Paris etwas schaffen können. Wir brauchen einen Platz für den französischen Grand Prix. Denn wir werden nicht mehr nach Magny-Cours gehen. Sie wissen das, und die Regierung hat das verstanden. Wir hatten das Rennen ja ursprünglich schon für dieses Jahr abgesagt."

"Wir werden nicht mehr nach Magny-Cours gehen." Bernie Ecclestone

Frage: "Also 2009 dann in Paris?"
Ecclestone: "Das hoffe ich."

Frage: "Welche neuen Rennen wird es bald noch im Kalender geben?"
Ecclestone: "Indien, Südkorea."

Frage: "Wie viele Grand Prix pro Jahr wären die perfekte Anzahl?"
Ecclestone: "Ich denke, 20 wären gut."

Frage: "In der Rallye-WM werden 24 Veranstalter nur noch in jedem zweiten Jahr einen WM-Lauf haben. Ist das auch für die Formel 1 vorstellbar?"
Ecclestone: "Nein."

Kein Gedanke an Ruhestand

Frage: "Wie steht es mit Ihnen? Sie sind jetzt 77 Jahre alt. Sind Sie noch glücklich mit dem Job, wie Sie ihn machen?"
Ecclestone: "Ich würde ihn nicht mehr machen, wenn ich das nicht wäre. Ich mache es nicht, weil ich es muss."

Frage: "Wie lange wollen Sie den Job denn noch machen?"
Ecclestone: "Ich plane gerade, wann es Zeit wäre, zu gehen: vielleicht in 30 Jahren, oder so."

"Ich plane gerade, wann es Zeit wäre, zu gehen: vielleicht in 30 Jahren, oder so." Bernie Ecclestone

Frage: "Das wäre sicher gut für die Formel 1 ...
Ecclestone: "Im Ernst: Ich habe keine Pläne. Wenn ich spüre, dass ich den Job nicht mehr anständig machen kann, dann gehe ich."

Frage: "Ist es Ihre Aufgabe, jemanden zu finden, der irgendwann Ihren Platz einnehmen kann?"
Ecclestone: "Ich denke, wenn wir aussortiert haben, wer welche Rolle in der Formel 1 übernehmen soll, wird es einfacher sein, die richtige Person zu finden."

Frage: "Und wenn das geschafft ist, könnten Sie sich beruhigt zurückziehen ..."
Ecclestone: "Warten wir"s mal ab."