• 09.07.2006 11:24

Doppelt auf Nummer sicher

Ein Gefühl von Sicherheit: Hoher Sicherheitsstandard in der Formel 1 auch dank konsequenter Weiterentwicklung von Helmen und Rennoveralls

(Motorsport-Total.com) - In den Gründerjahren der Formel 1 zwischen 1950 und 1960 richtete sich die Kleiderordnung vornehmlich nach Bequemlichkeit und Eleganz. Der legendäre Juan Manuel Fangio zum Beispiel fuhr seine Rennen vorzugsweise in Poloshirt und Stoffhose, auf dem Kopf eine Sturmhaube, die allenfalls als besserer Sonnenschutz taugte. Noch in den 70er Jahren waren die Rennoveralls aus leicht brennbarer Baumwolle, und erst nach dem Feuerunfall von Niki Lauda 1976 auf dem Nürburgring setzte ein Umdenken ein.

Titel-Bild zur News: Rennvoeralls und Helme

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Von da an ging alles sehr schnell. 1979 fuhren Niki Lauda, Carlos Reutemann und Mario Andretti mit Overalls aus fünf Schichten feuerfesten Materials, wie es auch für die Astronautenanzüge der NASA verwendet wurde. Heute bestehen nicht nur die Overalls, sondern auch Schuhe, Unterwäsche, Handschuhe und Gesichtsmasken aus der synthetischen Spezialfaser Nomex. Sie ist so extrem resistent gegen Hitze und Feuer, dass Fahrer in einem Nomex-3-Overall selbst bei Temperaturen von 850 Grad Celsius 35 Sekunden überleben können, was in etwa der Hitze bei einem Wohnungsbrand entspricht. Darüber hinaus schützt dieses Material den Fahrer auch vor aggressiven Gasen und Säuren.#w1#

Ein weiterer Vorteil von Nomex ist sein geringes Gewicht. Ein Rennoverall, der normalerweise aus drei Schichten des feuerfesten Materials besteht, wiegt gerade mal 1,9 Kilogramm. Jeder Anzug ist Maßarbeit, wird den Piloten mit Hilfe modernster 3D-Computerprogramme auf den Leib geschneidert. Dabei bleibt sogar noch Platz für Zugeständnisse an den Tragekomfort: Damit es an keiner Stelle kneift und spannt, wird für den Schulterbereich ein besonders flexibler Stoff verwendet, und die innere der drei Lagen hat keine Nähte. Bei der Herstellung der je nach Rennen unterschiedlich dicken Overalls kommen auch atmungsaktive Materialien zum Einsatz. Pro Saison verbraucht ein Fahrer ungefähr 16 Anzüge.

Ferrari-Overall

Auch die Pflege der Overalls an einem Rennwochenende ist wichtig Zoom

Der Schutz der Insassen hat auch in Serienfahrzeugen hat über viele Jahre ein sehr hohes Niveau erreicht. Dagegen ist die Sicherheit von Motorradfahrern sehr viel schwerer zu realisieren. "Neben der Unfallvermeidung durch eine aufmerksame und defensive Fahrweise gehört der Helm zu den unverzichtbaren Sicherheitselementen", sagt Dr. Christoph Lauterwasser vom 'Allianz Zentrum für Technik'. Trotzdem sollte man sich als Motorradfahrer aus Sicherheitsgründen nicht allein auf den Helm verlassen. Der 'AZT'-Experte: "Gute Schutzkleidung mit Protektoren sollte ebenfalls eine Selbstverständlichkeit sein."

In der Formel 1 ist jeder Helm ein Einzelstück und wird mit großem technischen Aufwand individuell auf den Fahrer zugeschnitten. Im ersten Schritt wird der Kopf gescannt und ein Modell in Originalgröße hergestellt, danach geht es weiter wie bei den alten Ägyptern und ihren Mumien: Schicht um Schicht wird der Kopf mit 120 Matten der Hochleistungsfaser T 800 umwickelt, bei der jeder Faden aus etwa 12.000 Mikrofäden besteht, die wiederum 15 Mal dünner sind als ein menschliches Haar. Die Gesamtlänge aller in einem einzigen Helm verarbeiteten Fäden beträgt rund 16.000 Kilometer.

Wie sich die 17 Schichten genau zusammensetzen, ist für jeden Helmhersteller ein gut gehütetes Betriebsgeheimnis. Nur die drei Hauptsubstanzen lassen sich die Spezialisten entlocken: Kohlefaser für die Steifigkeit, feuerfestes Aramid und dazu Polyäthylen, das auch für schusssichere Westen verwendet wird. Dazu kommen, wie man weiß, Aluminium, Magnesium und das Bindemittel Epoxidharz. Die Helme sind hart im Nehmen, mit einem Gewicht von rund 1200 Gramm trotzdem relativ leicht und entlasten dadurch auf Strecken mit besonders hoher G-Belastung die Hals- und Nackenmuskeln der Piloten.

Helme

16.000 Kilometer hauchdünner Faden steckt in nur einem Helm Zoom

Im Autoklaven werden die einzelnen Schichten bei konstanten 132 Grad Celsius unter hohem Druck miteinander verbunden und ausgehärtet. Besonders stark beanspruchte Stellen wie die Unterseite und der Visierausschnitt werden zusätzlich mit Aluminium und Titan verstärkt. Das Innenfutter besteht aus zwei Lagen feuerfestem Nomex. Beim vorgeschriebenen Feuertest wird der Helm 45 Sekunden lang einer 800 Grad heißen Flamme ausgesetzt, wobei die Temperatur im Helminnern auf höchstens 70 Grad ansteigen darf. Das Belüftungssystem ist so angelegt, dass pro Sekunde etwa zehn Liter Frischluft ins Helminnere strömen können, wobei ein Filter selbst feinste Partikel von Motoröl, Karbon und Bremsstaub aussortiert.

Unerlässlich für die Sicherheit der Fahrer ist eine gute Sicht auch unter schwierigsten Bedingungen. Für den richtigen Durchblick sorgt das drei Millimeter dicke Helmvisier aus feuerfestem Polycarbonat. Die Tönung stellt sich in Sekundenbruchteilen auf veränderte Lichtverhältnisse ein, etwa im Tunnel von Monaco. Im Test wird das Visier mit 500 km/h schnellen Projektilen beschossen, die höchstens 2,5 Millimeter tiefe Einschläge hinterlassen dürfen. Bei so viel Hightech versteht es sich fast von selbst, dass das Visier beheizt ist - obwohl die Formel 1 im Winter bekanntlich Pause macht.