• 22.07.2005 13:13

Die Leiden des (nicht mehr) jungen Jacques V.

Pleiten, Pech und Pannen prägten die bisherige Saison von Jacques Villeneuve bei Sauber-Petronas - Aufwärtstrend nun erkennbar

(Motorsport-Total.com) - In Monaco den Teamkollegen abgeschossen, in Silverstone einem Mechaniker über die Füße gefahren: Jacques Villeneuve lieferte in dieser Saison bisher reichlich unfreiwilliges Spektakel. Die beiden Malheurs dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kanadier im Laufe der Saison immer besser in Fahrt kam. Eine kleine Chronologie, zusammengestellt von unseren Kollegen vom 'emagazine' der 'Credit Suisse'.

Titel-Bild zur News: Jacques Villeneuve

Jacques Villeneuve: Ist seine Formel-1-Uhr abgelaufen oder doch noch nicht?

Als am 15. September letzten Jahres das Sauber-Team ankündigte, dass künftig Jacques Villeneuve für die Schweizer fahren werde, ging ein Raunen durch die Formel-1-Welt. Der als schrill geltende Kanadier brachte mit einem Schlag den für sein diskretes Auftreten bekannten Rennstall aus dem Zürcher Oberland in die Schlagzeilen der weltweiten Sportpresse. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an den Ex-Weltmeister, der seit seinem Titelgewinn im Jahre 1997 nie mehr in einem Auto saß, mit dem er seinen frühen Triumph hätte wiederholen können, und der Ende der Saison 2003, nach fünf Jahren Aufbauarbeit bei BAR, sogar ohne Cockpit da stand, weshalb er fast ein Jahr pausieren musste.#w1#

C24 blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück

Für zusätzlichen Optimismus in Hinwil sorgte der C24, der erste Sauber-Rennwagen, der komplett im topmodernen Windkanal entstanden war. Doch kaum war das neue Jahr angebrochen, folgten schon die ersten Dämpfer für die ambitionierte Sauber Crew: Der C24 wurde in den ersten Tests von den andern Michelin-Teams deutlich distanziert. Noch überraschender war für viele jedoch, dass sich auch innerhalb des Teams ein Graben auftat, denn Felipe Massa fuhr konstant eine Sekunde schneller als sein neuer Teamkollege. Das Bild veränderte sich auch in den ersten Saisonrennen nicht: Der C24 war noch nicht dort, wo er hätte sein sollen, und Villeneuve sah meist nur den Heckflügel von Massa.

Rasch wurde aus dem gefeierten Rückkehrer in der Presse ein alternder Champion, dessen Tage in der Formel 1 gezählt schienen. Villeneuve selbst verstärkte mit seinen gewohnt unverblümten Äußerungen den Eindruck, ein Mann von gestern zu sein, indem er mit der modernen Elektronik haderte und dem Sauber-Team vorwarf, beim Abstimmen des Autos zu stark auf Computerdaten zu hören und zu wenig auf den Fahrer.

Doch je länger die Saison dauerte, desto weniger musste der Kanadier vor den Medien nach Erklärungen ringen für seine ungenügende Performance. Denn mit jedem Rennen fühlte er sich etwas wohler im eben noch geschmähten C24, was sich auch in einer besseren Performance niederschlug. Die fünf Punkte in San Marino, dem vierten Grand Prix der Saison, waren teilweise noch ein Zufallstreffer, doch sie wirkten wie Balsam auf der geschundenen Rennfahrerseele des Kanadiers und beruhigten einstweilen die Gemüter rund um das Sauber-Team.

Peinliches Villeneuve-Malheur in Monaco

Ausgerechnet in Monaco, dem wohl anspruchsvollsten Kurs im Kalender, fuhr der Kanadier dann erstmals ein besseres Qualifying als Massa und war danach auch im Rennen besser unterwegs. Doch der fatale Crash mit seinem Teamkollegen, als er 15 Runden vor Schluss den mit abgenutzten Reifen kämpfenden Massa in der Sainte-Dévote-Kurve zu überholen versuchte, brachte ihn mit einem Schlag wieder ins Schussfeld all jener, die ihn lieber heute als morgen aus der Formel 1 verbannen wollten. Einmal mehr schien das Ende einer hoffnungsvollen Rennfahrerkarriere nahe, und die Namen möglicher Nachfolger - ob Davidson, Klien oder Liuzzi - machten einmal mehr die Runde. Doch der angeschlagene Villeneuve gab den Kritikern die einzig mögliche Antwort, um sie Verstummen zu lassen: Er wurde schneller.

Spätestens in seinem Heim-Grand-Prix in Kanada hatte er den Rückstand auf Massa wettgemacht. Parallel zum Erstarken des Kanadiers kam auch der C24 immer besser in Fahrt. Teams wie Toyota, das BMW WilliamsF1 Team oder Red-Bull-Cosworth, die zu Saisonbeginn noch deutlich vor den Sauber-Boliden fuhren, hatte man nun entweder im Blickfeld oder gar im Rückspiegel. Doch ausgerechnet jetzt, wo Villeneuve nicht mehr auf den Zufall angewiesen war, um regelmäßig in die Punkte zu fahren, sondern das aus eigener Kraft hätte schaffen können, schaute außer dem einen Punkt in Magny-Cours nichts Zählbares heraus.

Ausgerechnet beim Heimrennen kein Glück

In Montréal (Startplatz acht), wo Massa auf den hervorragenden vierten Platz fuhr, beschädigte der BAR-Honda-Pilot Takuma Sato gleich nach dem Start Villeneuves Frontflügel, weshalb Villeneuve an die Box musste. Am Ende reichte es nur für Rang neun. Das Rennen in Indianapolis (Startplatz zwölf mit weniger als einer halben Sekunde Abstand auf Startplatz drei) fand bekanntlich unter Ausschluss der Michelin-Teams statt. Und in Silverstone schließlich (Startplatz zehn) passierte Villeneuve nach Monaco das zweite große Malheur der Saison: Beim ersten Boxenstopp fuhr er zu früh los und dem Tankwart Sylvan Rüegg über den Fuß. Bilanz: Ein Bänderriss und rund vier verlorene Plätze. Am Ende reichte es nur für Rang 14.

In Monaco war es wohl Übermotiviertheit, die zum Fehler führte, denn aufgrund der Rundenzeiten wäre wohl sogar der vierte Rang drin gelegen. In Silverstone dagegen war es ein Konzentrationsproblem. Nicht auszuschließen, dass die Ursache für die beiden Aussetzer im permanenten Druck liegt, der von der Öffentlichkeit ausgeht.

Umgekehrt bewies Villeneuve gerade in dieser Saison auch große mentale Stärke. Denn wenn jemand, der derart im Kreuzfeuer der Kritik steht, dennoch von Rennen zu Rennen seine Performance verbessert, dann spricht das für dessen Fähigkeit, sich im richtigen Moment auf das Wesentliche zu fokussieren: die Arbeit im Team. Allen Unkenrufen zum Trotz gelang es offenbar beiden Seiten - den Sauber-Ingenieuren und dem Kanadier -, einen Schritt aufeinander zuzugehen und ein konkurrenzfähiges Paket zu schnüren.