Die Formel 1 ab 2008: Spar-Formel, Spaß-Formel?
FIA-Präsident Max Mosley feiert das neue Reglement als großen Sieg für die Formel 1 - doch trügt vielleicht hier und da der Schein?
(Motorsport-Total.com) - Mit dem neuen Reglement für die Formel 1, das ab dem Jahr 2008 gelten wird, will FIA-Präsident Max Mosley die "Königsklasse des Motorsports" in eine bessere Zukunft lotsen. Das am Mittwoch enthüllte Reglement soll den kleinen Teams das Überleben ermöglichen, neue Rennställe in die Formel 1 locken und die Automobilhersteller endgültig von ihrem Vorhaben abringen, mit einer eigenen Konkurrenzserie an den Start zu gehen.

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Der CDG-Flügel (hier als Fotomontage dargestellt) ist nicht unumstritten
Dass man das Reglement ausgerechnet in der Woche vor Weihnachten finalisierte, ist bezeichnend, dass man es drei Tage vor Heilig Abend enthüllte, wohl kein Zufall. Der neue Leitfaden für die Konstrukteure sollte möglichst ohne viel "Tamtam" präsentiert werden - dieses Ziel hat der clevere Max Mosley durch die Wahl dieses Zeitpunkts erreicht.#w1#
Alles nur die Schuld der Automobilhersteller?

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Mosley (links) sieht in den Herstellern auch eine Gefahr für die Formel 1 Zoom
In der Pressemitteilung betont Mosley, dass es der FIA vor allem ein Anliegen war, die Formel 1 kostengünstiger zu gestalten und er rückt noch einmal die Rolle der Automobilhersteller in den Mittelpunkt, die durch ihre seiner Meinung nach zum Teil völlig überzogenen Ausgaben die Formel 1 in Gefahr bringen.
Dabei scheint der Brite zu vergessen, dass auch Red Bull nicht gerade mit verschlossener Schatulle operiert - immerhin hat man sich gerade mit Minardi einen zweiten Rennstall unter den Nagel gerissen und mit Adrian Newey den Top-Designer der Szene unter Vertrag genommen. Und dass Red Bull-Boss Dietrich Mateschitz davon träumt, Michael Schumacher unter Vertrag zu nehmen, ist im Fall des Österreichers kein schlechter Gag.

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Mateschitz' Red Bull besitzt im F1-Universum mittlerweile zwei Teams Zoom
Die Entwicklung der Formel 1 über die letzten Jahre hinweg kann man in diesem Zusammenhang unterschiedlich einschätzen. Die immer stärker werdende Einmischung von Automobilherstellern (BMW kaufte jetzt Sauber, Honda übernahm den Rest von BAR) sowie reicher Unternehmen wie Red Bull (das jetzt zwei (!) Teams besitzt), hat dazu geführt, dass das Interesse an der Formel 1 deutlich gestiegen ist und dass bis auf MF1 Racing im kommenden Jahr alle Teams über ein gesundes Budget verfügen.
Geld wird die Formel 1 immer regieren - egal, was Mosley macht
Dass sich in den Augen von Mosley in Bezug auf das neue Reglement so ziemlich alles um das liebe Geld dreht, ist in den Augen vieler Insider eine Fehleinschätzung. Denn egal wie Mosley durch Eingriffe in das Reglement in gewissen Bereichen das Geldausgeben verhindern wird - die Teams werden ihr Budget dafür in anderen Bereichen aufstocken.
Fakt ist, dass schon in den Anfangsjahren der Formel 1 der Sport nicht für jeden Interessenten erschwinglich war und dass schon damals von Privatiers oder Herstellern zum Teil astronomische Summen ausgegeben worden sind. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Selbst angeblich so kostengünstige Rennserien wie die DTM kann sich längst nicht mehr jeder Hersteller leisten.
Das Duell "David gegen Goliath" gewinnt David nur im Traum

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Kleine Teams werden sich auch in Zukunft in der Formel 1 sehr schwer tun Zoom
Zu glauben, dass durch Reglementeingriffe plötzlich Privatteams mit den großen Automobilherstellern mithalten können, ist eine ziemlich mutige Träumerei. Die Automobilhersteller werden immer über mehr Ressourcen verfügen als ein Privatteam, da helfen die gut gemeinten Eingriffe in die Reglementierung des Sports auch nicht - denn Einheitsautos will ja niemand. Wegen der Einschnitte in die technischen Freiheiten wird in Zukunft das Budget unter anderem in teure Simulationstechniken umdirigiert.
Die FIA widerspricht sich teilweise selbst
Die Ansätze im Reglement sorgen teilweise für hoch gezogene Augenbrauen. Wie zum Beispiel ist zu erklären, dass man auf der einen Seite sicher stellen möchte, dass alle Teams ein gesundes Budget zur Verfügung stehen haben, man auf der anderen Seite aber den CDG-Heckflügel einführen wird, der über deutlich weniger Werbefläche verfügt - dabei ist der Heckflügel derzeit eine der lohnenswerten Werbeflächen überhaupt.

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Das reduzierte Gewicht soll die Heftigkeit von Unfällen reduzieren Zoom
Wohin Eingriffe in das Reglement führen, zeigt ein anderes Beispiel. Einst wurde ein Mindestgewicht für die Autos von 600 Kilogramm eingeführt, um zu verhindern, dass die Teams mit teuren Materialien versuchen, die Autos möglichst leicht zu konstruieren. Nun senkt (!) man das Mindestgewicht, weil die Teams einer besseren Kurvenlage zuliebe dennoch möglichst leichte Autos bauen und extrem teuren Ballast am Unterboden verwenden, um das Mindestgewicht zu erreichen.
Begründet wird die Senkung des Mindestgewichts der Autos auf 550 Kilogramm damit, die Zusatzgewichte überflüssig zu machen und die Sicherheit zu erhöhen, schließlich steckt dann bei einem Aufprall weniger kinetische Energie dahinter. Die Autos werden dafür jedoch schneller beschleunigen können.
Motoren und Getriebe müssen langlebiger werden
Werden Motor oder Getriebe in Zukunft außerplanmäßig gewechselt, soll es keine Strafversetzung in der Startaufstellung mehr geben, sondern Strafgewichte (mindestens 15 kg) kommen zum Einsatz. Dadurch werden die Autos schwerer - und damit macht sie die FIA mutwillig unsicherer, folgt man der Argumentation des Verbandes. Ein Fahrer, der sogar vier Rennen mit ein und demselben Motor bestreitet, soll hingegen mit -10 kg belohnt werden.
Technologie: Geht die FIA mit den Einschnitten zu weit?
Die 'GPMA'-Vertreter (Grand Prix Manufacturers' Association), also jene Automobilhersteller (BMW, DaimlerChrysler, Honda, Renault und Toyota), die für 2008 eine Konkurrenzserie zur Formel 1 planen, wollen sicher stellen, dass es eine Rennserie gibt, in der man als Hersteller die Fähigkeiten bei der Entwicklung der Technologie zeigen kann.
Mit der Einführung einer Standardelektronik "Electronic Control Unit" (ECU) nimmt man den Herstellern viele Freiheiten weg, auch wenn dadurch tatsächlich etwas für den Sport getan wird, da man die Traktionskontrolle endgültig kontrollierbar verbieten kann und auch eine Testbeschränkung überwacht werden kann - in Zukunft darf jedes Team nur noch 30.000 Kilometer pro Jahr testen. Ob Techniken wie die Traktionskontrolle in die Formel 1 gehören oder nicht, ist wieder eine andere Frage.
Im Motorbereich werden den Konstrukteuren immer mehr Freiheiten genommen

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Motoren müssen in der Formel 1 künftig drei Rennwochenenden überstehen Zoom
Durch das anvisierte Drehzahllimit der Motoren von 19.000 Umdrehungen in der Minute (evtl. auch 20.000), wird sich die Motorentwicklung in eine andere Richtung entwickeln. Die Hersteller werden zum Beispiel mehr Wert auf den Verbrauch des Motors legen, was durchaus ein korrekter Ansatz ist.
Da es ein Mindestgewicht (95 kg) für die Motoren gibt und sogar der Schwerpunkt vorgeschrieben wird, kann es auch nicht passieren, dass um jeden Preis leichtgewichtige Motoren hergestellt werden. Doch natürlich nimmt man den Herstellern damit viele Freiheiten, was die Entwicklung des Motors, als das "Herz" des Autos betrifft, zumal anderer Variablen, wie Bohrung und Hub, fix vorgegeben sind.
FIA macht den Weg für Zukunftstechnologien frei - zumindest teilweise
Positiv zu bewerten ist die Freigabe von neuen Technologien wie der Energierückgewinnung, sodass beim Bremsen bisher durch Reibungswärme verloren gegangene Energie beim Beschleunigen wieder eingesetzt werden kann. Doch auch dies soll nur mit Einschränkungen möglich sein, die verwendete Technologie muss erschwinglich sein und darf nicht dafür sorgen, dass kleine Teams Probleme bekommen. Zudem darf nur eine maximale Energie von 300 kJ gespeichert werden.

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In Zukunft muss durch den Tankschlauch auch etwas Bio-Sprit fließen Zoom
Ein anderer Ansatz der Formel 1, um auch in Bezug auf die Umwelt etwas "Gutes" zu tun, ist die Vorschrift, dass der Treibstoff mindestens zu 5,75 Prozent aus Bio-Sprit bestehen muss. Die Frage, die man sich in diesem Zusammenhang stellen muss, ist, warum es in der Formel 1 aber auch in Zukunft keinen Katalysator geben wird, was in anderen Rennserien längst Standard ist.
Innovationsmotor mit angezogener Handbremse
Mit Innovation wird die FIA in Zukunft restriktiv umgehen. Kommt ein Team auf eine Idee, die nicht durch das Reglement reglementiert wird, so kann - wenn die Idee nicht zum Wohle der Formel 1 ist - soll diese am Ende der Saison verboten werden, damit die Konkurrenz nicht gezwungen ist, diese Idee auch einzusetzen, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Natürlich könnte man das Reglement durchaus so stricken, dass Innovationen von Anfang an erst gar nicht erlaubt sind, doch dies ist natürlich nicht im Sinne des Erfinders. Die Formel 1 soll ja auch neue Ideen liefern, zum Beispiel für die PKW-Serienproduktion. Auch deshalb ist jedes Team, dessen Idee nach einem Jahr verboten wird, dazu verpflichtet, alle technischen Details hierzu zu veröffentlichen.
Abtriebslimit für mehr Sicherheit und spannendere Rennen

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Der CDG-Flügel hat in der Formel 1 nicht nur Befürworter Zoom
Zusammen mit der Einführung des CDG-Flügels soll auch das Bodywork der Autos zu reglementiert werden, sodass das Überholen erleichtert wird und die Kurvengeschwindigkeiten stabil bleiben. So darf ein Auto zu keinem Zeitpunkt einen Abtrieb von mehr als 12.500 N erzeugen.
Die Autos übrigens werden wieder breiter, von derzeit 180 Zentimetern auf 195 bis maximal 200 Zentimeter. Gleichzeitig kehren die Slicks und breitere Reifen (365 Millimeter vorne und 460 Millimeter hinten) in die Formel 1 zurück, um die mechanische Haftung zu erhöhen und dadurch das Überholen zu erleichtern, was nach Meinung vieler Experten auch gut funktionieren dürfte.
Das umstrittene Reifenmonopol kommt
Schon lang beschlossene Sache ist die Einführung eines Reifenmonopols. Dadurch kann die FIA die Geschwindigkeit der Autos kontrollieren und ein Großteil der Reifentests fallen weg. Die Reifenspezifikationen für die jeweils nächste Saison werden vom Verband spätestens im September festgelegt. Doch natürlich gibt es einige Kritiker, die damit den Wettbewerbsgedanken des Sports empfindlich gestört sehen, denn gerade die Reifen haben in der Formel 1 einen großen Anteil an Erfolg und Misserfolg.

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Die Slicks werden wieder in die Formel 1 zurückkehren Zoom
In Bezug auf die Reifen gibt es aber noch weitere Neuerungen: Der Reifendruck darf - allerdings nur durch den Fahrer - während der Fahrt verändert werden, damit will man verhindern, dass dieser vor allem in einer Safety Car-Phase in den Keller geht, was letztendlich der Sicherheit dient. Die Veränderung darf jedoch nicht mehr als 0,15 Bar je Minute betragen. Gleichzeitig wird das Vorwärmen von Reifen verboten, was einige Kritiker auf den Plan rufen wird, da gerade im Regen ein kalter Pneu ein hohes Sicherheitsrisiko darstellt.
Noch langlebigere Komponenten
Durch weitere Eingriffe soll der Betrieb der Autos kostengünstiger werden: Motoren müssen in Zukunft drei Rennwochenenden überstehen, die Kraftübertragungseinheit gar vier, wobei die Getriebezahnräder eine minimale Dicke aufweisen und aus Stahl gefertigt werden müssen, um sie in der Produktion kostengünstiger zu machen.
Zudem dürfen beim Bau von Chassis und Motoren nur noch Materialien verwendet werden, die von der FIA genehmigt sind, was auf der einen Seite die Kosten kontrollierbar macht, aber gerade in Bezug auf die Nano-Technologie als Forschungsbremse wirkt. In Zukunft dürfen die Teams untereinander beliebige Teile wie Motoren oder ganze Chassis' verkaufen. An einem Rennwochenende dürfen nur noch zwei Chassis' je Team verwendet werden - damit fällt das Ersatzauto und der dritte Fahrer weg.
Nicht der Weisheit letzter Schluss

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Clevere Köpfe wie Adrian Newey werden Schlupflöcher im Reglement finden Zoom
Das neue Reglement stellt in Bezug auf viele Punkte einen richtigen Ansatz dar, doch der Weisheit letzter Schluss ist es nicht. Viele Fragen bleiben offen und es werden in den kommenden Wochen und Monaten erneut viele Schlupflöcher gefunden werden, die es noch zu stopfen gilt.
Ein Punkt betrifft zum Beispiel eine geplante Änderung für 2009, wonach nach dem ersten Saisonrennen nur noch zwei Veränderungen des Bodyworks pro Saison vorgenommen werden dürfen (mit Ausnahme kleinerer Veränderungen, die bestimmte Probleme wie die Überhitzung des Motors verhindern sollen). Vom Verbot eines komplett neuen Autos ist jedoch nicht die Rede...

