• 22.07.2005 21:21

Der Zimmermann der Sauber-Petronas-Autos

Hintergrund bericht: Christoph Zimmermann, ein Mitarbeiter erster Stunde, ist in Hinwil Gruppenleiter der Verbundstoffabteilung

(Motorsport-Total.com) - Während die Aerodynamiker vor allem den Speed im Auge haben, muss Konstruktionschef Christoph Zimmermann dafür sorgen, dass die filigranen Karbonteile die extremen Belastungen heil überstehen. Unsere Kollegen vom 'emagazine' der 'Credit Suisse' warfen einen Blick auf die Arbeit des Sauber-Teammitglieds.

Titel-Bild zur News: Renault-Fabriksmitarbeiter

Die heutigen Formel-1-Fabriken erinnern eher an Hightech-Paläste als an Garagen

Man schrieb das Jahr 1989. Das Sauber-Team feierte einen Doppelerfolg beim legendären 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Und ein gewisser Christoph Zimmermann, der eben bei der ABB seine Lehre beendet hatte, trat bei Sauber seine Stelle als Maschinenzeichner an. Längst ist die Sportwagenära des Teams Vergangenheit, doch Christoph Zimmermann ist geblieben - zusammen mit vielleicht zehn andern Mitarbeitern aus jener glorreichen Ära.#w1#

Nach einem ChampCar-Intermezzo zurück in die Formel 1

Mit seiner Firmentreue bewies der Zürcher, dass man nicht unbedingt den Arbeitgeber wechseln muss, um einen abwechslungsreichen Berufsalltag genießen zu können. Nur einmal, nach Abschluss seines Abendtechnikums 1999, zog es den schollenverbundenen Mann in die weite Welt, nach Amerika, wo er bei einem Hersteller anheuerte, der für die ChampCar-Serie Autos baute. Doch weil sich die Firma schon ein Jahr später aus der Rennserie zurückzog, kehrte der verlorene Sohn unversehens zu seinem ersten Arbeitgeber zurück.

Seit 2001 ist er dort Gruppenleiter für die Kompositkonstruktion und leitet ein Team von acht Mitarbeitern. Komposit, Kohlefaser oder Karbon: Immer meinen die Synonyme den gleichen, extrem festen und gleichzeitig leichten Werkstoff, aus dem praktisch das ganze Formel-1-Auto besteht, mit Ausnahme des Motors, des Getriebes und einiger mechanischer Teile.

"Die Aerodynamiker definieren die äußere Form des Autos", erläutert Zimmermann seinen Job. "Von ihnen bekommen wir eine CAD-Datei mit dreidimensionalen Daten des Teils, das wir bauen sollen." Wobei die Vorgabe mehr oder weniger immer die gleiche ist: möglichst leicht und möglichst steif - und möglichst schnell. Denn Baubeginn ist für die neun "Zimmermänner" erst drei Monate vor dem Rollout. Dann spätestens muss mit der Konstruktion des Chassis begonnen werden, dem größten und daher zeitaufwändigsten Teil des Autos. Wobei der Begriff Konstruktion etwas irreführend ist, denn Zimmermann legt nicht selbst Hand an, sondern greift zu Maus und Tastatur, um die nötigen Eigenschaften des Teils virtuell zu berechnen.

Auf das Chassis wirken extreme Belastungen

"Im Gegensatz zu den Aerodynamikern können wir mit unserer Arbeit das Auto nicht schneller machen, höchstens langsamer", sagt Zimmermann. Einfacher macht das die Aufgabe trotzdem nicht. Die Teile an einem Formel-1-Auto sind extremen Belastungen ausgesetzt. Allen voran das Chassis: Es muss den Vibrationen des 900-PS-Motors standhalten, die Schläge der Radaufhängungen verkraften, den bis zu 1,5 Tonnen schweren Abtrieb der Front- und Heckflügel auffangen. Und falls das Auto einmal in die Reifenstapel kracht, sollte der Fahrer den Crash möglichst heil überstehen.

Trotzdem wiegt ein Chassis deutlich weniger als der Rennfahrer selbst. Eine Gleichung mit vielen Unbekannten: Ist die Lösung gefunden, landen die Baupläne bei den Leuten vom "Clean Room", welche die Teile Stück für Stück physisch anfertigen. Zuerst wird eine Positivform aus einem Kunststoff gefräst, darum herum entsteht die Negativform aus Kohlefasern, und erst jetzt kann mit der Fertigung des eigentlichen Teils begonnen werden. Ein Handwerk, das äußerste Präzision verlangt: Die Karbonmatten werden Lage für Lage übereinander gelegt und durch ein Epoxidharz miteinander verbunden. Im so genannten Autoklaven, einem überdimensionierten Backofen, werden die Teile schließlich unter großer Hitze und hohem Druck zusammengepresst.

So richtig durchatmen können die Kompositleute erst gegen Weihnachten, wenn die von der FIA verordneten Zulassungstests überstanden sind. Die Feuerpause hält meist nur bis zu den ersten Testfahrten, die selten ganz ohne Karosserieschaden über die Bühne gehen. Dann heizen sie in Hinwil wieder den großen Ofen an...