• 15.01.2009 16:13

  • von Roman Wittemeier

Der Tanz auf der Regelwerk-Rasierklinge

Toyota-Präsident John Howett rechnet mit Diskussionen um die Regelauslegung: "Leute werden sich fragen, ob sie weiter in der Formel 1 sein wollen"

(Motorsport-Total.com) - "Alle Teams mussten bei Null anfangen", schilderte Toyota-Technikchef Pascal Vasselon die besondere Herausforderung beim Bau eines Formel-1-Boliden auf Grundlage der deutlich veränderten Regeln. Zum einen kommen die Slicks zurück, auf der anderen Seite darf KERS verwendet werden. Größte Baustelle: Mit verkleinertem Diffusor, engeschränkten Möglichkeiten für Leitbleche, neuen Maßen für Front- und Heckflügel bietet der Bereich Aerodynamik die meisten Neuerungen.

Titel-Bild zur News:

Der Toyota TF109 kam mit neuen Verkleidungen an den Hinterrädern daher

Wer meint, dass angesichts der gewöhnungsbedürftigen Optik der Übergangsmodelle oder auch des neuen Ferrari F60 alle modernen Formel-1-Autos unschön aussehen würden, wurde am Donnerstag überrascht. Der neue Toyota TF109 wirkt, als sei das Outfit weniger von den Regeländerungen betroffen. Das Design erscheint stimmig und deutlich weniger klobig als als manch anderer Bolide.#w1#

Wo sind die Tabuzonen am Cockpit?

Während sich Ferrari am neuen Auto ein Luftleitelement vor den Seitenkästen noch als Spiegelhalterung legitimierte, setzte Toyota zwei senkrechte Bleche völlig unkommentiert neben die Cockpits. Sollten zur kommenden Saison genau in jenem Bereich nicht alle aerodynamischen Helferlein verschwunden sein? "Es kann Probleme bei der Interpretation des neuen Regelwerks geben", stellte Toyota-Präsident John Howett gegenüber 'Reuters' in Aussicht.

Die verstellbaren Elemente am Frontflügel sorgen für mehr Arbeit im Cockpit Zoom

Der Brite ist sich des Rittes auf der Rasierklinge offenbar bewusst. Es könne Proteste und strittige Entscheidungen geben: "Ich glaube, es gibt die ernsthafte Gefahr, dass wir in eine Situation gelangen, wo viele Leute sich fragen werden, ob sie noch länger in der Formel 1 bleiben und teilnehmen möchten. Ich hoffe, dass man damit professionell und sensibel umgeht." Die Frage ist wie so oft, wer es schafft den legalen Rahmen bis an die Grenzen auszuloten.

Die Grundlagen für eine Entwicklung lagen im Material der FIA begraben, das als neues Regelwerk an die Teams ging. Per CFD (Stömungsanalyse per Computer) versuchte man zunächst die Grundlagen für den Bau des neuen Boliden festzulegen. "Die Simulation hilft dabei, gewisse Konzepte mit Prioritäten zu versehen, wenn es um leistungsbezogene Kriterien geht", schilderte Toyota-Technikchef Pascal Vasselon die Herangehensweise.

Zuerst die Computer-Analyse, dann der Bau des Monocoques, anschließend Layout von Aufhängungen, Getriebe und Chassis-Anbauteilen - so die Reihenfolge der Entwicklung. Was später folgt, ist die Analyse der Gegner. Wenn alle Teams ihre Boliden auf der Strecke testen, beginnt die Prüfung neuer Ansätze, die man sich bei Gegnern abgeschaut hat. "Die Konfiguration beim Rollout unterscheidet sich deutlich vom Erscheinungsbild beim ersten Rennen. Es verändert sich dann immer weiter", so Aerodynamikchef Mark Gillan.

Wann bringt ein Element wirklich Abtrieb?

Beim TF109 kann man deutlich erkennen, wie man mit den seitlichen Elementen am Frontflügel versucht, die anströmende Luft möglichst über die Vorderräder zu bekommen. Der Luftwiderstand der Gummiwalzen ist einfach gewaltig, daher will man möglichst wenig Angriffsfläche bieten. Die hohe Nase des neuen Toyota ist ähnlich spitz wie beim Ferrari F60, sticht aber nicht so weit voraus. Die aerodynamisch angenehm geformten Aufhängungsteile können so ihren vollen Nutzen entfalten.

"Wir haben innerhalb sogenannter Legalitätsgrenzen gearbeitet", beschrieb Vasselon. "Es gibt bestimmt Zonen am Fahrzeug, wo der Einsatz von Elementen, die Abtrieb bringen sollen, verboten ist." Bleibt die Frage: Wann bringt ein Element Abtrieb und wann eigentlich nur positive Nebeneffekte wie eine günstige Anströmung der Airbox oder die Kanalisierung der Luft zu den Kühlelementen in den Seitenkästen oder an den Bremsbelüftungen?


Fotos: Präsentation des Toyota TF109


Der Frontflügel des TF109 wirkt insgesamt wenig verspielt. In der Mitte hat man neben der Tabuzone die zwei verstellbaren Elemente fixiert, die der Fahrer während des Rennens pro Runde zwei Mal justieren darf. "Das Team legt für die Elemente ein Basis-Setup fest. Der Fahrer kann dann im Cockpit eine Option wählen, die ihm gefällt. Das macht er über einen Schalter. Anschließend drückt er einen Knopf, damit die Änderung eintritt. Aber er muss immer wieder auf die Basis-Einstellung zurückschalten. Das bedeutet: Jeder zweite Vorgang führt in die Ausgangsposition zurück."

Der Frontflügel, die seltsamen senkrechten Elemente an den Cockpitseiten sowie neue Radverkleidungen vorne und hinten haben allesamt ein Ziel: stabile Straßenlage und dadurch ein vorhersehbares Fahrverhalten. "Das Auto soll weniger von den Einflüssen des vorherfahrenden Wagens beeinflusst werden. Es geht bei all den Dingen vor allem um die Luftverwirbelungen direkt hinter dem Vordermann", stellte Vasselon klar. Die neuen Regeln könnten also in der Formel 1 für neue Turbulenzen sorgen.