Der Olympionike, der Brasiliens Formel-1-Rennen gerettet hat

Es gab Zeiten, da stand der Formel-1-Grand-Prix in Interlagos auf der Kippe - Der Mann, der das Rennen rettete, trat einst selbst bei den Olympischen Spielen an

(Motorsport-Total.com) - Vor nur drei Jahren bestand die Gefahr, dass das Formel-1-Rennen in Brasilien aus dem Rennkalender verschwinden oder zumindest von seinem historischen Austragungsort in Interlagos an eine andere Stätte verlegt werden könnte.

Titel-Bild zur News: Alan Adler

Alan Adler übernahm das Zepter in einer entscheidenden Phase für den Sao-Paulo-GP Zoom

Doch das Rennen wurde nicht nur an seinem traditionellen Austragungsort gerettet, wenn auch unter dem neuen Namen "Grand Prix von Sao Paulo", sondern seine Zukunft ist nun auch bis mindestens 2030 gesichert. Verantwortlich dafür ist der Promoter Alan Adler, der bis 2020 in Rennsportkreisen unbekannt war.

Er brachte umfangreiche Erfahrungen bei der Durchführung von großen Sport- und Unterhaltungsveranstaltungen in Brasilien mit sowie - durch ungewöhnliche Umstände - eine solide Investition von der Regierung in Abu Dhabi.

In seinem früheren Leben war Adler selbst Sportler und vertrat sein Land im Segeln in der Zweimannklasse Flying Dutchman bei den Olympischen Spielen 1984, 1988 und 1992. Dabei entwickelte er den Wettbewerbsgeist, der ihn schließlich zu einem erfolgreichen Geschäftsmann machen sollte.

"Ich bin viele Jahre auf Amateurniveau, nicht auf Profiebene, gesegelt", sagt der heutige 59-Jährige. "Ich war bei drei Olympischen Spielen, einigen Weltmeisterschaften. Ich wurde Star-Class-Weltmeister, gewann eine Silbermedaille bei den Panamerikanischen Spielen. Ich hatte eine großartige Karriere."

"Brasilien ist im Segeln sehr stark, das war also eine großartige Grundlage für mich. Dann habe ich weitere 14 Jahre in der Automobilindustrie gearbeitet. Meine Familie besaß Schmiedewerke. Wir fertigen Motorkomponenten, Fahrwerksteile und lieferten an Volkswagen, Fiat, General Motors, Ford und Mercedes."

Vom Segeln über die Musik zur Formel 1

Adler wurde CEO des Unternehmens. "Ich habe also diese Hintergrundkenntnisse in der Mechanik, bin aber Volkswirt", erklärt der Brasilianer. "Und dann haben wir uns entschieden, das Management des Unternehmens zu professionalisieren."

Adlers berufliche Laufbahn änderte ihre Richtung, als sich die Gelegenheit bot, sich in einer Managementfunktion im Sport zu engagieren. "Ich wurde von einem Freund, Torben Grael, einem Olympiasieger im Segeln, angesprochen", erzählt er.

"Er segelte im America's Cup für Prada. Er wurde immer von Teams angesprochen, die fragten, warum Brasilien dort kein Team hat. Also kam er zu mir, und ich sagte: 'Ich bin im Schmiedegeschäft. Ein Team zu managen, ist etwas anderes.' Aber ich habe mich irgendwie darauf eingelassen und mochte die Herausforderung."

"Wir dachten, dass die Messlatte für den America's Cup zu hoch lag, um in Brasilien Geld dafür zu sammeln. Wir haben uns stattdessen entschieden, das Volvo Ocean Race - früher Whitebread - zu machen. Das Investitionsniveau war geringer. Für den America's Cup waren es 100 Millionen Dollar und so nur 30 Millionen."

"Trotzdem musste ich mit jedem Geschäftsmann im Land sprechen, um die Summe aufzubringen, die wir damals brachten. Und wir haben das brasilianische Segelteam für die Volvo-Serie 2005/06 dann auch gemacht. Es war ein sehr erfolgreiches Projekt, wir haben den dritten Platz erreicht, standen auf dem Podium."

Alan Adler

Adler sammelte im Veranstaltungssektor viel Erfahrung, bevor er zur Formel 1 kam Zoom

"Ich fing an zu verstehen, wie ich diesem Geschäft in Bezug auf Veranstaltungsmanagement einen Mehrwert schaffe. Und dann habe ich begonnen, Musik zu vermarkten. Ich managte die Tour von Police 2007, die erste große Sache nach dem Segeln."

Firmenpleite bringt Adler zurück ins Spiel

Bald war Adlers Unternehmen Brazil 1 in Fußball, Golf, Tennis, Schwimmen, UFC- und NBA-Vorsaisonspielen sowie in nicht-sportlichen Veranstaltungen wie Cirque du Soleil und Modenschauen involviert. Dann verkaufte er das Geschäft.

"Ich habe meine Firma an IMG und Eike Batista verkauft, einen sehr reichen Mann zu der Zeit", sagt er, "und daraus wurde IMX. Doch dann ging Eike im Jahr 2014 pleite."

"Eine der von dem Zusammenbruch betroffenen Einheiten war Mubadala, die souveräne Investitionseinheit von Abu Dhabi, die weltweit Interessen hat und zu einem Zeitpunkt Anteilseigner des Formel-1-Teams von Mercedes war."

"Mubadala war ein Gläubiger von Eike", erklärt Adler. "Sie hatten zwei Milliarden Dollar in seine Holdinggesellschaft investiert und waren in den Bereichen Öl, Werften, Logistik und Bergbau tätig. Im Zuge der Pleite übernahm Mubadala einige Vermögenswerte, darunter IMX. Damals wurde ich Mubadala vorgestellt."

Adler übernahm wieder die Leitung des von ihm gegründeten Unternehmens, benannte es in IMM um - für Mubadala. Dann bot sich 2020 die Chance, in die Formel 1 einzusteigen.

Liberty Media hatte festgestellt, dass das Rennen in Interlagos einige unerwartete Probleme mit sich brachte. Bernie Ecclestone hatte immer eine Schwäche für die Veranstaltung, und er hatte ihr einen ungewöhnlichen Vertrag verschafft, bei dem das TV-Netzwerk TV Globo die Austragungsgebühr subventionierte.

Grand Prix in Sao Paulo kurz vor dem Aus

Als diese Vereinbarung auslief, stellte sich heraus, dass es einen Vertrag für ein Rennen in Brasilien gab, aber überhaupt keine Gebühr. Währenddessen verfolgte der damalige CEO der Formel 1, Chase Carey, ein brandneues Projekt in Rio, und es schien, als würde Interlagos in die Geschichtsbücher verbannt werden.

"Was passierte, war, dass Liberty eine großartige Gelegenheit fand, in Rio ein Formel-1-Rennen zu machen", erinnert sich Adler. "Sie hatten zu der Zeit einige Verpflichtungen, und sie hörten auf, mit Sao Paulo zu sprechen. Ich denke, dass Sao Paulo merkte, dass etwas mit der Vertragsverlängerung nicht stimmte."


GP Brasilien: Eine virtuelle Runde in Interlagos

Fahren Sie mit auf einer virtuellen Runde im Autodromo Jose Carlos Pace von Interlagos. Weitere Formel-1-Videos

"Und dann stand der Promoter hier (Tamas Rohinyi; Anm. d. R.) mit Liberty nicht mehr in Kommunikation. Also bat Sao Paulo mich, herauszufinden, was da genau los war."

"Ich hatte einige Verbindungen zum Büro des Bürgermeisters, und ich habe Tamas angesprochen und gesagt: 'Können wir zusammenarbeiten und sehen, ob wir Sao Paulo helfen können, die Formel 1 zu behalten?' Wir waren also in London und trafen Chase."

"Und dann sagte Tamas, er habe kein Interesse mehr weiterzumachen, aber er denkt, er könne mich mit seiner Erfahrung unterstützen. Wir mussten warten, bis das Rio-Projekt von selbst scheiterte - es gab ein Umweltproblem mit dem Gelände, das sie nutzen wollten. Dann ging Chase weg, und Stefano Domenicali kam."

"Seine Entscheidung war, dass wir in Sao Paulo bleiben müssen. Ich denke, er schätzt sehr, was die Fahrer sagen, und sie lieben die Strecke. Also haben wir Ende 2020 mit Mubadala als Investor und zusammen mit anderen Partnern begonnen."

Die Stadt ist mit hohen Investitionen beteiligt

"Es ist eine andere Firma als IMM, völlig anders, aber ich bin CEO von beiden - IMM und Brazil Motorsport", erklärt Adler. "Mubadala hilft nicht nur mit seinen Kontakten, sondern auch mit seinem Profil. Sie bringen Glaubwürdigkeit und finanzielle Ressourcen mit. Ich bin mehr der Betreiber von Großveranstaltungen."

Das letzte Puzzlestück war die volle Unterstützung des Bürgermeisters der Stadt Sao Paulo, der die Strecke besitzt und sie dem Veranstalter vermietet. Adler will sich zwar nicht dazu äußern, wie viel die Stadt beisteuert, aber aus Unterlagen geht hervor, dass es sich um 20 Millionen Real pro Jahr handelt, etwa 3,8 Millionen Euro.

"Es ist eine hohe Investition", hält sich Adler bedeckt. "Sao Paulo sagte: 'Wir müssen etwas mehr Wert schaffen. Wir wollen den Namen des Rennens haben.' Ich denke, das ist das Geschäftsmodell der Formel 1. Und Sao Paulo hat das gleiche. Die Vorteile, die dieses Rennen für die Region bringt, sind erstaunlich."

Der im Dezember 2020 unterzeichnete Vertrag hielt das Rennen bis 2025 in Sao Paulo. Die Verlängerung im November dieses Jahres fügte weitere fünf Jahre hinzu, wobei der neue Bürgermeister die Unterstützung seines Vorgängers fortsetzt.

Interlagos folgt damit dem Beispiel vieler anderer Formel-1-Rennen, für die in den vergangenen Jahren eine Reihe von Langzeitverlängerungen vereinbart wurden.


Fotostrecke: Die Vertragslaufzeiten der aktuellen Formel-1-Strecken

"Als Promoter im Veranstaltungsmanagement sind zwei Jahre aus meiner Sicht nichts", sagt Adler. "Wie kann man bei einer Veranstaltung dieser Größe eine Investitionsentscheidung treffen? Man braucht etwas Stabilität und Vorhersehbarkeit."

"Die Formel 1 tut das Richtige, um diese Transparenz zu schaffen und ihre Logistik besser zu planen. Man muss wissen, was auf einen zukommt, wie kann man sonst planen?"

Interlagos plant für 2024 einige Verbesserungen

Als Grand-Prix-Promoter ist Adler auch für spezifische Streckenänderungen im Zusammenhang mit dem Formel-1-Event verantwortlich. Interlagos wird auch noch breiter genutzt - für Musik- und andere Veranstaltungen. Damit ist sichergestellt, dass die Stadt für allgemeine Infrastrukturerneuerungen aufkommt.

"Es gibt andere Dinge, die nicht für die Formel 1 sind", sagt Adler. "Sie investieren, weil sie Interlagos zu einem Knotenpunkt für größere Veranstaltungen machen wollen, und wir profitieren davon. Die Vor- und Nachteile dessen, was sie tun, wirken sich auf uns aus. Aber bisher war die Unterstützung des Bürgermeisters hervorragend."

"In diesem Jahr haben sie viel Landschaftsarbeit gemacht. Sie haben ein völlig neues Abwassersystem installiert und viel Geld dafür ausgegeben. Für das nächste Jahr hoffen wir auf einen neuen Tunnel, der dazu beitragen wird, den Zustrom von Fans an die Strecke zu verbessern. Er wird direkt zum Bahnhof führen."

"Eine andere großartige Sache ist, dass wir die Haupttribüne A erneuern werden, zusammen mit einigen anderen Verbesserungen der Infrastruktur und Tribünen. Also freuen wir uns wirklich sehr darauf, was wir im nächsten November haben werden."

Das Einzige, was fehlt, ist ein Lokalheld. Brasilien wurde im Laufe der Jahrzehnte durch die Weltmeister Emerson Fittipaldi, Nelson Piquet und natürlich Ayrton Senna verwöhnt. Danach standen Rubens Barrichello und Felipe Massa im Mittelpunkt. Trotzdem ist das Rennen immer noch ein Publikumsmagnet.

Also würde es wirklich einen Unterschied machen? "Ich weiß es nicht", gibt Adler zu. "Weil ich vorher nicht hier war. Es ist wie mich zu fragen, ob das Sprintrennen eine Hilfe ist. Ich weiß es nicht, ich habe ja erst mit dem Sprint angefangen!"

"Ich drücke Felipe Drugovich die Daumen, dass er Glück hat. Er ist gut, er hat die Ressourcen hinter sich. Aber in der Formel 1 reicht das nicht. Er muss auch Glück haben."

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