Der "neue" Sutil verspricht: "Da kommt noch mehr"

Entspannt, gereift und besser denn je: Adrian Sutil überraschte mit seiner Leistung in Australien viele Beobachter, aber nicht sein Team

(Motorsport-Total.com) - 476 Tage nachdem er zum letzten Mal bei einem Formel-1-Grand-Prix an den Start gegangen war, meldete sich Adrian Sutil heute beim Großen Preis von Australien in Melbourne in der Königsklasse zurück. Und wie! Der 30-Jährige fuhr im Force India das Rennen seines Lebens, startete als Zwölfter auf den mittelharten Reifen und rückte, nachdem die Fahrer vor ihm an die Box gefahren waren, Platz um Platz nach vorne. In Runde 14 war es dann soweit: Sutil führte in seinem 91. Grand Prix zum ersten Mal ein Rennen an.

Titel-Bild zur News: Adrian Sutil

Gereift und gestärkt kehrt Adrian Sutil in die Formel 1 zurück Zoom

"Es war schön P1 auf der Boxentafel zu sehen", sagt der Gräfelfinger, der sich davon jedoch nicht aus der Ruhe bringen ließ. "Du musst deine Emotionen unter Kontrolle haben. Emotionen sind nicht hilfreich, wenn du im Rennen erfolgreich sein willst." Dass ihm gleich bei seinem Comeback-Rennen für Force India der (zwischenzeitliche) Sprung an die Spitze gelang, kam für Sutil selbst ein wenig überraschend: "Das hatte ich nicht erwartet, aber ich wollte bei meiner Rückkehr besser sein. Nun gleich vorne zu fahren, war ein tolles Gefühl. Ich wollte meine Chance nutzen und war überrascht, dass wir an der Spitze wirklich konkurrenzfähig waren."

Rob Fernley, stellvertretender Teamchef von Force India, war über die Leistung seines neuen alten Piloten hingegen weniger erstaunt: "Wenn wir überrascht wären, hätten wir ihn nicht verpflichtet", sagt der Brite. "Wir haben erwartet, dass sich Adrian schnell wieder ins Team einlebt. Er hat die Erfahrung, um dem Druck, der auf ihm lastet, standzuhalten." Und dieser Druck war im heutigen Rennen gewaltig, denn während Sutils ersten Stint tauchte plötzlich niemand Geringeres als Weltmeister Sebastian Vettel im Rückspiegel des Force India auf.

Keine Enttäuschung über Platz sieben

Adrian Sutil, Boxenstopp

Beim letzten Stopp musste Adrian Sutil auf die superweichen Reifen wechseln Zoom

Wer aber nun erwartet hatte, dass Sutil für den Red-Bull-Piloten zur leichten Beute würde, wurde eines besseren belehrt. Sutil konnte seinen Landsmann auf Distanz halten, sodass dieser keinen Angriff starten konnte. "Als Adrian im ersten Stint führte, schloss Vettel zu ihm auf, konnte ihn aber nicht überholen. Das war sehr ermutigend. Das zeigt, dass die Pace unseres Autos nicht so schlecht ist", freut sich Fernley. Das zeigte sich auch im weiteren Rennverlauf: "Ich habe die erste Position nach meinem ersten Boxenstopp zurückgewonnen, was zeigt, dass wir schnell genug waren", so Sutil.

Da der 30-Jährige eine andere Reifenstrategie als seine Konkurrenten wählte, musste er im letzten Stint auf die supereichen Reifen wechseln. Damit konnte er aber nur kurz das Tempo seiner Mitbewerber halten, bevor seine Zeiten um rund fünf Sekunden anteigen. In der Folge musste Sutil Lewis Hamilton und Mark Webber passieren lassen und fiel von Platz fünf auf sieben zurück. "Ich habe um den fünften Platz gekämpft und ihn verloren, weil ich so viel Graining hatte", erklärt Sutil. "Ohne das hätte ich den fünften Platz behalten können. Aber so reagiert dieser Reifen, jeder musste ihn fahren."

"Das mit Adrian auf superweich war ein kleines Experiment." Robert Fernley

Auch Fernley zeigte sich über den Positionsverlust seines Piloten nicht enttäuscht: "Nein, es war in etwa so wie erwartet. Das mit Adrian auf superweich war ein kleines Experiment", meint der Brite. Dabei habe Sutil möglicherweise die notwendige Erfahrung im Umgang mit den Pirelli-Reifen gefehlt. "Er hat versucht, sie richtig anzufahren, aber er beherrscht diese Technik noch nicht richtig, da er nur ein paar Tage im Auto gesessen hat. Wenn er schon ein paar Rennen gefahren und mit den superweichen Reifen gearbeitet hätte, dann hätte er den fünften Platz möglicherweise gehalten", glaubt Fernley.

Fehlende Erfahrung mit den superweichen Reifen

"Ich denke, dass ich mich weiter steigern kann. Das kommt noch mehr." Adrian Sutil

Das bestätigt Sutil indirekt, der sich vom Verhalten der Pneus ein wenig überrascht zeigt: "Es war interessant zu sehen, wie sich die superweichen Reifen verhalten haben. Sie waren für zwei Runden sehr gut, brachen dann massiv ein, aber haben sich dann von Runde zu Runde recht gut erholt." Unter dem Strich sieht er seine Strategie daher nicht als falsch an: "Natürlich kann man hinterher darüber diskutieren, ob die superweichen Reifen im Mittelstint besser oder schlechter gewesen wären. Das werden wir analysieren und beim nächsten Rennen berücksichtigen."

Der siebte Platz war trotz seines von hinten heranstürmenden Teamkollegen Paul die Resta nicht mehr in Gefahr, nachdem Fernley zwei Runden vor dem Rennende seine Piloten anwies, die Positionen zu halten. Damit war Sutils glänzendes Comeback endgültig perfekt. "Es war ein gutes Comeback nach nur drei Testtagen. Ein siebter Platz im ersten Rennen und viele Führungskilometer haben gezeigt, was möglich ist. Ich denke, dass ich mich weiter steigern kann. Da kommt noch mehr", sagt der selbstbewusste Deutsche.


Fotos: Adrian Sutil, Großer Preis von Australien, Sonntag


In die Karten habe ihm gespielt, dass er zu einem ihm wohlbekannten Team zurückkehrte: "Die ganzen Abläufe sind noch bekannt, aber man muss sie wieder auffrischen", so Sutil gegenüber 'RTL'. Rückblickend sieht er seine einjährige Pause sogar von einer positiven Seite: "Mein Vorteil ist vielleicht, dass ich eine Zeit lang weg war und ein 'normales' Leben geführt habe. Dieser Sport ist oft so stressig, dass einem gar keine Zeit, um etwas zu lernen. Ich habe möglicherweise etwas dazugelernt, während ich nicht im Auto saß, und komme nun auf einem guten Niveau zurück. Das heute war vielleicht nur eine Momentaufnahme, aber ich möchte an die Spitze kommen."

Force India sieht sich bestätigt

Jules Bianchi, Robert Fernley

Robert Fernley entschied sich gegen Jules Bianchi und für Adrian Sutil Zoom

Auch Mallya-Vize Fernley glaubt, dass die Pause Sutil verändert hat: "Auf jeden Fall. Er hat sich intensive Gedanken darüber gemacht, warum wir Nico ihm vorgezogen haben. Ich würde sagen, dass Adrian als abgerundete, komplette Persönlichkeit zurückgekehrt ist. Er ist jetzt zielstrebiger und hat heute allen Kritikern die richtige Antwort gegeben." Daher sieht sich Force India in seiner Fahrerwahl bestätigt.

"Wir mussten eine schwierige Entscheidung zwischen Jules (Bianchi, Anm. d. Red.) und Adrian treffen. Jules hat super Arbeit geleistet und wird einmal ein sehr guter Fahrer werden", sagt Fernley über den ehemaligen Testfahrer des Teams, "aber wir müssen in diesem Jahr dies bestmögliche Leistung abliefern, denn das nächste Jahr ist etwas ungewiss." Mit seiner starken Vorstellung zahlte Sutil das Vertrauen des Teams zurück, das allerdings auch bei einem schlechteren Ergebnis nicht am Deutschen zweifeln würde: "Das heute war ein schönes Resultat, aber hätte er es nicht erzielt, würde das an unsere Einschätzung nichts ändern", so Fernley

"Mein Ziel ist immer noch das erste Podium." Adrian Sutil

An den Erfolg aus Melbourne will Sutil nun in sieben Tagen in Malaysia anknüpfen. "Wir sind stark genug, um in die Punkte zu fahren. Heute waren wird Siebter und Achter. Vielleicht können wir nächste Woche Fünfter und Sechster sein, vielleicht aber auch nur Achter und Neunter. Aber Punkte sind auf jeden Fall möglich. Bei diesem Rennen waren wir das fünftschnellste Team. Diese Position wollen wir verteidigen."

Allerdings ist sich Sutil der Tatsache bewusst, dass hinter ihm noch ein Gegner lauert, der in Australien unter Wert geschlagen wurde: "McLaren ist ein starker Gegner. Sie sind üblicherweise sehr gut darin, das Auto während der Saison zu verbessern." Mit frischem Selbstbewusstsein ausgestattet, hält Sutil nun sogar die Erfüllung seines großen Traums für möglich: "Mein Ziel ist immer noch das erste Podium. Wenn sich die Möglichkeit dazu ergibt, will ich bereit sein."