Der Fall Hamilton: Management an Aggressivität Schuld?

Niki Lauda hat Lewis Hamilton für seine Fahrweise hart kritisiert - Norbert Haug nimmt den McLaren-Piloten in Schutz, während Stirling Moss Probleme im Umfeld ortet

(Motorsport-Total.com) - McLaren-Pilot Lewis Hamilton ist bei den vergangenen beiden Rennen in Monaco und Montreal durch Kollisionen aufgefallen. Im Fürstentum geriet der Brite in der Haarnadel mit Felipe Massa (Ferrari) aneinander. Später kollidierte er mit Williams-Rookie Pastor Maldonado. Als auf dem Circuit Gilles Villeneuve das Rennen nach der ersten Safety-Car-Phase freigegeben wurde, drehte Hamilton Mark Webber (Red Bull) um. Wenige Runden später kam es auf der Start- und Zielgeraden zur Stallkollision mit seinem Teamkollegen Jenson Button.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

McLaren-Pilot Lewis Hamilton muss für seine Fahrweise viel Kritik einstecken

Hamilton ist für seine aggressive Fahrweise bekannt. Mit unzähligen Überholmanövern hat der Weltmeister von 2008 die Zuschauer vor den Fernsehschirmen begeistert. Manchmal ist der Brite auch über das Ziel hinausgeschossen. Die Rennleitung wertete die beiden Kollisionen in Montreal als Rennunfälle. Es gab keine Sanktionen. Dennoch ist die Kritik an Hamiltons Fahrweise in den vergangenen Wochen groß geworden.

Vor allem dem dreimaligen Weltmeister Niki Lauda platzte der Kragen. "Ich bin eigentlich Hamilton-Fan, aber was er da aufführt, geht über alle Grenzen hinaus. Der ist komplett wahnsinnig", schimpft der dreifache Weltmeister. "Wenn die FIA ihn jetzt nicht bestraft, verstehe ich die Welt nicht mehr. Irgendwo hört der Spaß auf. So kann man nicht fahren, da kann es Tote geben."

Es ist klar, dass Hamilton Weltmeister werden und Sebastian Vettel vom Thron stoßen will. Rennfahrer sind Egoisten und wollen stets auf Platz eins sein. Nach der verpatzten Qualifikation in Monaco war von vornherein klar, dass der 26-Jährige eine Aufholjagd starten wird. In Montreal zeigte sich ein ähnliches Bild. Hamilton sah beim Start eine kleine Lücke und stach hinein. Das Überholmanöver klappte nicht und Webber wurde umgedreht.


Fotos: Lewis Hamilton, Großer Preis von Kanada


Red-Bull-Teamchef Christian Horner sagt folgendes zu diesem Vorfall: "Er scheint in keiner guten Situation zu sein. Er versucht es zu stark und übertreibt ein bisschen. Vielleicht braucht er einfach ein bisschen Abstand." Ex-Weltmeister Emerson Fittipaldi kritisiert: "Lewis ist ein außergewöhnliches Talent, ein Weltmeister, aber manchmal ist er beim Überholversuch zu aggressiv. Es muss ein Limit für das aggressive Verhalten geben."

Moss: Spektakuläre Fahrweise gut für das Fernsehen

Für Formel-1-Legende Stirling Moss gehört die Gefahr dazu: "Motorsport sollte nicht sicher sein. Motorsport ist ein gefährlicher Sport. Wer keine Gefahr will, der soll Fischen gehen oder etwas anderes tun. Ich habe den Motorsport genossen, weil er gefährlich war. Wenn du 17, 18 Jahre bist, dann suchst du die Gefahr, weil die Kinder verrückt sind. So ist das eben." Trotzdem findet der Brite, dass Hamilton derzeit etwas übertreibt:

"Ich glaube, er geht in manchen Situationen etwas zu weit. Er ist ein unglaublicher Fahrer und ein Ex-Weltmeister. Er fährt aggressiv und ist ein spektakulärer Fahrer. Es ist aufregend ihm zuzusehen. Das ist wichtig, denn der Sport findet heute im Fernsehen statt. Wenn man ihn beobachtet, dann sieht man Dinge, die man nicht erwarten würde. Ich finde sein persönliches Verhalten derzeit nicht sehr gut."

"Motorsport ist ein gefährlicher Sport. Wer keine Gefahr will, der soll Fischen gehen oder etwas anderes tun." Stirling Moss

Verständnis von Schumacher

Verständnis für die aggressive Fahrweise hat Rekordweltmeister Michael Schumacher, der in seiner Karriere auch nicht zimperlich mit seinen Gegnern umgegangen ist. "Wir wissen, dass man in Monaco nicht überholen kann. Wenn jemand nicht überholt werden will, dann ist es sehr schwierig eine Kollision zu vermeiden", sagt der Mercedes-Pilot, der im Fürstentum von Hamilton in der Sainte Devote überholt wurde.

"Ich schätze in zwei von vier Fällen, in denen er jemanden überholen wollte, haben zwei Fahrer mitgespielt und zwei nicht. Ganz perfekt zu sein ist eine schwierige Situation. Es gibt immer die eine oder andere Meinung darüber. Ich hätte ihm für die Berührung mit Felipe Massa keine Strafe gegeben."

Lewis Hamilton, Michael Schumacher

In Monaco ging Lewis Hamilton an Michael Schumacher vorbei Zoom

Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug hat mit Hamilton zusammen die knappe WM-Niederlage 2007 erlebt und im folgenden Jahr den Titelgewinn. Obwohl Haug nicht mehr an der McLaren-Box sitzt, ist er weiterhin mit dem Briten verbunden, denn McLaren wird seit 1995 von Mercedes-Motoren angetrieben. "Die Situation mit Webber war ganz klar ein Rennunfall. Der Vorfall mit seinem Teamkollegen war ganz klar ein Missverständnis."

Haug: "Ich verteidige Lewis"

"Dazu kann ich aber nur sagen, dass es immer zwei Leute braucht. Für mich wird Lewis im Moment etwas arg kritisiert. Er ist ein Racer und gibt alles. Er ist ein feiner Kerl. Jetzt wird er in die Rowdy-Ecke gestellt, aber das ist er gar nicht. Er gibt im Rennauto alles. Vielleicht hat er jetzt eine Phase, in der er zu viel im Auto gepusht hat. Ich verstehe Lewis genau und verteidige ihn. Er hat gerade eine schwierige Zeit, aber er wird wieder seine Leistung bringen, weil er einer der besten Fahrer im Feld ist. Natürlich wird er jetzt hart kritisiert, aber das wird ihn nur stärker machen."

Die stärkste Kritik hat Lauda getätigt, der sich bekanntlich noch nie ein Blatt vor den Mund genommen hat. John Watson kennt den Österreicher gut und hat sich ebenfalls seine Gedanken zu Hamilton gemacht. "Niki war mein Teamkollege, von daher kenne ich ihn sehr gut. Er ist bekannt für seine harten Kommentare. Für mich ist Lewis derzeit extrem frustriert", findet Watson.

"Er ist nach Monaco gefahren und war überzeugt, dass er eine gute Siegchance hatte. Nach den unglücklichen Umständen im Qualifying war er frustriert. Dann geriet er mit Massa aneinander und stieß mit Maldonado zusammen. Dann musste er zu den Rennkommissaren und machte Kommentare über seine Hautfarbe. Ich glaube, Lewis befindet sich im Moment nicht in einer guten Position."

"Für mich fährt Lewis derzeit mit Frustration und nicht mit Rennintelligenz." John Watson

"Und dann kam Kanada, wo er im Vorjahr gewonnen hat und wieder Red Bull herausfordern wollte. Im Qualifying wurde er Fünfter. Dann änderte sich das Wetter. Für mich fährt er derzeit mit Frustration und nicht mit Rennintelligenz, die eigentlich sehr gut ist. Lewis muss sich jetzt hinsetzten und nachdenken. Er muss seine Saison wieder auf Kurs bringen. Er denkt - und er liegt damit nicht falsch - dass er der schnellste Fahrer im Feld ist. Er denkt, dass er jedes Rennen und jeden WM-Titel gewinnen müsste. Die Frustration, dass es derzeit nicht so ist, bringt ihn in Probleme."

Simon Fuller - Der neue Manager

Im Gegensatz zu Hamilton fährt Vettel seit seinem Titelgewinn befreit auf. Bei dem Deutschen läuft es. Moss macht sich deshalb Gedanken um Hamiltons Umfeld. "Sein Vater ist jetzt nicht mehr sein Manager. Das ist ein Problem, weil er ein sehr netter Mensch ist. Er hat Lewis von Kindheit an im Motorsport begleitet. Ich denke, es wäre gut, wenn die beiden wieder zusammen wären."

Die entscheidende Frage bei der Betrachtung des "übergeschnappten Lewis", wie die britische Zeitung 'The Sun' den McLaren-Fahrer bezeichnet, lautet jedoch: Sind seine Rambo-Attacken nur Ausdruck von Frust oder sogar Kalkül? Betreut wird Hamilton seit knapp drei Monaten von Simon Fuller. Der erfand die Spice Girls und das TV-Format "Pop Idol", die weltweite Castingshow, die hierzulande als "Deutschland sucht den Superstar" Rekordquoten erzielt. Und er platziert David Beckham und Gattin Victoria - zufälligerweise ein Ex-Spice-Girl - regelmäßig in den Boulevardblättern dieser Welt.

Dort soll künftig auch Hamilton mit seiner Pussycat Doll Nicole Scherzinger seinen Stammplatz haben. Er habe Fuller ausgewählt, weil der ihm "nicht nur helfen will, einen besseren Rennfahrer aus mir zu machen, sondern auch meine langfristigen Ambitionen teilt", sagt Hamilton. In den vergangenen Wochen hat der 26-Jährige mit seiner Fahrweise mehr Schlagzeilen geschrieben als mit Rennerfolgen.

Kein Groll zwischen Button und Hamilton

McLarenintern hagelt es hingegen keine Kritik nach der Stallkollision. Der Unfall wurde als unglückliche Situation abgehandelt. Sowohl Teamchef Martin Whitmarsh und Ex-Teamchef Ron Dennis äußerten keine Kritik. Auch Button nimmt seinen Teamkollegen in Schutz. "Lewis ist oft in den Schlagzeilen, weil er verdammt gut ist", wird der Montreal-Sieger von der 'AP' zitiert. "Er ist ein Racer und ein Kämpfer. Das ist für mich der Grund warum ich zu McLaren wollte."

¿pbvin|512|2863|button|0|1pb¿"Ich möchte mit und gegen ein Supertalent fahren. Er ist einer der beste Fornel-1-Fahrer, die es je gegeben hat. Es ist toll, ihn auf der Strecke herauszufordern. Wir haben großen Respekt voreinander. Wir haben in dieser Saison auf der Strecke gegeneinander gekämpft, und auch schon oft im Vorjahr. Wir haben uns nie berührt. Wir lassen uns gegenseitig Platz. Für mich ist das eine tolle Situation."

"Ich stimme nicht mit Nikis Aussagen überein. Ich denke, sein Fahrstil ist aggressiv und er sticht immer in Lücken hinein. Manchmal macht er es richtig, manchmal nicht. Aber so ist das für uns alle. Er befindet sich eben öfters in solchen Situationen als andere Fahrer." Button hat nach der Kollision über Funk gefragt: "Was macht der da?" Die beiden Ex-Weltmeister haben sich in Montreal zusammengesetzt und über die Situation gesprochen.

"Es tut mir sehr leid, dass ich mit Lewis kollidiert bin. Wir haben darüber gesprochen. Ich wusste nicht, dass er da war. Er hat ein Manöver versucht und wir sind zusammengestoßen. Das ist für uns beide traurig. Gleich danach ist das in meinem Kopf herumgegeistert, denn man will nie mit seinem Teamkollegen kollidieren. Das ist das Schlimmste überhaupt. Wir haben darüber gesprochen und er war eigentlich gut drauf. Er war einer der ersten Personen, die mir nach dem Rennen gratuliert haben. Das war schön zu sehen."